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1914/2014 - Franz Ferdinand: Der Sargnagel der Monarchie

Biograf: "Zweifel, ob er moralisch und intellektuell für die vor ihm liegende Aufgabe gerüstet war"
Biograf: "Zweifel, ob er moralisch und intellektuell für die vor ihm liegende Aufgabe gerüstet war" ©AP/ Riedel
Sein Tod ließ eine Welt einstürzen. Und er machte aus einem menschenfeindlichen Aristokraten einen Hoffnungsträger. Es spricht nur wenig dafür, dass Franz Ferdinand seiner posthumen Zuschreibung als tatkräftiger Retter des Habsburger-Reiches hätte gerecht werden können. Starrsinnig und autoritär, wäre er als Regent wohl das geworden, was er im Tode war: Der Sargnagel der Monarchie.

Fast zwei Jahrzehnte lang war er Thronfolger Österreich-Ungarns, dessen politischen Niedergang er mit großer Ungeduld verfolgte. Innen- und außenpolitisch ging er auf Distanz zu seinem Onkel Kaiser Franz Joseph und baute nach der Jahrhundertwende über Vertraute in Armee und Politik eine “Nebenregierung” auf. In Wien hielt er sich jedoch ungern auf. Vielmehr ließ er in seinem böhmischen Schloss Konopiste (Konopischt) ständig einen Zug unter Feuer halten, um beim Ableben seines Onkels möglichst rasch die Thronfolge antreten zu können.

Faktischen Einfluss hatte er nur in militärischen Belangen, nachdem ihm der Kaiser schon 1898 eine eigene Militärkanzlei zugesprochen hatte. So hatte es Franz Conrad von Hötzendorf der Fürsprache des Thronfolgers zu verdanken, dass er im Jahr 1906 Generalstabschef wurde. Doch mit diesem sollte sich der Thronfolger später ebenso zerkrachen wie mit seinem Rechtslehrer und späteren Ministerpräsidenten Max Wladimir von Beck (1906-08).

Außenpolitisch setzte sich Franz Ferdinand für eine Annäherung mit Russland ein, obwohl dies angesichts der Bündnisstrukturen in Europa fast ein Ding der Unmöglichkeit war. Ähnlich realitätsfern waren seine innenpolitischen Ansichten. So warf er dem Kaiser vor, zu nachgiebig gegenüber den Ungarn zu sein, und hätte den im Jahr 1907 verlängerten Ausgleich am liebsten per Staatsstreich in Budapest ausgehebelt. Ausgerechnet den kühnsten Reformschritt des Kaisers, die Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts in der österreichischen Reichshälfte im Jahr 1907, sah der vermeintliche Modernisierer ganz und gar nicht positiv.

Mit der Demokratie stand Franz Ferdinand wohl auch deswegen auf Kriegsfuß, weil er um seine geringe Popularität wusste. Sie lässt sich insbesondere an den Reaktionen auf seinen gewaltsamen Tod am 28. Juni 1914 ermessen. Die Todesnachricht aus Sarajevo habe in Österreich “keine sonderliche Erschütterung oder Erbitterung” ausgelöst, berichtete etwa Stefan Zweig. “Denn der Thronfolger war keineswegs beliebt gewesen.” Tatsächlich war Franz Ferdinand nicht nur bei den Ungarn verhasst, sondern hatte auch die Polen und Tschechen gegen sich aufgebracht, während er in der deutschen Volksgruppe nur auf die Christlichsozialen zählen konnte, schreibt sein Biograph Jean-Paul Bled. “Daraus folgt, dass ihm eine genügend breite Basis gefehlt hätte, um zu regieren.”

Bled stellt auch die Frage, “ob Franz Ferdinand moralisch wie intellektuell für die vor ihm liegende Aufgabe gerüstet war”. Schließlich war ihm das Thronfolger-Dasein ganz und gar nicht in die Wiege gelegt. Sein mit der italienischen Prinzessin Maria Annunziata verheirateter Vater Karl Ludwig frönte lieber der Jagd, als seinen Bruder Franz Joseph bei der Führung der Staatsgeschäfte zu unterstützen.

Am 18. Dezember 1863 in Graz geboren, wurde Franz Ferdinand schon mit knapp zwölf Jahren zum Großgrundbesitzer. Der letzte Herzog von Modena, Franz V., setzte ihn nämlich zum Universalerben seiner Besitzungen in Norditalien, Böhmen und Wien ein. Dafür musste Franz Ferdinand den Nachnamen “d’Este” annehmen und Italienisch lernen. Doch trotz der Herkunft seiner Mutter blieb ihm Italien zeitlebens verhasst. Vielmehr träumte er davon, die österreichische Marine aufzurüsten und Österreich-Ungarn so zur bestimmenden Seemacht in der Adria zu machen.

Schon mit 14 Jahren schlug Franz Ferdinand eine militärische Laufbahn ein, die ironischerweise bei einem ungarischen Regiment begann. “Diese Jahre zählten zu den schönsten meiner Jugend”, sagte er über seine Militärzeit. Doch gemeint waren da wohl auch gemeinsame Jagdausflüge mit seinem Cousin Rudolf, mit dem er sich damals enger anfreundete. Durch allzu großes Pflichtbewusstsein als Soldat fiel Franz Ferdinand jedenfalls nicht auf, immer wieder nahm er sich – teilweise krankheitsbedingt – Auszeiten. Als er etwa 1888 einem Regiment in Prag zugeteilt wurde, wollte er seinen Dienst mit vier Monaten Urlaub beginnen.

Dieses sorglose Aristokratenleben sollte sich wenige Monate später durch den Tod von Kronprinz Rudolf ein jähes Ende finden. Durch das Ableben seines Cousins war nämlich Franz Ferdinand faktisch Thronfolger geworden. Bevor er es mit dem Tod seines Vaters Karl Ludwig im Mai 1896 tatsächlich wurde, durfte er sich immerhin noch einen Herzenswunsch erfüllen. Am 15. Dezember 1892 stach er an Bord der SMS Kaiserin Elisabeth in Triest in See, um die Welt zu umrunden. Die Tagebuchaufzeichnungen der zehn Monate langen Reise nach Afrika, Asien, Australien und Amerika werfen kein gutes Licht auf ihn, sind sie doch gespickt mit abfälligen Bemerkungen über die Einheimischen. Immerhin kam er mit zahlreichen Souvenirs und Jagdtrophäen zurück.

Sein Gesundheitszustand blieb fragil, und im Frühsommer 1895 stellte sich endlich heraus, warum. Bei Franz Ferdinand wurde nämlich Tuberkulose diagnostiziert. Eine Kur in Südtirol brachte rasch Besserung, auch wegen des Beistandes eines “Frauenzimmers”. In Meran korrespondierte der Patient nämlich intensiv mit der tschechischen Adeligen Sophie Chotek, die er im Jahr 1894 auf einem Empfang in Prag kennengelernt hatte.

Die Liebschaft mit Sophie ließ Franz Ferdinand zu seiner größten Tat schreiten. Durch jahrelanges Beharren trotzte er dem Kaiser die Zustimmung zur Liebesheirat mit Sophie ab, die nach dem strengen Familienrecht der Habsburger nicht als Ehefrau infrage kam. Im April 1900 gab der Kaiser endlich nach, zwang Franz Ferdinand aber zum Thronverzicht für seine Nachkommen.

Der Familie galt das Hauptaugenmerk des Thronfolgers. “Umarme euch innigst. Dienstag, Papi”, telegrafierte er seinen Kindern Sophie, Maximilian und Ernst an seinem Todestag nach Hause. “Deine menschlich herausragendste Eigenschaft war die Liebe zur Familie, zu Deiner Sophie und den Kindern. Zu Hause warst Du ungezwungen und fröhlich, in klarem Gegensatz zu Deinem bekannten Auftreten als zeitweise schroffer, direkter und eher herrisch wirkender Mann”, schreibt Anita Hohenberg in einem fiktiven Brief an ihren Urgroßvater. “Du warst zur falschen Zeit am falschen Ort.” Nicht nur in Sarajevo.

(LITERATUR: Jean-Paul Bled: Franz Ferdinand. Der eigensinnige Thronfolger, Wien 2013; Anita Hohenberg: Er war mein Urgroßvater, Graz 2013)

(APA)

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