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Briefwahl neu: Kein taktisches Wählen mehr

In Hinkunft wird es bei bundesweiten Wahlen nicht mehr möglich sein, seine Stimme nach Wahlschluss und damit nach Vorliegen der ersten Hochrechnungen abzugeben.

Der Verfassungsausschuss des Nationalrats stimmte mit breiter Mehrheit dem von den Koalitionsparteien gemeinsam mit dem BZÖ initiierten Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 zu. Der Gesetzentwurf schließt nicht nur taktisches Wählen künftig aus, er sieht auch eine Aufhebung jenes Gesetzespassus vor, der Mitgliedern des Hauses Habsburg die Kandidatur bei Bundespräsidentenwahlen untersagt. Weiters werden die gesetzlichen Bestimmungen über das Wahlrecht für Strafgefangene in Folge einer Entscheidung des Europäischen Menschengerichtshofs neu gefasst.

Durch einen von den Antragstellern vorgelegten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrag wurden in etlichen Detailbereichen noch Adaptierungen vorgenommen. An den zentralen Punkten des Gesetzentwurfs änderte sich dadurch jedoch nichts.

Der Beschluss im Ausschuss fiel mit S-V-B-Mehrheit. Für das Plenum stellten auch die Grünen eine Zustimmung zum Gesetzentwurf in Aussicht, allerdings wollen sie zuvor in zwei Punkten noch Abänderungsvorschläge einbringen. Dezidiert abgelehnt wurde die Initiative hingegen von der FPÖ, sie lehnt die Briefwahl generell ab.

Wahlkarten müssen künftig bis 17 Uhr des Wahltags eingelangt sein

Konkret müssen dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 zufolge Wahlkarten in Zukunft spätestens um 17 Uhr des Wahltags bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde eingelangt sein. Ansonsten werden sie nicht bei der Stimmauszählung berücksichtigt. Damit will man eine – grundsätzlich derzeit schon untersagte – Stimmabgabe nach Wahlschluss verhindern. Ausgezählt werden sollen die Wahlkarten bereits am Montag nach der Wahl.

Um ein rechtzeitiges Ausstellen der Wahlkarten zu ermöglichen, ist geplant, die Fristen für die Einbringung von Wahlvorschlägen um eine Woche vorzuverlegen. Sowohl am Wahltag als auch am Tag vor der Wahl soll eine Abgabemöglichkeit der Wahlkarten vor Ort zwischen 8 und 17 Uhr sichergestellt sein.

Die Beantragung einer Wahlkarte muss künftig schriftlich oder mündlich erfolgen, wobei die Identität, etwa durch die Angabe der Passnummer, glaubhaft zu machen ist. Eine telefonische Beantragung ist ausgeschlossen. Außerdem wird die Wahlkarte in Hinkunft grundsätzlich eingeschrieben zugesandt, es sei denn, der Wähler bzw. die Wählerin hat sich bereits bei der Antragstellung durch eine qualifizierte elektronische Signatur oder durch persönliche Vorsprache eindeutig legitimiert. Auch bei Vorliegen eines so genannten Wahlkarten-“Abonnements”, das AuslandsösterreicherInnen und behinderten Personen offen steht, kann in der Regel auf ein Einschreiben verzichtet werden.

Um die Missbrauchsgefahr bei der Briefwahl weiter einzudämmen, wird darüber hinaus normiert, dass Personen in Pflegeheimen eine Wahlkarte nur persönlich zugestellt werden kann. Eine Ersatzzustellung ist in diesen Fällen ausdrücklich untersagt. Außerdem dürfen BotInnen, die Wahlkarten persönlich überbringen, diese nicht gleich wieder mitnehmen. Dieser “Übereilungsschutz” soll verhindern, dass unter Umständen auf die Wahlberechtigten Druck ausgeübt wird, in Gegenwart des Boten bzw. der Botin in einer bestimmten Weise zu stimmen.

WählerInnen, die eine bei der Post hinterlegte Wahlkarte nicht rechtzeitig vor dem Wahltag beheben können, erhalten eine “zweite Chance” zur Ausübung ihres Stimmrechts: die Wahlkarten müssen von der Gemeinde abgeholt und am Wahltag für eine Ausfolgung an den Antragsteller bzw. die Antragstellerin bereitgehalten werden. Wo genau diese Wahlkarten jeweils hinterlegt sind, darüber soll das Innenministerium, etwa in Form einer Telefon-Hotline, informieren. Die Ausstellung einer Wahlkarte ist im Wählerverzeichnis deutlich zu vermerken.

Die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland sind in Hinkunft verpflichtet, Wahlkarten bis zum 6. Tag (EWR-Raum und Schweiz) bzw. bis zum 9. Tag vor dem Wahltag (andere Länder) zur Weiterleitung entgegenzunehmen. Auch danach ist eine Annahme möglich, wenn eine rechtzeitige Übermittlung an die zuständige Bezirkswahlbehörde zu erwarten ist oder die betroffenen WählerInnen gewarnt wurden, dass sich eine rechtzeitig Übermittlung möglicher Weise nicht mehr ausgeht.

Wahlausschluss für verurteilte Straftäter wird neu geregelt

Geändert werden mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 auch die Wahlausschließungsgründe. Anlass dafür ist ein Erkenntnis des Europäischen Menschengerichtshofs in der Sache “Frodl gegen Österreich”. Demnach wird künftig nicht jeder, der zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, automatisch vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen sein. Eine solche Sanktion droht nur noch bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu mehr als fünf Jahren Haft bzw. bei einer zumindest einjährigen Haftstrafe wegen bestimmter Delikte. Zu diesem speziellen Strafkatalog gehören etwa Landesverrat, Wahlbetrug, bestimmte Fälle von Amtsmissbrauch, Verstöße gegen das Verbotsgesetz und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation oder einer Terrorgruppe. In jedem einzelnen Fall bedarf es aber einer Entscheidung durch das Gericht, dieses kann in Anbetracht der Umstände auch von einem Wahlausschluss Abstand nehmen.

Um zu vermeiden, dass in kleinen Gemeinden mit Justizanstalten eine überproportional große Anzahl der WählerInnen Häftlinge sind, werden die Hauptwohnsitz-Bestimmungen in Zusammenhang mit Wahlen adaptiert. Für Häftlinge, die keinen Wohnsitz außerhalb der Haftanstalt haben, gilt gemäß Gesetzentwurf der letzte Wohnsitz vor Festnahme als Hauptwohnsitz.

Der Wahlausschließungsgrund “Mitglied regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben” bei Bundespräsidentenwahlen wird zur Gänze gestrichen.

(Quelle: APA)

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