AA

Tschetscheniens neuer Präsident Alchanow

Mit dem neuen tschetschenischen Präsidenten Alu Alchanow droht die Lage in Russlands Krisenregion allen Beteuerungen des Kremls zum Trotz noch instabiler zu werden.

Der russische Präsident Wladimir Putin muss auf immer neue Hiobsbotschaften wie die Terroranschläge auf zwei Flugzeuge mit 90 Toten in der vergangenen Woche gefasst sein. Der Nordkaukasus bleibt unruhig.

Noch vor Bekanntgabe des Endresultats stellte der zukünftige Präsident die Weichen für seine Amtszeit. Friedensgespräche mit den Rebellen in den Bergen um den einstigen Präsidenten Aslan Maschadow werde es nicht geben, kündigte der vom Kreml unterstützte Alchanow am Montag in Grosny an.

Als Wahlergebnis für den Polizeigeneral wurden am Montag im Tagesverlauf 74 Prozent angegeben – ein gebührender Abstand zu den 80,8 Prozent, die seinem Vorgänger und Putins Freund Achmat Kadyrow bei der Wahl im Oktober 2003 zugeschrieben worden waren. Angeblich gingen 85 Prozent der Tschetschenen zur Wahl, obwohl Beobachter nirgendwo einen Zustrom von Wählern sahen. In Grosny war bis zum späten Sonntagnachmittag nicht einmal jeder Zweite zur Wahl gegangen.

Der schüchtern und unbeholfen wirkende Alchanow wird absehbar ein schwächerer Präsident sein als der im Mai ermordete Kadyrow. Alchanow gilt als Verfechter einer harten Linie, aber eine Hausmacht in Tschetschenien hat er nicht. Er muss zwei Herren zugleich dienen, dem Kreml und dem weiterhin einflussreichen Clan der Kadyrows.

Abgesehen von der Kontrolle durch die russische Armee setzt Putin auf die politische Losung „Tschetschenien den Tschetschenen“. Die eigentliche Macht in der Teilrepublik hat der Kreml aber nicht Alchanow gegeben, sondern Ramsan Kadyrow. Über den 27-jährigen Sohn des ermordeten Präsidenten äußerten sich die Wähler nur ausweichend. „Ich weiß fast nichts über ihn“, sagte der Chauffeur Ali Mamajew in der Ortschaft Oischara östlich von Grosny. „Er scheint viel für den Sport getan zu haben.“

Ramsan Kadyrow ist aber nicht nur Vorsitzender seines Boxclubs und offiziell Vize-Regierungschef von Tschetschenien. Er kommandiert auch eine geschätzt mehrere tausend Mann starke Präsidentenleibwache. Diese Truppe hat sich mit Entführungen und Überfällen auf Zivilisten fast noch verhasster gemacht als die „Föderalen“, die russischen Einheiten. Die Kadyrow-Truppe ist so mächtig geworden, dass sie im Fall eines Konfliktes mit Moskau von der russischen Armee kaum auszuschalten wäre. „Dann gehen die sofort in die Berge“, heißt es.

Kadyrows Sohn Ramsan zwang im vergangenen Winter viele Rebellen, sich der Präsidentengarde anzuschließen – meist mit der Androhung von Repressalien gegen deren Familien. Diese zynische Politik sorgte in Maßen für eine Beruhigung, doch fortsetzen kann sie nur der jüngere Kadyrow, nicht Präsident Alchanow.

„Niemand weiß, wie lange Alchanow Präsident bleiben wird“, sagte der polnische Abgeordnete Tadeusz Iwinski als Vertreter des Europarates in Grosny. „Aber der nächste Präsident wird dann sicher Ramsan Kadyrow sein.“ In diesem Jahr war der 1976 geborene Kadyrow junior laut Gesetz noch zu jung für eine Kandidatur.

Die gefährliche Lage in Tschetschenien macht die gesamte Region instabil. Die Nachbarrepublik Inguschetien wurde vor zwei Monaten Ziel eines blutigen Rebellenüberfalls, der sich gegen die Macht des von Putin geförderten Präsidenten Murat Sjasikow, eines Ex-Geheimdienstgenerals, richtete. In Dagestan verweigert sich der Landkreis Chasawjurt allen Befehlen aus der Hauptstadt Machatschkala. Und in der Teilrepublik Kabardino-Balkarien lieferten sich Mitte August unbekannte Rebellen mehrstündige Gefechte mit der Polizei.

  • VOL.AT
  • Welt
  • Tschetscheniens neuer Präsident Alchanow