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Lebensmittelkrise: 33 Staaten vor Chaos

Angesichts der weltweit gestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel hat nach dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auch die Weltbank vor gewaltsamen Unruhen in zahlreichen Ländern gewarnt. Grob geschätzt drohten rund 100 Millionen Menschen ins "Elend" abzurutschen.

Dies sagte Weltbank-Direktor Robert Zoellick am Ende der Frühjahrstagung der Institution am Sonntag in Washington. Dem von Hunger-Unruhen erschütterten Haiti sagte die Weltbank eine Soforthilfe von zehn Millionen Dollar (6,32 Mio. Euro) zu. Der Entwicklungsausschuss der Weltbank forderte eine Strukturreform zugunsten der Entwicklungs- und Schwellenländer.

33 Länder könnten wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise von sozialem Chaos und politischen Unruhen heimgesucht werden, erklärte die Weltbank. Die Entwicklung könne etwa 100 Millionen Menschen ins Elend abrutschen lassen und bedrohe zugleich das Wohlergehen “zukünftiger Generationen”, betonte Zoellick. Er warb bei den reichen Staaten dafür, bis 1. Mai 500 Millionen Dollar für Hilfsprogramme des Welternährungsprogramms (WFP) bereitzustellen. Für rund die Hälfte dieser Summe lägen bereits Zusagen vor, jedoch sei dies “nicht genug”.

Schon zum Auftakt der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank hatten sich beide Weltfinanzorganisationen besorgt über die weltweit steigenden Nahrungsmittelpreise geäußert. Dabei wächst die Kritik an der verstärkten Produktion von Biosprit, die zulasten des Getreideanbaus geht. “Während sich manche Sorgen machen, wie sie ihren Benzintank füllen, kämpfen viele andere darum, wie sie ihren Magen füllen können”, sagte Zoellick vor Beginn der Konferenz am Sonntag. “Und das wird von Tag zu Tag schwieriger.”

Auch IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hatte am Samstag vor gefährlichen Konsequenzen steigender Lebensmittelpreise gewarnt. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigten, dass “diese Fragen manchmal im Krieg enden”. Gewalttätige Proteste gegen die Verteuerung von Grundnahrungsmitteln gab es zuletzt auch in Ägypten, Kamerun, Cote d’Ivoire, Mauretanien, Äthiopien, Madagaskar, den Philippinen und Indonesien. Die Hilfsorganisation Oxfam warnte: “Es ist gut, die Lebensmittelkrise oben auf der politischen Agenda zu sehen, aber das ersetzt nicht die Hilfszahlungen.”

Der Entwicklungsausschuss der Weltbank forderte zur besseren Einbindung der Entwicklungs- und Schwellenländer eine Strukturreform nach dem Vorbild des IWF. Es sei wichtig, “die Stimmen und die Beteiligung aller Entwicklungs- und Schwellenländer zu erhöhen”, hieß es in einer Erklärung des Gremiums. Bereits bei der Herbsttagung solle die Weltbank-Führung konkrete Reformvorschläge vorlegen.

Der Interimsausschuss des Internationalen Währungsfonds wies in einer Abschlusserklärung seiner Beratungen darauf hin, “dass eine Vielzahl von Entwicklungsländern, besonders die mit niedrigem Einkommen, mit einem scharfen Anstieg der Nahrungsmittel- und Energiepreise konfrontiert sind”. Das Gremium rief den IWF zu einer engen Zusammenarbeit mit der Weltbank und anderen Organisationen auf, die Entwicklungsländer mit Krediten unterstützen.

In zahlreichen, vor allem armen Ländern ist es wegen der teuren Nahrung bereits zu Gewalt, Demonstrationen und Plünderungen gekommen. Nach Angaben der Weltbank stiegen die Preise für Lebensmittel weltweit in den vergangenen drei Jahren um 83 Prozent. Als wichtigste Gründe gelten die verstärkte Produktion von Biokraftstoffen, veränderte Ernährungsgewohnheiten in aufstrebenden Ländern wie China und ausgedehnte Dürren etwa in Australien.

Bei den Frühjahrstagungen von IWF und Weltbank und dem vorangegangenen Treffen der G-7-Staaten standen neben den gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreisen die Finanzmarktkrise und die weltweite Konjunktureintrübung im Mittelpunkt. Der IWF sprach von der schwersten Wirtschaftskrise seit der Depression in den 30er Jahren.

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