AA

Gestorben, begraben und auferweckt gemäß der Schrift

Fresko am Markusplatz in Venedig
Fresko am Markusplatz in Venedig ©bilderbox.at
Christen feiern an den heiligen Tagen von Gründonnerstag bis Ostersonntag den Angelpunkt ihres Glaubens. Es geht um Tod und Auferstehung, um das Erlösungswerk Christi.

So die Gläubigen die Enttäuschung des Lebens auf den Tod hin und allen Zweifel hinter sich lassen können, singen sie überzeugt den Osterhymnus: Gott hat Jesus von Nazareth von den Toten erweckt. Begeistert rufen es die Apostel dem Lukasevangelium zufolge den beiden Jüngern zu, die aus Emmaus zurückkehren: „Der Herr ist wirklich auferstanden.“

„Was soll noch kommen?“

Doch die gläubige Rede von einer neuen, endgültigen Daseinsweise jenseits der irdischen Wirklichkeit ist selten geworden. Ein Kreislauf der Wiedergeburten im Diesseits scheint vielen plausibler. Oder sie erhoffen sich wie der 104-jährige Entertainer Johannes Heesters rein gar nichts: „Nach dem Tod ist alles vorbei. Was soll denn da noch kommen?“ Auch die große Mehrheit junger Christen kommt, wie die Shellstudie 2007 zeigt, ohne das Kernstück ihres Glaubens zurecht. Für viele ist der Galiläer nicht mehr als ein beeindruckender Mensch der Zeitgeschichte. Andere bauen sich Behelfsbrücken wie in den ersten Jahrhunderten des Christentums: Sie reden vom Menschen Jesus, den Gott quasi adoptiert hat, oder davon, dass Gott in Jesus eben nie wirklich Mensch geworden ist. Dass Gott einen Sohn zeugt und ihn dann leiden lässt, scheint ihnen so unvorstellbar wie die Auferstehung. Dabei schreibt der Apostel Paulus den Korinthern unmissverständlich ins Stammbuch: „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos.“ Es hat mehr als 300 Jahre gedauert, bis das Glaubensbekenntnis, das die Katholische Kirche heute betet, in Grundzügen geschrieben war. Darin werden die zentralen Ereignisse der Ostertage in drei Schritte gefasst:

Karfreitag:

Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben

An keiner Stelle des Glaubensbekenntnisses kommt der „ganze Mensch“ Jesus von Nazareth so klar zum Ausdruck wie im Augenblick seiner Hinrichtung. Bis heute hat jeder Mensch, wiewohl er nicht länger von einer vorgegebenen Natur dominiert wird, sondern sich seine Umwelt selber schafft, einen Anfang, und am Ende stirbt er. So ist der Mensch. „Gestorben und begraben.“ Die ausdrückliche Erwähnung des römischen Statthalters soll das Geschehen zudem historisch verankern. Pilatus war von 26 bis 36 n. Chr. Präfekt in Judäa. Die frühen Christen setzen die Passion bewusst ins Licht der gesellschaftspolitischen Öffentlichkeit: Jesus starb nicht irgendwann und irgendwo, sondern er hat eben „gelitten unter Pontius Pilatus“. Das gewaltsame Ende des Nazareners erscheint unter Berücksichtigung seiner fortwährenden Provokationen folgerichtig. Zwar fehlt in den Evangelien jeder Hinweis, dass Jesus den eigenen Tod zielstrebig suchte. Aber der Mainzer Theologe Theodor Schneider schreibt doch: „Es wäre töricht anzunehmen, Jesus habe angesichts der Ermordung des Täufers Johannes ( . . . ) die offene Möglichkeit eines katas­trophalen Ausgangs für ihn völlig verdrängt.“ Er weiß, was er riskiert. Sein Tod wird für gläubige Juden zum Skandal: Ausgerechnet der vermeintliche Messias endet als Verfluchter am Kreuz. Aus dem Alten Testament wissen sie: „Jeder, der am Kreuz hängt, ist von Gott verflucht.“ (Deuteronomium 21, 23). Schlimmer hätte es nicht kommen können.

Karsamstag:

hinab gestiegen in das Reich des Todes

Dieser Zusatz wird dem Glaubensbekenntnis erst später zugefügt und erscheint zunächst wie eine Bestärkung des vorher Gesagten: „Begraben und eben hinab gestiegen.“ Aber wohin? Das Bild erinnert an die „Höllenfahrt“, die der römische Dichter Vergil im sechsten Gesang der Äneis beschreibt oder Homers Odysseus in der Unterwelt. In ihrem Ursprung aber hatte die Erzählung vom Aufenthalt Christi im Totenreich keine heidnischen Wurzeln. Wenn Judenchristen sagten, Jesus sei gestorben, hieß das für sie ganz selbstverständlich, dass er in die „Scheol“, ins Schattenreich gegangen sei. Mit dem Wort „Scheol“ benennt der Hebräer den Zustand jenseits des Todes, ein undeutliches Schattendasein in Passivität, fern vom Leben und fern von Gott. Nach christlichem Verständnis erleidet Christus die totale Vereinsamung des Menschen im Angesicht des Todes. Gott wird im Tod solidarisch mit der Kreatur. Der Gang ins Totenreich aber wird zum Durchgang in die Auferstehung.

Ostersonntag:

am dritten Tage auferstanden von den Toten

Haben sich die Apostel so sehr danach gesehnt, dass nicht alles zu Ende ist und deshalb die Auferstehung Jesu einfach erfunden? In trotziger Zuversicht? Wider alle Vernunft? Ist „Auferstehung“ letztlich nur eine mythologische Chiffre dafür, dass die eigentlichen Anliegen des Nazareners weitergetragen werden? Dann wären die Apostel freilich Übermenschen, die ihr totales Scheitern innert weniger Tage ins Positive verkehren und literarisch umsetzen konnten. Und das unter ständiger Lebensgefahr. Nein, sagen christliche Theologen, für die Apostel erbringt Jesus tatsächlich in der Auferstehung den Beweis dafür, dass es eine Vollendung des Menschen durch die Macht Gottes gibt. Zwecklos, sich die Eigenart dieser Auferstehung auszumalen, „weil wir das nicht können“. Der Jesuit Karl Rahner sagt schlicht: „Wir würden unsere eigene Auferstehungshoffnung verleugnen, wenn wir von diesem Jesus nicht sagen würden: Er lebt, er ist also auferstanden.“ Die meisten Menschen leben eine letzte Überzeugung. Christen hoffen, auch wenn die Menschheitsgeschichte immer noch und immer aufs Neue ein hoffnungsloses Gemenge aus Dummheit, Bosheit und Tod ist, gegen das kein Kraut gewachsen scheint. Sie hoffen, auch wenn nur die Verkündigung der Auferstehung sich historisch verbürgen lässt. Das Johannesevangelium stellt dar, wie der Auferstandene für alle zum Urheber eines neuen Lebens wird. Das Mat­thäusevangelium aber sagt den zurückbleibend Hoffenden seine Nähe zu. Es schließt mit den Worten: „Ich bin bei Euch, alle Tage, bis zur Vollendung der Welt.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • VOL.AT
  • Ostern
  • Gestorben, begraben und auferweckt gemäß der Schrift