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12-Stunden-Tag: Opposition über Vorgehen der Regierung empört

Der 12-Stunden-Tag soll mit 1. September beginnen.
Der 12-Stunden-Tag soll mit 1. September beginnen. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Nicht nur der 12-Stunden-Tag hat bisher für viel Unmut gesorgt, auch das radikale Vorgehen der Regierung der Einführung des Arbeitstags mit 1. September hat für Empörung bei den Oppositionsfraktionen gesorgt.
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Heftige Debatten

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder beklagte, dass die Abgeordneten davon erst heute aus den Medien erfahren mussten. ÖVP und FPÖ wiesen die Kritik zurück. Mit dem Vorgehen werde vorbei an allen parlamentarischen Usancen “der ganze parlamentarische Prozess schlecht gemacht”, sagte Schieder in einer zu Sitzungsbeginn eigens einberufenen Geschäftsordnungsdebatte. Niemandem im Hohen Haus sei der abgeänderte Abänderungsantrag zugegangen, mit dem noch am Donnerstag das Vorhaben beschlossen werden soll. “Es wäre doch durchaus sinnführend, den Abänderungsantrag den Fraktionen in der Version zuzuführen, die stimmt”, so der Abgeordnete. Er kenne das Vorhaben, die Änderung schon per 1. September in Kraft treten zu lassen, nur aus den Medien.

Opposition empört über Vorgehen

An Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) richtete der SPÖ-Klubobmann die Bitte, “dass Sie eine ordnungsgemäße Vorgangsweise sicherstellen”, denn sonst sei ein geordnetes Behandeln der Materie nicht möglich. Dies sei “nicht im Sinne des Parlamentarismus und des Hohen Hauses”.

NEOS-Klubobmann Matthias Strolz schloss sich der Kritik Schieders an. Er betonte, dass seine Fraktion ja grundsätzlich für das Vorhaben der Arbeitszeitflexibilisierung eintrete. Das Vorgehen von ÖVP und FPÖ sei aber “keine Art des Zusammenarbeitens”, so seine Kritik. Auch er richtete sich an den Nationalratspräsidenten: “Ich möchte Sie bitten, auf die Mehrheitsfraktionen einzuwirken, dass diese Ignoranz ein Ende hat.” Auch verwies Strolz wie zuvor schon Schieder darauf, dass er mit dem gesamten Umgang der Regierungsfraktionen mit dem Thema nicht einverstanden ist: “Sie gehen bewusst den Weg der Ignoranz”, verwies er darauf, dass FPÖ und ÖVP das Gesetz als Initiativantrag eingebracht haben – und ohne Begutachtung über die Bühne bringen wird. “Ich erwarte von Ihnen, Herr Präsident, dass sie hier (…) entschlossener, klarer und überparteilich Partei ergreifen”, sagte er in Richtung Sobotka.

Regierung will mit September 12-Stunden-Tag einführen

FPÖ-Kubchef Walter Rosenkranz und ÖVP-Klubobmann August Wöginger wiesen die Kritik lautstark zurück. Man mache die Arbeit entlang der Geschäftsordnung des Nationalrates, sagte Wöginger – und werde den aktuellen Antrag nun ohnehin an die Fraktionen übermitteln. Man habe den Abänderungsantrag ja bereits letzten Freitag vorgelegt, nun ändere sich ja nur wenig, meinte er: “Was sich jetzt ändert, ist die Frist des Inkrafttretens”, so der VP-Klubchef. Auch Rosenkranz pochte darauf, dass die Regierungsfraktionen entlang der Geschäftsordnung agierten: “Ich konnte nicht entnehmen, dass irgendein Vorgang geschäftsordnungswidrig gewesen wäre”.

Schieder entgegnete, Wöginger sitze hier einem “Irrtum” auf: “Das ist keine kleine Änderung. Und es wäre durchaus angebracht, dass wir – bevor wir in die Tagesordnung eingehen – schriftlich erfahren, was denn hier geplant ist. Es ist nicht OK, dass man sagt, lest die Zeitung, weil dort haben wir es eh schon verlautbart. So wie Sie vorgehen wird der ganze parlamentarische Prozess schlecht gemacht.”

Kritik gegenüber Regierung

Rosenkranz und Wöginger ließ die Kritik unbeeindruckt. Sie warfen vielmehr der Opposition zu harte Protestmaßnahmen gegen einzelne Abgeordnete vor. So seien Protestschreiben gegen den 12-Stunden-Tag und Pflastersteine vor Büros und Häusern von Abgeordneten gefunden worden, beklagten sie: “Was wollen sie uns mit Pflastersteinen mitteilen, die sie vor Firmen und Häuser unserer Abgeordneten legen?”, fragte Wöginger. “Fliegen sie das nächst Mal beim Fenster rein? Ich weise diese Vorgangsweise entschieden zurück.”

Liste Pilz-Klubchef Wolfgang Zinggl betonte, dass diese “Vorgänge außerhalb des Hauses” nichts mit der Geschäftsordnung zu tun haben. Zum Vorgehen der Regierungsfraktionen sagte er: “Ja, es entspricht der Geschäftsordnung, aber nicht den Usancen des Hauses”. Die Fraktionen hätten ein Recht darauf, von Abänderungsanträge rechtzeitig zu erfahren, damit man auch innerhalb der Fraktionen zeitgerecht darüber diskutieren kann. An Sobotka stellte er die Frage, wie er die Wertschätzung des Hohen Hauses angesichts dieses Vorgehens sieht. Nach einer kurzen Stehpräsidiale wurde dann die Sitzung mit dem ersten Tagesordnungspunkt – der Fragestunde an Sportminister Heinz-Christian Strache fortgesetzt.

Vor dem Parlaments-Ausweichquartier in der Hofburg waren unterdessen in der Früh rund 200 Demonstranten dem Aufruf der Jungen Generation der SPÖ gefolgt und demonstrierten lautstark gegen den 12-Stunden-Tag. Unter den Teilnehmern waren auch mehrere Oppositionsabgeordnete, darunter etwa SP-Klubchef Schieder, der gemeinsam mit dem Protestierenden die “Internationale” zum Besten gab.

Nationalrat: Hitzige Debatte

Die Debatte über die Ausweitung der Höchstarbeitszeit Donnerstagvormittag im Nationalrat ist wie erwartet sehr emotional mit viel Aktivismus und einigen Untergriffen verlaufen. Während die Opposition der Regierung vorwarf, die Arbeitnehmer auszubeuten, sah FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz gar “Freude” bei den Menschen über den 12-Stunden-Tag. Für die SPÖ brachte Christian Kern einen Antrag auf eine Volksabstimmung über die Ausweitung der Arbeitszeit ein. Er kritisierte das Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Regierung als die “massivste Verschlechterung seit drei Jahrzehnten”.

Das Gesetz sei “ungerecht, unausgegoren und durch und durch unvernünftig”. “Wenn sie besonders lustig sind”, erklären Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ ) den Arbeitnehmern, dass das Gesetz für sie “grandios” sei. Aber wenn man sehe, dass nur Industrie und Wirtschaft das Vorhaben bejubeln, “weil geliefert wurde, was bestellt wurde”, wisse man, wem das Gesetz nutze, so Kern. “Das ist ein Angriff auf die Arbeitnehmer. Sie werden nicht nur als Arbeitnehmerverräter in die Geschichte eingehen, Sie machen die Ungerechtigkeit zum Programm”, so Kern an die Regierung.

Alles “falsch und erlogen” erwiderte FPÖ-Klubobmann Rosenkranz. Der acht Stunden Tag, die 40-Stunden-Woche, die Überstundenzuschläge, die Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen würden bleiben. Die Menschen würden sich auf die neuen Regelungen “freuen”. Dort, wo die Politik näher an der Bevölkerung sei, “kommt diese Maßnahme bei den Menschen gut an”, so Rosenkranz, der Abgeordnete der Opposition u.a. als “Rabiat-Gewerkschafter” bezeichnete und ihnen “Tourette-Syndrom” vorwarf. Dass das Gesetz völlig überraschend schon im September in Kraft treten soll, begründet er damit, dass man sich damit gut auf die Neuerungen “einstellen” könne.

12-Stunden-Tag sichere Arbeiterrechte ab

Von einer “Win-Win-Situation” und einem “guten, ausgewogenem Gesetz für bei Seiten” sprach auch VP-Klubchef August Wöginger. Das Vorziehen des Inkrafttretens begründet er damit, dass mit dem Gesetz “Arbeiterrechte” abgesichert würden.

“Viele Taferln und auf beiden Seiten, aber ziemlich wenig Hirnschmalz”, urteilte Gerald Loacker von den NEOS. Die Regierung mache es ihm als Befürworter einer Arbeitszeit-Flexibilisierung “wirklich schwer”. “Es ist so schlecht, dass ma glauben könnte, es sei tatsächlich von den schwarzen und blauen Klubs geschrieben worden”, so Loacker, der die Industriellenvereinigung als Schreiberin des Gesetzes vermutet. Das Vorhaben werde zu zahlreichen und langjährigen Gerichtsauseinandersetzungen führen. “Der Rechtsnawalt Rosenkranz freut sich darüber, weil es damit Arbeit für die Rechtsanwälte gibt”, so Loacker.

Daniela Holzinger-Vogtenhuber von der Liste Pilz machte vor allem auf die Probleme für Familien aufmerksam. Die Regierung nehme “null Rücksicht auf die Gesundheit, null Rücksicht auf die Vereinbartkeit von Beruf und Familie, null Rücksicht auf die Kinder”. Auf der anderen Seite werde der Ausbau der Kinderbetreuung zurückgeschraubt.

ÖVP/FPÖ: “Freiwilligkeit garantiert”

Die Debatte war von zahlreichen Zwischenrufen und auch “Taferl”-Aktionen begleitet. So hatten alle Abgeordnete von ÖVP und FPÖ Schilder mitgebracht, die untermauern sollten, dass sich für die Arbeitnehmer quasi ohnehin nichts ändert: “8 Stunden am Tag”, “40 Stunden in der Woche”, “Es bleibt dabei” sowie “Freiwilligkeit garantiert”, war darauf zu lesen. Die SPÖ hielt dem Verbotstafeln entgegen, auf denen jeweils die Zahl 12 bzw. die Zahl 60 rot durchgestrichen war.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sowie die Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) mahnten die Abgeordneten, es mit dem Hochhalten der Tafeln nicht zu übertreiben. Sobotka verwies auf die übliche Vorgangsweise im Hohen Haus: “Es ist die Usance, das 30 Sekunden zeigen zu dürfen”, richtete er den Abgeordneten aus.

APA/red

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