10 Jahre Krieg in Syrien

Der Konflikt in Syrien war im März 2011 mit Protesten gegen die Regierung von Machthaber Baschar al-Assad ausgebrochen. Die Sicherheitskräfte gingen damals mit Gewalt gegen Demonstrationen vor. Daraus entwickelte sich ein Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung. Mehr als 400 000 Menschen wurden getötet, rund zwölf Millionen vertrieben. Mittlerweile kontrolliert die Regierung wieder rund zwei Drittel des Landes. Wegen Sanktionen ist sie aber international stark isoliert. Alle Bemühungen um eine politische Lösung blieben bislang erfolglos.
Syrer leiden unter großer Armut und Hunger
Syrien leidet nach zehn Jahren Bürgerkrieg Hilfsorganisationen zufolge unter einer der schwersten humanitären Krisen seit Ausbruch des Konflikts. Mehr als zwölf Millionen Menschen hätten keinen regelmäßigen Zugang zu ausreichend Nahrung, sagte der Präsident des Syrisch-Arabischen Roten Halbmondes (SARC), Chalid Hbubati, am Donnerstag vor Journalisten. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung seien nach Schätzungen unter die Armutsgrenze gerutscht. "Die Menschen leben wegen der brutalen Krise in Agonie", sagte er.
Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, klagte, die humanitäre Lage werde durch eine schwere Wirtschaftskrise verschärft. Die Corona-Pandemie komme noch obendrauf. Er befürchte, dass die internationale Gemeinschaft Syrien abschreibe. Zivilisten bezahlten den Preis für einen fehlenden politischen Durchbruch. "Wir brauchen eine politische Lösung für den Konflikt", mahnte Maurer. "Die Syrer können sich kein weiteres Jahr wie dieses leisten, geschweige denn weitere zehn Jahre."
Die Kinderhilfsorganisation World Vision schätzt die Kosten des Konflikts auf bisher mehr als 1,2 Billionen US-Dollar (etwa eine Billion Euro). Die Ergebnisse einer Untersuchung zeigten zudem, dass der heranwachsenden Generation durch verlorene Bildung und Gesundheit entscheidende Nachteile zugefügt worden seien, einschließlich einer um 13 Jahre verringerten Lebenserwartung.
Vor zehn Jahren kam es zum Krieg in Syrien. Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen seither in Jahresetappen:
2011
2Im März erreicht der Arabische Frühling Syrien. Mitte März sprühen Jugendliche in der Stadt Daraa Anti-Regime-Parolen auf Mauern und wurden verhaftet. Proteste richten sich zunächst gegen diese Verhaftungen und das Vorgehen der Sicherheitskräfte. In immer mehr Städten gehen die Massen gegen das Polizei- und Geheimdienstregime von Präsident Bashar al-Assad auf die Straßen. Die Regierung setzt Scharfschützen ein und lässt die Demonstrationen blutig niederschlagen. Die Opposition gründet daraufhin im Juni die Freie Syrische Armee (FSA). Es kommt zu ersten Kämpfen in Homs und der Hauptstadt Damaskus.
2012
Der Bürgerkrieg ist voll ausgebrochen. Im UNO-Sicherheitsrat scheitert eine Resolution für ein internationales militärisches Eingreifen in Syrien am Veto Russlands und Chinas. Es bilden sich Abspaltungen von der FSA bzw. separate Milizen der Opposition nach religiösen und ethnischen Gesichtspunkten, darunter islamistische (wie die aus der Al-Kaida hervorgegangene Al-Nusra-Front) und kurdische Milizen. Die Islamisten kämpfen anders als die moderate Opposition für ein religiöses System in einem Syrien nach Assad. Ende des Jahres ist bereits eine halbe Million Menschen aus dem Land geflohen. Auf der ersten Syrien-Friedenskonferenz in Genf hatte die Opposition eine Übergangsregierung gefordert.
2013
Bei einem mutmaßlich von der Regierung verantworteten Giftgasangriff in Ghouta nahe Damaskus kommen mehrere Hundert Menschen um. Das Assad-Regime erklärt sich zur Vernichtung seiner Chemiewaffen bereit, um so eine angedrohte US-Militärinvasion abzuwenden. Inzwischen ist der Bürgerkrieg auch voll in Aleppo ausgebrochen. Bewaffnete Aufständische kontrollieren die zweitgrößten Stadt des Landes. Die sunnitische Jihadistenmiliz ISIS, später IS ("Islamischer Staat"), nimmt die Stadt Raqqa ein. Ende des Jahres sind 2,3 Menschen aus dem Land geflohen.
2014
Die USA greifen aktiv in den Syrien-Krieg ein, indem sie IS-Stellungen dort und im Irak bombardieren. Der IS übernimmt die Stadt Kobane an der türkischen Grenze von den Kurden. Internationalisierung des Konflikts: Die USA und Türkei unterstützen Aufständische (die Türkei auch islamistische), Russland und der Iran das Regime.
2015
Russland wird zum entscheidenden Faktor: Aufseiten des Assad-Regimes machen vor allem russische Luftangriffe die Rückeroberung von Aufständischen gehaltener Gebiete möglich. Die bunt gemischte Opposition übernimmt allerdings die Kontrolle über Idlib. Auf mehreren Friedenskonferenzen vereinbarte Waffenruhen werden nicht eingehalten. Der IS besetzt die antike Stadt Palmyra und zerstört UNESCO-Weltkulturerbestätten. Die Zahl der Syrien-Flüchtlinge im Ausland erreicht vier Millionen: Viele ziehen von Nachbarländern weiter nach Europa, wo es zur "Flüchtlingskrise" kommt.
2016
Die Regierungstruppen nehmen mithilfe Russlands und des Iran Aleppo ein. Die - teils islamistischen Aufständischen - ziehen sich von dort in die nach wie vor von den Regierungsgegnern gehaltene Provinz Idlib zurück. Die immer wieder aufgenommenen Genfer Friesengespräche werden für gescheitert erklärt.
2017
Syrien-Konferenzen in Kasachstan mit Russland und dem Iran auf der einen und der Türkei als Unterstützerin der syrischen Opposition etablieren sich. Vereinbarte Waffenruhen für einzelne Gebiete werden gebrochen. Bei einem Luftangriff mit dem chemischen Kampfstoff Sarin in Khan Sheikhoun in Nordsyrien sterben mindestens 70 Menschen. Die USA reagieren mit einem Raketenangriff auf eine syrischen Luftwaffenbasis. Im Herbst vertreiben kurdische Kämpfer mit Unterstützung der USA den IS aus Nordsyrien.
2018
Die Türkei marschiert im Konflikt mit den Kurden in Syrien ein und übernimmt u.a. die Kontrolle der Stadt Afrin. Chlorgas-Angriff auf die Stadt Duma: Die USA, Frankreich und Großbritannien bombardieren in Reaktion Ziele des Regimes. Das Regime nimmt die südwestliche Provinz Daraa von den Aufständischen ein. Idlib im Nordwesten bleibt - bis heute - die einzig verbliebene Rebellenprovinz.
2019
Der IS ist in Syrien gänzlich besiegt. Das Regime beginnt eine Großoffensive auf Idlib und löst damit eine weitere Massenflucht aus. Zugleich leitet das Regime auf Basis seiner Gebietsgewinne den Wiederaufbau ein. Die Türkei startet eine weitere Offensive gegen Kurden im Norden. Mit dem Kampf gegen die Kurden ist Ankara in Konflikt mit Washington geraten, hatten kurdische Kämpfer doch mit US-Unterstützung den IS niedergerungen.
2020
Erhöhte Spannungen zwischen dem Regime und der Türkei rund um die Rückeroberung des großteils von Jihadisten gehaltenen Idlib.
2021
Auch Israel ist Kriegspartei: Es fliegt einmal mehr Luftangriffe in Syrien, um den mit dem Assad-Regime verbündeten Erzfeind Iran zu treffen. Die ersten Luftangriffe hatte Israel im Nachbarland bereits am Beginn des Krieges geflogen.
(APA)
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