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Erstes Opfer der Euro-Krise - Steuerzahler retten Dexia

elgien und Frankreich zerschlagen Großbank - Staatsgarantien von 90 Mrd. Euro
elgien und Frankreich zerschlagen Großbank - Staatsgarantien von 90 Mrd. Euro ©AP
Die Euro-Schuldenkrise treibt die erste Großbank in die Arme des Staates. Um eine Pleite zu verhindern, wird die stark in Griechenland engagierte belgisch-französische Dexia zerschlagen und teilweise verstaatlicht.

Nach einer nächtlichen Marathon-Sitzung stimmte am Montag der Dexia-Verwaltungsrat den Plänen Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs zu. Der Staat Belgien übernimmt den belgischen Arm des Geldhauses für 4 Mrd. Euro komplett. Zudem werden Belgien, Frankreich und Luxemburg gemeinsam weitere 90 mrd. Euro als Garantien für Risikopapiere stellen, die in eine sogenannte “Bad Bank” ausgelagert werden. Dexia wurde bereits 2008 vor dem Aus bewahrt. Die Kunden haben in den vergangenen Tagen massiv Geld abgezogen.

Brüssel/Paris. Allerdings erreiche der Betrag nicht die Zahlen des Krisenjahres 2008, sagte Bankchef Pierre Mariani am Montag bei einer Telefonkonferenz. Bereits in der vergangenen Woche hatte die belgische Wirtschaftszeitung “De Tijd” berichtet, dass die belgischen Bankkunden rund 300 Mio. Euro von den Konten abgezogen hätten. Eine Bankensprecherin sprach von “einigen Abhebungen”, die jedoch “sehr begrenzt” seien angesichts der 80 Mrd. Euro hohen Einlagen. Die Dexia-Bank hat in Belgien 850 Filialen, in Frankreich keine einzige.

Die erneute Rettung der Großbank Dexia könnte den Druck auf andere Länder der Euro-Zone erhöhen, ihren Banken zu dickeren Kapitalpolstern zu drängen. Frankreichs Finanzminister Francois Baroin bemühte sich um Beruhigung: Er rechne nicht mit weiteren Zusammenbrüchen von Geldhäusern.

Das belgische Geschäft mit 6.000 Angestellten und 80 Mrd. Euro schweren Einlagen von 4 Millionen Kunden übernimmt demnach die Regierung in Brüssel für 4 Mrd. Euro. Von den 90 Mrd. Euro Staatsgarantien trägt Belgien 60,5 Prozent, Frankreich 36,5 und Luxemburg 3 Prozent. Dexia behält der Vereinbarung zufolge 95 Mrd. Euro an auslaufenden Anleihen, darunter knapp 8 Mrd. Euro an Bonds mit Ramschstatus.

In Luxemburg will nach Angaben des dortigen Finanzministeriums eine Investorengruppe aus Katar ins Dexia-Geschäft einsteigen. Verhandlungen mit den Interessenten, die zur Königsfamilie des Golfemirats gehören, liefen. Luxemburg werde einen in seinem Umfang noch nicht bestimmten Minderheitsanteil übernehmen.

Wichtig ist Dexia vor allem als langfristiger Financier französischer Kommunen. Dieser Bereich soll abgespalten und von Frankreichs staatlich gestützten Instituten Caisse des Depots (CDC) und der Postbank (Banque Postale) aufgefangen werden. Finanzminister Baroin sagte, beide würden dafür ein Gemeinschaftsunternehmen gründen. So solle verhindert werden, dass der Kreditfluss an die französischen Kommunen austrocknet.

Frankreichs Finanzminister Baroin sagte, er glaube nicht, dass noch weitere Institute vor dem Kollaps bewahrt werden müssen. “Auf jeden Fall keine französischen”, fügte er hinzu. Frankreichs Einsatz bei Dexia habe keine Auswirkungen auf den Schuldenstand oder die Kreditwürdigkeit des Landes. Schließlich handle es sich lediglich um Garantien. Er gehe davon aus, dass die Dexia-Rettung Erfolg habe und die Garantien deshalb auch nicht in Anspruch genommen werden müssen.

Wegen seiner Haushaltsprobleme steht Frankreich von den sechs Euro-Ländern mit der Bestnote “AAA” besonders unter Beobachtung. Analysten gehen aber davon aus, dass Bankenrettungen allein das Top-Rating noch nicht gefährden können. Am Montag bekräftigte die Agentur S&P ihre Bestnote für Frankreich und erklärte, auch der Ausblick bleibe stabil. Schlechter sieht es dagegen für Belgien aus, dessen “AA+”-Note S&P mit einem negativen Ausblick bestätigte. Mit Moody’s hatte eine andere große Agentur am Freitagabend gewarnt, dass eine Dexia-Rettung Belgiens Rating gefährden könnte. Die Bewertung Frankreichs bekräftigte Moody’s am Montag mit stabilem Ausblick. Die Dexia-Rettung habe vorerst keine Folgen.

EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia begrüßte die Dexia-Einigung. Sie habe eine stabilisierende Wirkung auf das Finanzsystem. Alle staatlichen Hilfsschritte müssten aber der EU-Kommission angezeigt und von ihr überprüft werden, mahnte Almunia.

Dexia-Chef Pierre Mariani verteidigte seine Arbeit und hielt an seinem Posten fest: Es sei nicht seine Art, in der Krise das Feld zu räumen, sagte er vor Journalisten. Zuletzt hätten Gerüchte zu Finanzierungsengpässen geführt. Das Problem der Bank sei nicht die Kapitaldecke, sondern mangelnde Liquidität. Die Herabstufung durch Moody’s habe sich als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung erwiesen. Mit der Aussetzung des Handels mit Dexia-Aktien am Donnerstag habe sich der Liquiditätsengpass verschärft. Mariani erhob auch indirekt Vorwürfe gegen die Politik. “Vielleicht waren wir naiv, weil wir uns zu rasch Forderungen nach einem Erhalt der Griechenland-Investitionen gebeugt haben”, sagte der Bankchef.

Mit der Rettung des Frankreich-Geschäfts durch den Staat dürfte auch die Deutschland-Tochter Dexia Kommunalbank in Berlin aus dem Schneider sein. “Wir gehen davon aus, dass die Rettungsbemühungen um den Dexia-Konzern die deutsche Tochter stabilisieren werden”, sagte ein Sprecher der Finanzaufsicht BaFin am Sonntag Reuters. Dexia-Chef Mariana sagte, ein Verkauf der Dexia Kommunalbank sei nicht geplant.

Belgiens Finanzminister Didier Reynders sprach von einem “angemessenen Preis”. Im Gegenzug für die Garantieleistungen werde Dexia an die drei Staaten insgesamt 450 Mio. Euro zahlen, davon 270 Mio. an Belgien. Abzüglich dieser Summe zahle Brüssel für die Dexia Banque Belgique noch 3,73 Mrd. Euro. “Die Regierung hat nicht vor, auf unbestimmte Zeit in der Bank zu bleiben, aber auch nicht, sie sofort wieder zu verlassen”, sagte Reynders.

Die drei an der Zerschlagung beteiligten Regierungen in Paris, Brüssel und Luxemburg sicherten zu, das Wohl der 35.200 Beschäftigten der Gruppe im Auge zu behalten. Man werde sehr darauf achten, dass deren Rechte und Interessen gewahrt blieben, ließ der französische Premierminister Francois Fillon mitteilen. Belgische Gewerkschaft wie die SETCa zeigten sich aber besorgt. Die Regierungen Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs hatten sich zuvor auf höchster Ebene auf eine gemeinsame Linie zur Rettung des Bankkonzerns verständigt.

Offen ist noch das Schicksal der türkischen Dexia-Tochter Deniz-Bank. Nach Medienberichten interessiert sich die russische Sberbank dafür. Die Aufmerksamkeit der größten russischen Bank sei “mehr als groß”, sagte ein namentlich nicht genannter Sberbank-Mitarbeiter der Moskauer Zeitung “Kommersant” (Samstag).

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