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Weltweiter Kampf gegen die Todesstrafe

Es kommt selten vor, dass sich österreichische Regierungsvertreter und Menschenrechtler einig sind. Der amnesty-Chef ist sehr optimistisch.

Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Todesstrafe am gestrigen Donnerstagabend im Wiener Landesgericht war dies der Fall. Der Generalsekretär von amnesty international Österreich, Heinz Patzelt, lobte bei der Debatte die “sehr gute” Zusammenarbeit mit dem Außenministerium beim Kampf gegen die Todesstrafe. Die Zurückdrängung der Todesstrafe weltweit sei eine “Erfolgsgeschichte”, betonten Patzelt und der Anti-Folter-Berichterstatter der Vereinten Nationen, Manfred Nowak. Außen-Staatssekretär Hans Winkler sagte, vor allem gegenüber den USA sei ein pragmatischer Zugang in Sachen Todesstrafe nötig.

Nowak verwies in der Diskussion anlässlich des 40. Jahrestages der Abschaffung der Todesstrafe in Österreich auf das Paradoxon, dass die Anti-Folter-Konvention die grausame und unmenschliche Behandlung von Häftlingen zwar weltweit ächte, die “rechtsstaatliche Tötung” aber weiterhin zulässig ist. Dies führe zu widersprüchlichen Entscheidungen. So habe das britische Höchstgericht entschieden, es sei jedenfalls eine grausame Behandlung, wenn ein Häftling fünf Jahre in der Todeszelle warten müsse. Demgegenüber habe die UNO argumentiert, dass für den Einzelnen auch 20 Jahre Ungewissheit in der Todeszelle besser seien als der Tod. Der Wiener Jurist schilderte in diesem Zusammenhang einige erschütternde Fälle von Häftlingen, die nach dem Todesurteil völlig isoliert gehalten werden. “Die Gefängnistür war so verrostet, dass sie fünf Minuten probieren mussten, ehe sie sie aufbekamen”, berichtete Nowak von einem Besuch in der Mongolei.

Patzelt strich bei der Diskussion im geschichtsträchtigen Großen Schwurgerichtssaal, in dem zahlreiche Todesurteile verkündet worden waren, die Bedeutung einer kompromisslosen Ablehnung der Todesstrafe hervor. Er verwies darauf, dass viele Staaten zwar keine Straftäter mehr hinrichteten, diese Bestrafungsmethode immer noch “in der Schublade” hätten. Gerade bei aufsehenerregenden Fällen wie dem irakischen Diktator Saddam Hussein oder dem belgischen Kinderschänder Marc Dutroux könne man sich dann dem Druck kaum entziehen, “die Höchststrafe anzuwenden”, warnte der Menschenrechtler. Es gehe darum, diese “Mitläufer-Staaten” zu einer formellen Abschaffung der Todesstrafe zu bringen, um die Staaten, wo sie tatsächlich noch angewandt werde, zu isolieren.

Wenn die USA “in einem absurden Club” mit Staaten wie dem Iran, dem Sudan, Saudi-Arabien oder China übrig blieben, werde wohl auch innerhalb der Vereinigten Staaten eine Debatte über die Abschaffung der Todesstrafe beginnen, glaubt Patzelt. Angesichts der schon jetzt sinkenden Zustimmung zur Todesstrafe werde es wohl nur noch zehn oder 15 Jahre dauern, “bis sich kein US-Politiker leisten wird können, dafür zu sein”, äußerte sich Patzelt optimistisch. Menschenrechtsverletzungen wie Folter werde es wohl immer geben, bei der Todesstrafe sei aber eine restlose Abschaffung möglich. Noch vor wenigen Jahrzehnten habe es die Todesstrafe in drei Viertel aller Staaten gegeben, heute nur noch in einem Drittel.

Gegenüber den USA sei eine pragmatische Haltung erfolgsversprechender als eine kompromisslose Ablehnung der Todesstrafe, sagte Winkler. Obwohl die EU absolut gegen die “menschenverachtende Sanktion” Todesstrafe sei, habe sie sich entschieden, nur in bestimmten Fällen – etwa bei Minderjährigen, Schwangeren oder Nicht-Zurechnungsfähigen – diplomatischen Protest bei den USA einzulegen. Wegen des “sehr formalistischen” Rechtssystems der USA sei dies der Ansatzpunkt für eine Zurückdrängung der Todesstrafe. Winkler zeigte sich in der Debatte auch kritisch gegenüber der katholischen Kirche, die sich immer noch nicht zu einer gänzlichen Ächtung der Todesstrafe durchgerungen hätte.

Nowak ließ mit der Einschätzung aufhorchen, dass China einer Abschaffung der Todesstrafe aufgeschlossener gegenüberstehe als die Vereinigten Staaten. Die chinesische Führung sei sich durchaus bewusst, dass die zahlreichen, oft mit Fehlurteilen verbundenen Hinrichtungen ihrem internationalen Ansehen schadeten. In den USA stehe man weiterhin zur Todesstrafe, weil das dortige Strafrecht vor allem vom Prinzip der Rache geprägt sei. Dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Straftäter habe, stellte Nowak in Abrede. Eher sei das Gegenteil der Fall. Wenn der Staat das Tabu des Tötens breche, habe dies eine “brutalisierende Wirkung” auf die Individuen, die sich dieses Recht dann auch selbst anmaßen würden

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