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"Ariadne" im Theater an der Wien: Fast perfekter Opernabend

Anne Schwanewilms als Ariadne
Anne Schwanewilms als Ariadne ©APA
Ein hervorragendes Sängerensemble, ein beherzter Dirigent und eine unterhaltsame Regie ließen bei der Neuproduktion von Richard Strauss' "Ariadne auf Naxos" im Theater an der Wien fast keine Wünsche offen.

Eine intelligente, unterhaltsame Regie von Altmeister Harry Kupfer, ein beherztes Dirigat von Bertrand de Billy, der mit dem RSO Wien, dem er bis vor kurzem als Chefdirigent vorstand, in Klangschönheit schwelgte, und ein nahezu ideales Sängerensemble. Kein Wunder, dass der Jubel nach der Premiere groß war.

Dass es sich um eine zeitgenössische Interpretation der Oper handelt, ist sofort nach Hochziehen des Vorhangs klar: Wir befinden uns nicht in einem plüschigen und stuckigen Palais, sondern offenbar in einem Flugzeughangar, der mit Lustern, Tischchen und Sesseln für das bevorstehende Fest adaptiert wurde. Nase und Cockpit eines Weltraum-Shuttles ragen auf die von Hans Schavernoch gestaltete Bühne, auf der der Haushofmeister (Michael Maertens gibt mit nasaler Stimme routiniert kleine Kostproben seiner Schauspielkunst) gelangweilt die neuesten Wünsche seines Herrn überbringt: Lust- und Trauerspiel sollen zeitsparend miteinander verwoben werden, denn für neun Uhr ist bereits das finale Feuerwerk bestellt. Zeit ist Geld, und wer zahlt, schafft an.

Schon bald tobt der Kampf zwischen E und U, der auch einer zwischen A (wie Ariadne) und Z (wie Zerbinetta) ist und an diesem Schauplatz auch an die Buchstaben V, B und W denken lässt – schließlich sind in den VBW, den Vereinigten Bühnen Wien, Oper und Musical unter einer Dachmarke vereint. Wie soll das aber gehen – eine auf einer einsamen, wüsten Insel von Todessehnsucht gezeichnete Ariadne, und gleichzeitig die vom Tanzmeister dirigierte muntere Gauklertruppe, die allen Trübsinn vertreiben soll? Und das alles innerhalb weniger Minuten zu einem schlüssigen Ganzen arrangiert? Hektik bricht aus, und schon schaut die grotesk kostümierte Festgesellschaft (Kostüme: Yan Tax) neugierig durch die Scheiben.

Routinier Kupfer konzentriert sich auf rasche Abläufe und starke Kontraste. Er findet immer wieder hübsche Details, setzt bei den Festgästen vor allem auf karikierende Komik – von dem an einen Zoo-Besuch erinnernden gönnerhaften Blick in den Orchestergraben bis zu mit ihren Smartphones spielenden Gästen und aufblitzenden Börse-Bildschirmen, die die Aufmerksamkeit auf sich lenken – und lässt erst im letzten Viertel der etwas über zwei pausenlosen Stunden Längen aufkommen. Wie sehr die Ereignisse die Ariadne-Sängerin und Zerbinetta verändern, sodass klar wird, dass kein Schmerz ohne Hoffnung und keine Lustigkeit ohne ernsten Kern ist, drückt sich vorwiegend in den zahllosen Wendungen der Musik aus, die das Radio-Symphonieorchester meistert, ohne ins Schleudern zu geraten.

Die zunehmende Statik des Abends liegt auch an Johan Botha, dem statuarischsten aller zeitgenössischen Opernstars, der als Bacchus mühelos Bühnen- und Klangraum dominiert, ohne, dass dem Regisseur dazu Wesentliches eingefallen wäre. Natürlich ist Botha stimmlich ein Ereignis, wenngleich man den Eindruck nicht los wird, er verwechsle dabei Strauss mit Wagner. Das glatte Gegenteil – nicht nur gewichtsmäßig – sind Heidi Brunner als Komponist und Mari Eriksmoen als Zerbinetta: Voll Beweglichkeit und darstellerischer Präsenz ist es ein wahres Vergnügen, ihnen zuzuschauen. Die Schweizerin bietet einen bunten Strauß an Klangfarben, den sie souverän aufzufächern versteht, die junge Norwegerin bekommt für ihre Koloratur-Arie viel Beifall, wenngleich dabei auch klar wird, dass ihr Sopran in den Höhen zwar sicher, doch ein wenig dünn ist. Anne Schwanewilms als berührende Ariadne rundet den starken Gesamteindruck ab.

“Ariadne auf Naxos” von Richard Strauss
Theater an der Wien
Weitere Aufführungen: 11., 14., 17., 20. und 22.10., 19.30 Uhr
http://www.theater-wien.at

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