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Pakistan: Kehrtwende in Kaschmir-Politik

Mit einer Kehrtwende in seiner Kaschmir-Politik hat der pakistanische Präsident Pervez Musharraf Bewegung in den fast 60-jährigen Streit mit Indien gebracht. Er sprach sich für einen neuen Status der Grenzregion aus.

Diese könne unabhängig werden, unter die gemeinsame Kontrolle Pakistans und Indiens gestellt oder demilitarisiert werden.

Bisher bestand Islamabad auf einem Referendum in Kaschmir; dies lehnt Neu Delhi jedoch strikt ab. Indien reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß Musharrafs. Islamabad solle „offizielle Kanäle“ für seine Vorschläge nutzen, anstatt eine Diskussion über die Medien zu führen, erklärte das Verteidigungsministerium am Dienstag.

„Wir haben diese Kommentare gehört“, sagte ein Ministeriumssprecher in Neu Delhi in einer ersten offiziellen Reaktion aus Indien. Seine Regierung glaube aber, dass das Thema Kaschmir nicht in den Medien diskutiert werden dürfe. Wenn es Vorschläge gebe, sollten sie im bestehenden Dialog zwischen beiden Ländern eingebracht werden.

Musharraf hatte vor Regierungsbeamten, Diplomaten und Journalisten erklärt, die verschiedenen Optionen müssten nun mit Rechtsexperten erörtert werden. Seine Vorschläge sollten das Land anregen, sich Gedanken über die Zukunft der umstrittenen Region zu machen. Die Nation solle nun darüber debattieren, bevor Islamabad einen offiziellen Vorschlag zur Beilegung des Kaschmir-Konflikts unterbreite. Eine Volksabstimmung zum zukünftigen Status von Kaschmir, wie sie auch die UNO vorgeschlagen hat, lehnte der Präsident mit dem Hinweis ab, dass dies für Indien inakzeptabel sei. Im Gegenzug schloss er wiederum kategorisch aus, die so genannte Kontrolllinie zwischen der pakistanischen und der indischen Zone der Kaschmir-Region zu einer dauerhaften Grenze zu erklären.

Der Prozess zur Beilegung des Kaschmir-Konflikts sollte nach Meinung Musharrafs damit beginnen, dass die religiöse und ethnische Zusammensetzung der überwiegend moslemischen sieben Regionen Kaschmirs definiert werde. Danach könnten alle oder einige dieser Gebiete demilitarisiert werden, bevor schließlich über den Status Kaschmirs entschieden werde. Möglicherweise könnte auch ein Teil der demilitarisierten Gebiete unter UNO-Mandat gestellt werden.

Seine Vorschläge beherrschten am Dienstag die Titelseiten der Zeitungen und die Fernsehnachrichten in Pakistan. Die islamistische Allianz Muttahida Majlis-e-Amal (MMA), eine der wichtigsten Oppositionsparteien im Parlament, wies Musharrafs Ansinnen als „Rückschlag“ zurück. Die Rebellengruppe Jamiat-ul-Mujahedin beharrte auf einem Referendum. Es gebe keine andere Lösung als die Selbstbestimmung, erklärte die Organisation. Ein Aktivist der verbotenen militanten Bewegung Jaish-e-Mohammad erklärte, seine Gruppe könne keine andere Option außer dem „Heiligen Krieg“ akzeptieren.

Die Befreiungsfront von Jammu und Kaschmir (JKLF) erklärte, die Vorschläge Musharrafs öffneten „neue Perspektiven“. Auch die pakistanische Menschenrechtskommission äußerte sich positiv. In den Straßen der Sommerhauptstadt von Indisch-Kaschmir, Srinagar, begrüßten ebenfalls viele Menschen Musharrafs Vorstoß.

Die Grenzregion ist seit 1947 zwischen den Nachbarstaaten Indien und Pakistan aufgeteilt. Beide Länder beanspruchen Kaschmir indes für sich. Sie führten bereits zwei Kriege um das umstrittene Gebiet im Himalaya. Im indischen Teil Kaschmirs kämpfen moslemische Gruppen für die Unabhängigkeit oder den Anschluss an Pakistan. Neu Delhi wirft Islamabad Unterstützung der Moslemrebellen vor. Pakistan, das zwei Drittel Kaschmirs kontrolliert, weist dies zurück.

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