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„Proleten sind die Zukunft“

Michael-Joachim Heiss als Parade-Proll auf dem Cover von Marcello Dallapiccolas Roman „Malleus Proletarium – Der Proletenhammer“.
Michael-Joachim Heiss als Parade-Proll auf dem Cover von Marcello Dallapiccolas Roman „Malleus Proletarium – Der Proletenhammer“. ©Wann und Wo
Marcello Dallapiccola aus Bregenz beschreibt im Roman „Malleus Proletarum – Der Proletenhammer“ die Abenteuer eines Prolls. Schauspieler Michael-Joachim Heiss aus Hard verkörpert diesen auf dem Titelbild. Die beiden Freunde im Interview über neue Helden ohne Niveau.
Väter des "Proletenhammers"

WANN & WO: Was ist eure Definition von „Prolet“?

Marcello Dallapiccola: Das ist unterschiedlich, je nach Herkunftsland; deutsche Prolls zum Beispiel kennt man aus einschlägigen TV-Serien, unter österreichischen Proleten verstehe ich eher die Leute, die sich am Würstelstand oder an der Tankstelle ansaufen. Gemeinsamkeiten sind geringe Bildung, derbes Auftreten und eine Neigung zum Alkoholismus. Allerdings haben die österreichischen Proleten einen we­­­sentlich „leiwanderen“ Schmäh drauf!

WANN & WO: Wer verkörpert für euch heute den ultimativen Prolet?

Michael-Joachim Heiss: Schwierige Frage; von der Art her passt Dieter Bohlen ganz gut, aber für einen Proleten ist der zu reich. Mario Barth vielleicht, Wayne Rooney und der jüngere von den englischen Prinzen sind auch gute Beispiele. Die haben zwar auch alle viel Kohle, aber Proleten, die kein Geld haben, werden halt nicht so bekannt.

WANN & WO: Auch Proleten-Mode ist längst keine Randerscheinung: Vom Netzhemd über Baggy-Style und Leopardenjäckchen bis Hölzler. Ist der Proll-Lifestyle heute mehr in Mode?

Marcello Dallapiccola: Über Mode traue ich mich nun wirklich keine Aussagen zu machen. Ich meine, als echter Proll definiert man sich mehr über sein Verhalten als über Kleidung. Siehe Dieter Bohlen.

WANN & WO: Wo findet sich in euch ein Prolet?

Marcello Dallapiccola: Ich glaube, nach dem zweiten Bier mit den Jungs kommt bei jedem Mann gern mal der Prolet zum Vorschein. So ist das wohl auch bei mir.

WANN & WO: Nachweislich haben Menschen mit höherem Bildungslevel im Durchschnitt weniger Kinder. Daraus lässt sich schließen: Proleten sind die Zukunft. Glaubt ihr daran?

Marcello Dallapiccola: Das stimmt natürlich, dieser Umstand geht aber meines Erachtens nach auf ein Versagen der Politik zurück. Genau wie beim Einkommen klafft auch bei der Nachkommenschaft die Schere immer weiter auseinander, beides geht zu Ungunsten aller. Die einen sind so mit Karriere beschäftigt, dass sie keine Zeit für den Nachwuchs haben, die anderen haben zwar genug Kinder, können denen jedoch keine Chancen bieten. Von einem wirklichen „Aufstieg“ des Proletariats kann also keine Rede sein, denn so werden lediglich neue Sozialhilfeempfänger gezüchtet.

WANN & WO: Mag sein, dass hier kein Aufstieg sein wird, aber höchstwahrscheinlich ein Anstieg. Könnt ihr euch – wie im Film „Idiocracy“, wo es im Jahr 2500 nur noch Idioten gibt – eine solche Welt vorstellen?

Marcello Dallapiccola: Ich fand den Film sehr interessant, aber doch etwas übertrieben. Vorstellen kann ich es mir allerdings nicht.

WANN & WO: Kann bzw. soll man das Proletentum aufhalten?

Marcello Dallapiccola: Man kann und man soll – unbedingt. Funktionieren kann das nur mittels Bildung.

WANN & WO: In deinem Roman „Malleus Proletarum“ erhält man Einblick ins „Proleten“-Dasein, im TV häufen sich Formate wie „Saturday Night Fever“ & Co. Wieso eignen sich Proleten immer mehr als Stars? Ist das nur die Lust an der Beschränktheit?

Marcello Dallapiccola: Einerseits ja; der makellose, strahlende Held von einst langweilt heute nur noch. Mit einem Underdog, der es doch irgendwie ans Rampenlicht schafft, können sich viele Leute besser identifizieren. In meinem Roman benutze ich diese abgewrackten Figuren, um sie, etwa bei Stammtischgesprächen, durchaus auch Gesellschaftskritik üben zu lassen und zu politisieren. Die Verlierertypen als Spiegel der Gesellschaft sozusagen.

WANN & WO: Wie kommt man auf die Idee, einen Proll-Roman zu schreiben?

Marcello Dallapiccola: Ursprünglich war „Der Proletenhammer“ eine Rubrik für eine Radiosendung, die ich zusammen mit einem Freund bei Radio Proton gemacht habe. Inspiriert dazu wurden wir durch unsere Besuche bei diversen Würstelbuden und heruntergewirtschafteten Vorstadtcafés – wir haben die krassesten Aussagen gesammelt und verlesen. Mit der Zeit gefiel mir das Herumwerkeln an den Skripts so gut, dass ich beschloss, daraus ein Buch zu machen. Die „Extended version“ der Entstehungsgeschichte kann man in meinem Blog machiste.at nachlesen.

WANN & WO: Und wie entstand das Cover?

Michael-Joachim Heiss: Die Idee mit dem Cover kam uns dann mal bei einer unserer Telefon-Sessions; für mich als Schauspieler ist es cool, mich auf diese Art zu präsentieren, für ihn als Autor ist es cool, jemand Bekanntes auf dem Cover zu haben. Als Sahnehäubchen konnten wir dann noch Marcel A. Mayer, der schon öfter mit mir zusammengearbeitet hat, als Fotograf gewinnen. Er war gleich begeistert davon, so ein ungewöhnliches Motiv in Szene zu setzen und hat einen großartigen Job erledigt. Eine schöne kleine Ländle-Connection!

WANN & WO: Proletentum war bis zu einem gewissen Grad sehr männlich – siehe Proll-Helden wie Bruce Willis, Atze Schröder & Co. Muss der Mann roh, vulgär und kulturfern erscheinen, um als Mann zu gelten?

Marcello Dallapiccola: Nein, das glaube ich definitiv nicht. Obwohl ein paar Ecken und Kanten einem Mann sicher nicht schaden. Kulturferne Menschen finde ich allerdings generell ätzend.

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