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"Reifeprüfung" am Wiener Volkstheater: Keine Auszeichnung...

©APA
Der 60er-Jahre-Film schlug zu seiner Zeit ein wie eine Bombe. Bis heute umweht ihn der Hauch des Ruchlosen und der erotischen Spannung. Felix Prader inszenierte die Bühnenfassung für Wien.

Dustin Hoffman und Anne Bancroft – gegen diese Rollenvorgänger anspielen zu müssen ist keine Kleinigkeit. Dennoch liegt es ganz und gar nicht an den Schauspielern, dass “Die Reifeprüfung” im Volkstheater gestern, Freitag, Abend zwar bestanden wurde, es für eine Auszeichnung jedoch nicht ganz gereicht hat. Den Staub, den der 1963 erschienene Roman, dessen Verfilmung durch Mike Nichols vier Jahre später zum Welterfolg wurde, angesetzt hat, konnte Regisseur Felix Prader bloß ein wenig aufwirbeln, aber nicht wirklich wegwischen. Doch auch ohne Glanz bleiben zwei Stunden empfehlenswerte Unterhaltung, die zu Recht herzlichen Applaus erhielten.

Mit dem aus Berlin kommenden Volkstheater-Neuling Claudius von Stolzmann als vom Leben und der Liebe verwirrter Jungspund Benjamin und Ensemble-Stütze Susa Meyer als trinkende und liebesbedürftige Mrs. Robinson ist die Besetzung des zentralen Paares wunderbar gelungen. Linkisch, nervös, hilflos, mit Kribbeln im Bauch und Krabbeln im Kopf taumelt dieser Benjamin aus der Schule ins Leben, will endlich “richtige Leute” kennenlernen und landet doch bloß in den Armen einer Freundin der Familie, die sich in der ehelichen Flaute nach Frischfleisch sehnt.

Susa Meyer, von Kostümbildnerin Ingrid Erb hübsch als bourgeoise 60er-Jahr-Lady ausstaffiert, bewältigt ihre Rolle mit Souveränität und ohne Scheu vor Nacktheit. Die ärgste Blöße gibt sich die Dame jedoch, als der junge Liebhaber als Vorspiel plötzlich ein wenig Konversation machen möchte: “Darf ich mich wenigstens ausziehen, während wir reden?”, fragt sie genervt.

Auch Katharina Straßer macht als Elaine, die naive, unverdorbene Tochter der Robinsons, in die sich Ben verliebt, ihre Sache gut. Dass die allseitigen Aufregungen um diese Dreiecksbeziehung wesentlich weniger überzeugend wirken als die Verführungsszenen und dass die im letzten Augenblick verhinderte Hochzeit Elaines mit einem anderen zum Klamauk wird, dafür ist mehr die Regie als das Ensemble verantwortlich. In der klaren Bühnenlösung von Werner Hutterli, die auf verschiebbare Gaze-Rückwände und sparsame Möblierung setzt, sind Beatrice Frey und Johannes Seilern solide Eltern, stattet Erwin Ebenbauer seinen Mr. Robinson mit einem Hauch echter Tragik aus.

Unnötiges Beiwerk

Ansonsten versucht die Österreichische Erstaufführung der im Jahr 2000 uraufgeführten Bühnenfassung von Terry Johnson mit unentschlossenem Anspielen diverser Hits der 60er Jahre (natürlich ist auch “Hey, Mrs Robinson” von Simon & Garfunkel zu hören) und einem unnötigen Hippie-Auftritt von Günther Wiederschwinger Zeitkolorit einzubauen. Ganz geht die Rechnung jedoch nicht auf. Denn die Zeit eilt im Sauseschritt. Und nicht wenige Maturanten von gestern sind bereits die Pensionisten von heute.

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