Ein Feldkircher im deutschsprachigen Brasilien

Feldkirch. “Im Jahre 1973 war jemand, der nach Brasilien gegangen ist, automatisch ein Verbrecher, also auf der Flucht!” Jörg Chromy erinnert sich an die Jahre in Österreich und steht Rede und Antwort zu Fragen über sein neues Leben in Brasilien.
Kurz zu seiner Vita: 1969 zog er weg von Vorarlberg um ein Studium der Nachchrichten-Informatik an der FH in KONSTANZ zu beginnen. 1972 wurde er entsendet nach Brasilien für Prozess- Hybrid-Recheneranlagen. Zwei Jahre später arbeitete er bereits als Projektleiter für Automatisierung und machte 1967 den Diplom-Ingenieur. 1979 leitete er eine Entwicklungsabteilung bei EMBRAER, bis er ein Jahr darauf nach Frankfurt zurück kehrte, nachdem er von der damaligen Militär-Regierung verfolgt wurde. Heute befindet er sich wieder in Südbrasilien.
Vol.at: Wie lange sind Sie schon in Brasilien und was veranlasste Sie, in dieses Land in Südamerika zu ziehen?
Jörg Chromy: Ich kam 1972 und blieb bis 1980. Damals wurde ich von AEG-Telefunken in Frankfurt entsendet.
Vol.at: Was waren die eindrücklichsten Erlebnisse, die Sie im Ausland bislang gesammelt haben?
Jörg Chromy: Das war mein beinahes Ende: Auf einem Flug Weihnachten 1975 als ich als Pilot in einen Tropensturm geraten war und keine Verbindung zu einem Tower mehr hatte. Ich konnte mit Glück in einer Pampa-Piste landen. Nur so habe ich überlebt!
Vol.at: Was veranlasste Sie, nach Österreich bzw. Deutschland zurück zu kehren, bevor Sie wieder nach Brasilien kamen?
Jörg Chromy: Damals bedrohte mich das Militär, obgleich ich niemals Opfer von Torturas (Folter) wurde. Aber ich weiß genau, wer die Kerle damals waren, von Kollegen, die 1975 tatsächlich gefoltert wurden oder für immer verschwunden sind. Die Dikatatur in Brasilien dauerte von 1964 bis 1985 und zum Teil immer noch bis heute. Natürlich mache ich meinen Mund auf,denn wenn mir etwas hier nicht gefällt, dann sage ich das auch – auch mitten im Stadt-Omnibus.
Vol.at: Wie steht es um die Gastfreundschaft? Wie sehr sind die Menschen von Stereotypen behafet?
Jörg Chromy: Die Leute hier sind ganz normal. Sie sind freundlich mit Herzlichkeit. Das ist überall in Brasilien so. Es handelt sich um einfache Leute hier, die aber das Herz am richtigen Fleck haben.
Vol.at: Haben Sie auch negative Erfahrungen gemacht? Ist Brasilien ein gefährliches Land?
Jörg Chromy: Wie man es nimmt! Für mich ist es hier nicht gefährlich, denn ich kann mit meinen Sprachkenntnissen alle Probleme selbst lösen. Natürlich habe ich immer eine Waffe dabei – für den Notfall. Denn als ehemaliger Offizier des Bundesheeres, bin ich das Tragen einer Waffe gewohnt. Das würde ich für Touristen nicht empfehlen: Zuerst reden, dann schießen!
Vol.at: Wie sieht Ihr Alltag aus? Können Sie sich vorstellen, ein Leben lang in Brasilien zu bleiben?
Jörg Chromy: Ich fühle mich hier quasi zu hause. Zehn Jahre in Brasilien haben signifikante Eindrücke in meinem Hirn hinterlassen! Mein Sohn Alexander lebt auch seit einigen Jahren hier. Er ist 1977 geboren.
Vol.at: Beherrschen Sie die portugiesische Sprache oder reicht es aus, mit Englisch zu kommunizieren?
Jörg Chromy: Ich bin Quasi Brasilianer und fühle mich auch so. Ich spreche die portugiesische Sprache wie meine Muttersprache – auch gegenüber der Behörden!
Vol.at: Welche Städte und Orte haben Sie besucht und was weisen sie an Besonderheiten auf?
Jörg Chromy: Ich kenne aufgrund meiner früheren beruflichen Tätigkeiten das gesamte Land und deren Einwohner. Meiner Kinder sind ja auch hier geboren. Besonderheiten gibt es auf jeden Fall, aber das ist nur hier wo ich lebe, im Bundesstaat Santa Catarina – hier ist alles deutsch!
Vol.at: Haben Sie Bekanntschaft mit anderen Feldkirchern/Vorarlbergern im Ausland gemacht? Wie oft treten Sie einen Heimaturlaub an? Und verspüren Sie ein gewisses “Heimweh”? Wann tritt dieses Gefühl ein?
Jörg Chromy: Ich habe seit Jahren auch sporadisch Tel.Kontakt zu unserem Bischof Dom. Erwin Kräutler aus Altach. Der lebt aber ca. 4.000 km nördlich von mir, in der Diözese Alto-Xingú. Mein letzter Heimatbesuch fand Weihnachten 2009 statt. Heimweh verspüre ich mit Sicherheit nicht. Mir gefällt es unter Palmen zu leben, auch wenn diese Lebensweise sicherlich nicht Jedermanns Sache ist. Hier ist nicht alles so modern wie in Vorarlberg. Hier ist es eher primitiv, aber ich kann gut damit leben. Mir war es im Dezember 2009 einfach zu kalt in Deutschland, daher kam ich wieder zurück nach Brasilien. Und hier mit bis zu 45-Grad Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit sieht das Leben anders aus: Da geht nix mehr ohne Klimaanlage und Ventilatoren im Haus. Einfach gesagt: Tropikales Klima mit fünf mal duschen pro Tag!
Factbox zur Person:
Name: Jörg G. Chromy
Alter: 64
Geburtsort: Feldkirch
Beruf: Ing. Automatisierungstechnik
Hobbys: Fliegen seit 1964
Lebensmotto: Leben und leben lassen!
Sowie: Liebe zu Brasilien und dessen Einwohner
Kontakt: greggermany@yahoo.de
Informationen zur Stadt in der Herr Chromy wohnt: www.blumenau.com.br
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