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Niederländer wählen neues Parlament

Die Niederländer haben am Mittwoch ein neues Parlament gewählt. Die Wahllokale haben bis 21.00 Uhr geöffnet. Mit ersten Ergebnissen wird bis Mitternacht gerechnet.
Niederländer wählen neues Parlament

Die vorgezogene Parlamentswahl, die nach dem Bruch der Regierungskoalition Anfang des Jahres notwendig wurde, könnte zu einem Regierungswechsel führen. In Umfragen lag die rechtsliberale Partei für Demokratie und Freiheit (VVD) vorn, die zuletzt vor fast 100 Jahren eine Regierung führte. Die Freiheitspartei des Rechtspopulisten Geert Wilders lag in Umfragen vorübergehend an der Spitze der Wählergunst. Wegen der Finanzkrise spielten aber Wirtschaftsthemen bei den Wählern zuletzt wieder eine wichtigere Rolle als Einwanderungsfragen.

Die Neuwahl wurde notwendig, weil die Mitte-Rechts-Regierung des Christdemokraten Jan Peter Balkenende im Februar am Streit über eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes zerbrach. Umfragen zufolge liegen Balkenendes konservative Christdemokraten (CDA) in der Wählergunst hinten.

Als möglicher neuer Regierungschef gilt der 43-jährige Ex-Manager Mark Rutte von der VVD. Wenn die VVD gewinnt und in die Regierungsverantwortung kommen sollte, dann wäre es das erste Mal seit 1913, als ihre Vorgängerpartei dies schaffte. Als Juniorpartner war sie allerdings schon an mehreren Regierungen unter Führung der Arbeiterpartei und der Christdemokraten beteiligt.

Doch Rutte dürfte es schwer haben, eine funktionierende Koalition zu schmieden. Zu Sozial- und Christdemokraten gibt es tiefgreifende Differenzen, und ein Bündnis mit Wilders schließen so gut wie alle Parteien aus.

Chancen werden auch der sozialdemokratischen Arbeiterpartei (PvdA) unter Führung des langjährigen Amsterdamer Bürgermeister Job Cohen, 62, als Spitzenkandidaten eingeräumt. Sie lag in Umfragen an zweiter Stelle und konnte zuletzt Zugewinne verbuchen.

Die VVD trat im Wahlkampf für einen Abbau des Haushaltsdefizits ohne Steuererhöhungen ein, will das Pensionseinstiegsalter heraufsetzen und die Einwanderungspolitik verschärfen. So soll kein Immigrant in den ersten zehn Jahren nach seiner Ankunft staatliche Finanzhilfen bekommen. Der 43-jährige Rutte wird als “Wilder s light” bezeichnet – seine Haltung zur Zuwanderung sei ebenso hart wie die Wilders’, nur nicht so bösartig, heißt es.

Die PvdA dagegen will an den Sozialausgaben nicht rütteln, die Steuern erhöhen und Einwanderer besser integrieren. Ihr Spitzenkandidat Cohen, der jüdische Wurzeln hat, trat 2004 als Bürgermeister von Amsterdam nach der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh durch einen islamischen Extremisten gemeinsam mit dem damaligen Stadtrat Ahmed Aboutaleb der verbreiteten anti-islamischen Stimmung im Land entgegen.

Mit besonderer Aufmerksamkeit wird das Abschneiden der Freiheitspartei verfolgt, die bei der Kommunalwahl im März überraschend stark abschnitt und bei einer landesweiten Probeabstimmung unter Schulkindern in dieser Woche ganz vorne lag. Sie will die Einwanderung aus muslimischen Ländern unterbinden, den Bau neuer Moscheen verbieten und eine “Kopftuchsteuer” einführen. Ihrem 46 Jahre alten Parteichef Wilders drohen strafrechtliche Ermittlungen wegen Anstiftung zum Rassenhass. Er hat unter anderem den Koran als faschistisches Buch bezeichnet und dessen Verbot gefordert. Da Wilders immer wieder mit dem Tod bedroht worden ist, lebt er ständig unter Polizeischutz.

Insgesamt könnten bis zu zehn Parteien in das 150 Sitze zählende Parlament einziehen.

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