AA

12-Stunden-Tag: Kinder zahlen die Zeche mit

„Dass die Bundesregierung jeden Dialog mit den Vertretern der Arbeitnehmer verweigert hat, zwingt uns auf die Straße.“ Auch AK-Präsident Hubert Hämmerle war unter den rund 100.000 Demonstranten, die in Wien gegen den 12-Stunden-Tag protestierten. (Foto: Dietmar Brunner, AK)
„Dass die Bundesregierung jeden Dialog mit den Vertretern der Arbeitnehmer verweigert hat, zwingt uns auf die Straße.“ Auch AK-Präsident Hubert Hämmerle war unter den rund 100.000 Demonstranten, die in Wien gegen den 12-Stunden-Tag protestierten. (Foto: Dietmar Brunner, AK)
Die türkis-blaue Regierung hat nun den 12-Stunden-Tag eingeführt. Gleichzeitig bremst sie bei der Kinderbetreuung.

„Wo die Kinder hinsollen, wenn die Eltern länger arbeiten müssen, ist offenbar nicht so wichtig“, sagt AK-Präsident Hubert Hämmerle. 2018 laufen drei Verträge zwischen Bund und Ländern aus, die Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung vorsehen. Bislang waren 140 Millionen Euro budgetiert. Jetzt stehen nur noch 90 Millionen zur Verfügung. Auch beim Ausbau der ganztägigen Schulen haben Türkis-Blau die Pläne der Vorgängerregierung verworfen und gehen nun deutlich zögerlicher zuwerke.

Patentrezepte gibt es nicht
„Das alles wiegt doppelt schwer, wenn dieselbe Regierung gleichzeitig überfallsartig und ohne Not der Industrie den 12-Stunden-Tag zum Geschenk macht.“ Denn nichts anderes ist in den Augen von AK-Präsident Hubert Hämmerle das Paket unter dem Namen „Arbeitszeitflexibilisierung“: „Es ist ein spätes opulentes Dankeschön für Wahlhilfe im großen Stil.“ Die neue Regelung wird viele Arbeitnehmer teuer zu stehen kommen. Die so stark betonte Freiwilligkeit ist für Hämmerle „nur blasse Theorie“, denn wenn der Druck groß genug ist, werden die Leute gezwungen sein, „freiwillig“ mehr zu arbeiten. Wer in Gleitzeit „freiwillig“ länger arbeitet, macht das für Gotteslohn. Auch viele Mitarbeiter mit All-in-Verträgen werden sich auf „freiwillig“ geleistete Arbeit ohne Geld einrichten müssen. Dass dies alles ohne Not geschieht und das Parlament quasi nichts mehr mitzureden hat, macht den AK-Präsidenten gerade so wütend wie der polemische Tonfall in einer Diskussion, die nur mehr aus Untergriffen und Beleidigungen besteht. „Wenn das der neue Stil ist, der die Gepflogenheiten der Sozialpartnerschaft ablöst, bewegt sich Österreich mit Riesenschritten in die Vergangenheit, statt sich für die Zukunft zu rüsten.“ AK und Gewerkschaft werden diesem Raubbau am Arbeitnehmer nicht tatenlos zusehen.

Längst an der Spitze
Österreichs Vollzeitbeschäftigte liegen bei den geleisteten Wochenstunden laut Eurostat auch ohne 12-Stunden-Tag im EU-Spitzenfeld. Mit durchschnittlich 41,4 Arbeitsstunden pro Woche belegt Österreich derzeit schon Platz drei hinter den Briten mit 42,3 Stunden und den Zyprioten mit 41,7 Stunden. Am anderen Ende der Skala steht Dänemark mit 37,8 Stunden.

Überstunden
Laut Statistik Austria haben Österreichs Arbeitnehmer im Vorjahr 249,6 Millionen Überstunden geleistet – rund ein Fünftel davon unbezahlt. Etwa 20 Prozent aller Arbeitnehmer machen regelmäßig Überstunden, im Schnitt 7,2 Stunden pro Woche. Das neue Gesetz ermöglicht es u. a., den Gleitzeitrahmen nun von zehn auf zwölf Stunden auszuweiten. Der Arbeitgeber erspart sich so die Zuschläge für die Mehrarbeit.

  • VOL.AT
  • Werbung
  • 12-Stunden-Tag: Kinder zahlen die Zeche mit