”Die schiere Menge hilfsbedürftiger Kinder und Jugendlicher überfordert mittlerweile unsere Hilfsstrukturen”, warnte der Vorsitzende des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Maik Herberhold, am Freitag.
Der Experte wies darauf hin, dass der 17-jährige Amokläufer Tim K. in den Monaten vor der Tat mehrfach ambulant in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt worden war, ohne dass sich dabei Hinweise auf eine akute Gefahr ergeben hätten. “Dies kann an der Komplexität der Probleme, der Uneinsichtigkeit der Patienten oder auch ihrer Angehörigen liegen oder auch daran, dass wir Ärzte in unserer täglichen Arbeit an fachliche und persönliche Grenzen stoßen”, sagte Herberhold.
Um eine Wiederholung eines solchen Verbrechens zumindest unwahrscheinlicher zu machen, müssten sich Eltern und Lehrer darauf verlassen können, dass psychisch kranke Burschen und Mädchen ohne zu lange Wartezeit behandelt werden könnten. Herberhold bezeichnete es in diesem Zusammenhang als einen Skandal, dass sich gerade in Baden-Württemberg die Krankenkassen weigerten, sozialpsychiatrische Behandlung angemessen zu bezahlen.
Wichtig sei vor allem eine enge Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendpsychiatern, Schulen und Jugendhilfe. Gerade die fachärztliche Unterstützung von Lehrern würde es ermöglichen, psychische Störungen frühzeitig zu erkennen und Hilfsangebote an Betroffene und ihre Familien zu vermitteln, betonte der Verbandsvorsitzende.
Herberhold kritisierte zugleich die Berichterstattung in den Medien: Hier stehe gegenwärtig “der Eventcharakter eines solchen entsetzlichen Ereignisses viel zu sehr im Vordergrund”. Der Psychiater sprach von einer narzisstischen Überhöhung des Täters und einer unverantwortlichen Verherrlichung dieser Taten als Folge einer “aufgeregten Berichterstattung”.
“Statt dem ersten Foto des Täters oder der Opfer oder der ersten Aussage eines noch unter Schock stehenden Augenzeugen hinterher zu jagen, sollten Trauer und Bestürzung auch in den Medien stärker zum Ausdruck kommen”, forderte Herberhold. Um für solche Extremfälle menschlichen Handelns keine zusätzlichen Anreize zu liefern, sollten die Medien angemessen und verantwortlich darüber berichten. Der Bochumer Kinderpsychiater schlug etwa vor, als Zeichen der Betroffenheit Fernseh- und Rundfunkprogramme zu unterbrechen und Trauermusik zu spielen.
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