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80 Jahre Stalingrad - Der Untergang einer Armee

Pascal Pletsch (VOL.AT) pascal.pletsch@russmedia.com
Nach sieben Monaten endete vor 80 Jahren die brutale Schlacht um Stalingrad mit der Kapitulation der Wehrmacht. Über eine Million Menschen verloren bei einer der größten Schlachten der Geschichte ihr Leben.

Nachdem im Frühjahr 1942 der Vormarsch der Wehrmacht wieder Fahrt aufgenommen hatte, gelangten die Soldaten der Heeresgruppe B im August an den Stadtrand von Stalingrad. Mit der Operation "Fall Blau" sollte die Wehrmacht die wichtigen Ölfelder im Kaukasus und auch die strategisch wichtige Stadt an der Wolga erobern.

Das Unheil nimmt schon bei der Planung seinen Lauf

Die Generäle warnten im Vorfeld noch vor der Aufsplitterung der Verbände, doch Hitler bestand auf dem Vormarsch auf Stalingrad, nicht zuletzt wegen des berühmten Namens und der Symbolkraft, sollte die Stadt fallen. Die größte Fehleinschätzung war allerdings, dass Hitler davon ausging, die Rote Armee habe im Winter 41/42 einen Großteil ihrer Reserven verloren und somit der gleichzeitige Vormarsch auf zwei Ziele möglich wäre. Neben Verbänden der Wehrmacht, beteiligten sich auch Einheiten der verbündeten Rumänen und Italiener am Angriff auf die Stadt.

Am 26. August 1942 berichtet auch das Vorarlberger Tagblatt erstmals über den Angriff auf die Stadt an der Wolga. ©Handout/VOL.AT

Am 23. August hatten die ersten Truppen der Wehrmacht, deutlich später als geplant, den Stadtrand von Stalingrad erreicht. Daraufhin verhängte Stalin den Belagerungszustand über die Stadt. Am 28. Juli hatte Stalin bereits den für die Menschen in Stalingrad verheerenden Befehl Nr. 227 unter der Parole "Keinen Schritt zurück" veröffentlicht.

Vormarsch auf Stalingrad ©APA

Der Angriff

Am 12. September erfolgte der Befehl Hitlers an den Oberbefehlshaber der 6. Armee, General Friedrich Paulus, die Stadt einzunehmen. Bereits einen Tag später, am 13. September 1942 begann der Großangriff auf die belagerte Stadt mit Luftangriffen und massivem Artilleriebeschuss. Zwar konnte die Wehrmacht in den folgenden Tagen weiter in die Stadt vorrücken, allerdings verteidigten sich die Russen zäh und so kam es zu großen Verlusten auf beiden Seiten. Jedes Haus, jedes Schützenloch und jede Straße wurde von den Soldaten der Roten Armee bis zum Äußersten verteidigt.

Ende September 1942 verlagerte das deutsche Oberkommando die Angriffe auf die Industrieanlagen im Norden der Stadt. Als Beispiel für die Erbarmungslosigkeit des Kampfes, dient in dieser Phase der Hauptbahnhof von Stalingrad. Am 13. September wurde das vollkommen zerstörte Gelände insgesamt 13 Mal wechselseitig erobert. Auch in den folgenden Tagen wechselte der Hauptbahnhof immer wieder mehrfach den Besitzer. Ein erbitterter Kampf um jeden Meter war entbrannt.

Der Kampf in den Materiallagern ©handout

Am 27. September 1942 zeigten die Bilder der Deutschen Wochenschau, wie auf dem Parteigebäude der kommunistischen Partei die Reichskriegsflagge gehisst wurde und vermeldeten, dass der Sieg in Stalingrad unmittelbar bevor stehe. In verlustreichen Kämpfen war es der Wehrmacht allerdings erst im November 1942 im Rahmen der "Operation Hubertus" gelungen einen Großteil der Stadt zu besetzen. Die Rote Armee hielt zu diesem Zeitpunkt noch lediglich einen schmalen Streifen am Wolgaufer und kleine Teile im Norden der Stadt. Adolf Hitler erklärte in einer Rede am achten November 1942 im Bürgerbräukeller, man habe die Schlacht quasi schon gewonnen.

Die Wende - der Kessel wird geschlossen

Am Morgen des 19. Novembers startete die Rote Armee mit der "Operation Uranus" ihre Gegenoffensive. Von Westen und Südosten her hatten Verbände der Roten Armee die schwachen Verteidigungslinien der Rumänen durchbrochen. Am 20. November erfolgte dann auch ein Angriff aus Süden, was schlußendlich dazu führte, dass die Verbände der Wehrmacht am 23. November eingeschlossen waren.

Der Ring schließt sich - Russische Artillerie im Einsatz. ©APA

Ausbruch aus dem Kessel oder Halten?

Während die Befehlshaber vor Ort bereits Pläne für einen Ausbruch aus dem Kessel in Richtung Süden bereit hielten, verbot Adolf Hitler am 24. November 1942 jeden Rückzug. Die Armee sollte im Kessel aus der Luft versorgt werden. Reichsmarschall Hermann Göring hatte versprochen die Truppe täglich mit 500 Tonnen Nachschub aus der Luft versorgen zu können. Obwohl die Verantwortlichen aus den Generalstäben des Heeres und der Luftwaffe sowohl Hitler, als auch Göring darüber informierten, dass dies unmöglich sei, beharrte Göring auf seinem Versprechen. An keinem Tag im weiteren Verlauf der Schlacht konnte Göring sein Versprechen halten. Am 19. Dezember wurde mit 289 Tonnen, was knapp der Hälfte des täglich benötigten Nachschubs entsprach der höchste Versorgungsumfang erreicht. Aufgrund schlechter Wetterverhältnisse konnte allerdings an manchen Tagen gar kein Nachschub eingeflogen werden und im Schnitt wurden bis zur Kapitulation täglich anstelle der 500 benötigten Tonnen, lediglich 94 Tonnen eingeflogen.

Hunger und Verzweiflung

Bereits am 24. November, also am Beginn der Einkesselung, mussten die Befehlshaber im Kessel die Versorgung der Soldaten halbieren. In der Folgezeit wurden dann weitere Einschränkungen notwendig, sodaß die ohnehin karge Tagesration von 300 Gramm Brot pro Tag auf am Ende 60 Gramm Brot reduziert werden musste, was rund drei Scheiben Brot am Tag entsprach. Viele Soldaten erhielten allerdings schon Wochen vor der Kapitulation gar keine Versorgung mehr. Die verheerende Versorgungslage, gepaart mit dem harten Winter, sorgten in den Wochen bis zur Kapitulation dafür, dass die meisten Soldaten in dieser Zeit nicht bei Kampfhandlungen starben, sondern verhungerten oder erfroren. Vor allem in den letzten Wochen vor der Kapitulation kam es immer wieder zu Fällen von Kanibalismus.

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Letzte Hoffnung Manstein

Am 12. Dezember 1942 erfolgte ein letzter Versuch den Kessel zu sprengen und die eingeschlossenen Soldaten zu retten. Unter dem Namen "Unternehmen Wintergewitter" begann die 4. Panzerarmee unter Generaloberst Hoth einen Entlastungsangriff, der allerdings aufgrund weiterer russischer Offensiven eingestellt werden musste. Hitler verbot der 6. Armee daraufhin jegliche Ausbruchsversuche und besiegelte damit endgültig den Untergang. Am 23. Dezember 1942 wurden die letzten Entsatzversuche erfolglos abgebrochen.

Erbitterte Kämpfe um jede Ruine ©handout

Das Ende

Am 10. Jänner 1943 startete die Rote Armee ihren letzten Großangriff auf die Reste der 6. Armee, die den Angreifern nichts mehr entgegensetzen konnte. Am 25. Jänner gelang den sowjetischen Truppen den Kessel in einen Nord- und Südkessel zu teilen. Am 30. Jänner hielt Göring im Reichsluftfahrtministerium eine Rede zur Lage in Stalingrad, die das Volk auf eine Niederlage vorbereiten und einem Heldenmythos erzeugen sollte. Einen Tag später kapitulierte der Oberbefehlshaber der 6. Armee, Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, vor den in seinen Gefechtsstand vorgerückten Rotarmisten. Bis zum zweiten Februar kapitulierten dann auch die letzten Reste der deutschen Truppen im Nordkessel.

Durchalteparolen prägten noch am 01. Februar die Titelseiten der Zeitungen. Längst schon war die Lage für die Soldaten vor Ort hoffnungslos. ©Handout/VOL.AT

Am 3. Februar verlautbarte das Oberkommando der Wehrmacht in einer Sondermeldung die Niederlage in Stalingrad. Die Soldaten wären bis zum letzten Atemzuge kämpfend, einer Übermacht erlegen. Trotz der Kapitulation kam es bis zum 5. März vereinzelt noch zu Kampfhandlungen mit versprengten deutschen Truppen, bevor auch für sie der Weg in die Gefangenschaft begann.

Am 2. Februar kapitulierten die Reste der 6. Armee nach langem Zögern. Bereits am 4. Februar versuchte die Propaganda aus der vernichtenden Niederlage ein Heldenepos zu machen. ©Handout/VOL.AT

Insgesamt starben in der Schlacht um Stalingrad von Juli 1942 bis Februar 1943 über 1 Million Menschen, darunter auch zahllose Zivilisten. Genaue Zahlen sind bis heute nicht bekannt. Von den rund 108.000 deutschen Soldaten die am Ende des Kampfes in Kriegsgefangenschaft geraten waren, kehrten Jahre später nur etwa 6.000 in die Heimat zurück.

(VOL.AT)

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