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88 Stoßzähne: "Boxweltmeister" soll halbe Tonne Elfenbein in Wien gehortet haben

Der "Boxer" soll über eine halbe Tonne Elfenbein in Wien gehortet haben.
Der "Boxer" soll über eine halbe Tonne Elfenbein in Wien gehortet haben. ©APA/BMF/BERNHARD HRADIL
Ein 67-jähriger Mann soll in seiner Wohnung in Wien-Josefstadt illegal 88 Elefantenstoßzähne gehortet haben soll. Zudem gab sich der Angeklagte vor Gericht als ehemaliger Profiboxer aus. Die Verhandlung wurde zur Einvernahme weiterer Zeugen auf 21. Juni vertagt.
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Der Mann behauptet, er wäre 1975 in Kairo Box-Weltmeister im Mittelgewicht geworden. Zum Beweis dafür brachte er heute sogar den Gürtel mit, den er damals in einem von der World Athletic Association (WAA) ausgerichteten Kampf errungen haben will. Die Sache hat allerdings einen Haken: Der vergleichsweise unbedeutende und selbst in Box-Kreisen weitgehend unbekannte Verband existiert erst seit 1981. Von Staatsanwalt Bernhard Mascha mit diesem Umstand konfrontiert, berichtete der angebliche Champion, die WAA hätte ihre Wurzeln in Ägypten, sei dort 1972 aus der Taufe gehoben worden und habe sich aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten später “neu gegründet”.

Keine Aufzeichnungen von Weltmeisterschaft

Der Staatsanwalt ließ nicht locker und präsentierte dem Gericht darauf hin eine Website, auf der in einer sogenannten Hall Of Fame sämtliche bisherigen WAA-Weltmeister ausgewiesen werden. Während beispielsweise der im August 2008 vor seinem Wiener Lokal erstochene und als “Stier von Serbien” in die Box-Annalen eingegangene Edip Sekowitsch angeführt wird, der es im Juni 1988 in der Wiener Stadthalle dank eines K.o.-Sieges in der ersten Runde zum WAA-Champion gebracht hat, findet sich der Name des Angeklagten nirgendwo. “Dann ist das Internet falsch”, meinte dazu Verteidiger Peter Philipp.

Auch Weltmeistergürtel ist falsch

Auf der Website ist allerdings der Weltmeister-Gürtel abgebildet, den die WAA vergibt, und dieser weist keine Ähnlichkeit mit jenem Exemplar auf, das der 67-Jährige stolz auf den Richtertisch gelegt hatte. Das erkannte im Nu auch Richterin Martina Spreitzer-Kropiunik. “Der bleibt jetzt da, den bekommen sie vorerst nicht zurück”, informierte sie den Angeklagten, für den die Vorlage des Gürtels strafrechtliche Konsequenzen haben könnte.

Solche Folgen hatte bereits ein Anruf, den er nach dem ersten Verhandlungstag am vergangenen Freitag tätigte. Einer Funktionärin des österreichischen Boxverbands, deren Einvernahme der Staatsanwalt beantragt hatte, ließ er dem Vernehmen nach sinngemäß ausrichten, er werde ihr Schaden zufügen, sollte sie mit ihrer Aussage ihm schaden. Das gab die Funktionärin bekannt, als sie nun in den Zeugenstand gerufen wurde, worauf der Staatsanwalt die Anklage in Richtung versuchter Nötigung ausdehnte.

Masseur und Betreuer bei Boxverband

Auch beim heimischen Boxverband ist nichts von den angeblichen Weltmeister-Würden des Angeklagten bekannt. Der 67-Jährige sei intern als Masseur bzw. Betreuer “mit boxspezifischer Fachkompetenz” in Erscheinung getreten, berichtete die Zeugin.

Bei einer Hausdurchsuchung in einer Wohnung des Angeklagten war Anfang November 2016 Elfenbein mit einem Gesamtgewicht von 560 Kilogramm sichergestellt worden. “Es ist alles kunterbunt herumgelegen”, verriet ein beteiligter Beamter dem Gericht. Einige Elefanten-Stoßzähne wären schon “mit freiem Auge” ersichtlich gewesen, den Großteil hätte man “Stück für Stück hinter Kästen hervorgezogen. Der Besitzer, dem die Anklagebehörde einen eklatanten Verstoß gegen das Artenhandelsgesetz vorwirft, verantwortete sich zunächst damit, er hätte sich die Sammlung im Weg von regelmäßigen Flohmarkt-Besuchen zugelegt. Mittlerweile versichert der 67-Jährige, er hätte diese komplett im Jahr 1979 – und damit vor dem Beitritt Österreichs zum Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) – von einem inzwischen verstorbenen UNIDO-Mitarbeiter übernommen.

Kein Elfenbein bei erster Hausdurchsuchung

Allerdings hatte es bereits 2012 eine Durchsuchung an der Adresse des Angeklagten gegeben, weil dieser unter – wie sich herausstellen sollte – unbegründeten Verdacht geraten war, gestohlene Teppiche erworben zu haben. Damals wurde in der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung kein Elfenbein gefunden. Der Darstellung des Angeklagten zufolge wurde es von den Behörden damals schlicht und einfach übersehen: “Ich hatte es hinter einem großen Kasten. Es war mit alten Vorhängen zugedeckt. Obendrauf waren zusammen gelegte Jeanshosen.” Nach Ansicht des Staatsanwalts handelt es sich dabei um eine Schutzbehauptung. Nach seinem Dafürhalten gab es die an die 90 Stoßzähne umfassende Sammlung zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Bereits zuvor Elfenbein gefunden

In einer zweiten, eine Etage höher gelegenen Wohnung waren die Zollbehörden jedoch schon im August 2012 auf etwas Elfenbein gestoßen. Das hatte für den Besitzer vorerst keine Konsequenzen, weil das Umweltministerium keinen Handlungsbedarf sah, wie sich aus einem Aktenvermerk eines Zollbeamten ergibt. Die von diesem vorgeschlagene Altersfeststellung der Stoßzähne “rechtfertigt den ganzen Aufwand in keinster Weise”, beschied das Ministerium dem Beamten. Die damaligen Angaben des Besitzers, er hätte sich das Elfenbein vor dem Jahr 1982 gekauft, wären “nicht zu widerlegen”, befand der zuständige Ministerialbeamte. Überhaupt benötige der Besitzer “weder eine CITES-Bescheinigung noch sonstige Nachweise oder Rechnungen”.

“Das war das definitive Ende des Verfahrens. Damit war das für uns erledigt”, erinnerte sich der Zollbeamte nun im Landesgericht. Der Sachverhalt wurde aufgrund der Einschätzung des Umweltministeriums im Jahr 2012 nicht der Staatsanwaltschaft angezeigt, der Besitzer bekam damals sein Elfenbein zurück.

(APA/red)

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