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"Seraphine": Ulrich Tukur entdeckt die Susan Boyle der Naiven Malerei

In der Kindheit gemobbt, als Erwachsene belächelt oder beschimpft, wegen ihres Aussehens gemieden und schließlich für ihr Talent bewundert: Die Lebensgeschichte der französischen Malerin Seraphine Louis klingt durchaus ähnlich wie jene der schottischen Sängerin Susan Boyle, die jüngst über eine Fernsehshow entdeckt und populär wurde.
Als Entdecker von “Seraphine” – so auch der Titel der berührenden Aschenputtel-Story von Martin Provost – tritt Ulrich Tukur in der Gestalt des deutschen Kunstsammlers Wilhelm Uhde in Erscheinung. Als Seraphine glänzt die Französin Yolande Moreau – ab Freitag (15. Jänner) im Kino.

Uhde, der als Entdecker von Picasso und Rousseau gilt, zieht kurz vor dem Ersten Weltkrieg von Paris in das französische Städtchen Senlis, um sich dem Schreiben zu widmen. Als Haushälterin stellt er die widerborstige Seraphine ein. Als Uhde eines Tages bei Nachbarn ein kleines, auf Holz gemaltes Bild findet, macht er sich fasziniert auf die Suche nach dem Urheber. Und muss zu seinem Erstaunen feststellen, dass ausgerechnet die unscheinbare Haushälterin hinter dem unkonventionellen Werk steckt. Uhdes Neugier ist geweckt, seine Begeisterung wächst mit jedem neuen Bild – und so beschließt er, die eigenwillige Künstlerin zu fördern.

Doch mit dem Ersten Weltkrieg brechen auch die Probleme über Seraphine und ihren neuen Mäzen herein: Die Feindschaft gegenüber den in Frankreich lebenden Deutschen, die wirtschaftlichen Probleme, die gesellschaftlichen Spannungen im Dorf, später die Persönlichkeitsveränderung mit einhergehender Maßlosigkeit und religiösem Fanatismus. Der märchenhafte Aufstieg endet bei Seraphine im tiefen Fall, in der Irrenanstalt. Noch heute gilt eine der zentralen Vertreterinnen der sogenannten “Naiven Kunst” (Art Brut) als weitgehend unbekannt. Für den französischen Regisseur Provost ist sie jedoch “eine Visionärin im wahrsten Wortsinn”.

Seraphine habe sich von etwas tragen lassen, das “stärker war als sie selbst, das sie nicht unter Kontrolle hatte”, so Provost, “auch auf die Gefahr hin, sich selbst zu zerstören.” Mit Yolande Moreau hat er die perfekte Darstellerin für die Künstlerin gefunden, für die das Malen genau so lebensnotwendig wie Essen oder Trinken war. Und Ulrich Tukur erfüllt die ambivalente Figur des homosexuellen Kunstkenners gekonnt und vehement mit Leben. In Frankreich avancierte der Film innerhalb kurzer Zeit zum Publikumsliebling und gewann 2009 sieben Cesars, darunter diejenigen für den besten Film, das beste Drehbuch und die beste Kamera. Und Moreau eroberte die Herzen ebenso im Sturm wie parallel Susan Boyle in der Popmusik.

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