AA

"Ein Vorarlberger Bordell kommt für mich nicht in Frage"

Michaela (Name von der Redaktion geändert) arbeitet im Geheimen als Prostituierte.
Michaela (Name von der Redaktion geändert) arbeitet im Geheimen als Prostituierte. ©VOL.at/Hartinger
(W&W) Schwarzach - Michaela hat mit ihren 25 Jahren einiges erlebt: Die Dornbirnerin arbeitet aktuell privat als Prostituierte grenznahe in der Schweiz.
Hohenems: Stadtrat gespalten
Das sagen die Hohenemser

Dem geplanten Vorarlberger Bordell steht Michaela skeptisch gegenüber: „Dort zu arbeiten, käme für mich nicht in Frage. Am Ende kennt dich noch jemand! Als Vorarl­bergerin wärst du dem Spott der Umgebung ausgesetzt. Außerdem wage ich zu bezweifeln, dass das schlussendlich im Ländle genehmigt und der ,Segen‘ von oben erteilt wird.“

WANN & WO: Wie kamst du zu deiner Arbeit?

Michaela: Ich habe nach der Schule eine Ausbildung gemacht und war später in der Gastronomie tätig. Das Geld war damals schon knapp, nach der Trennung von meinem damaligen Freund war ich praktisch obdachlos. Ich lebte einige Monate lang bei Freunden. Da stieß ich im Internet auf eine Seite für private Sex-Kontakte. Dort inserieren alle, die mit Sex Geld verdienen bzw. die welches dafür ausgeben wollen. Mir fiel die Anzeige eines Mannes auf, der eine Begleitung für einen Swingerclub suchte.

WANN & WO: Auf diese Anzeige hast du dich gemeldet?

Michaela: Ich traf mich mit ihm, er war Mitte 30, sympathisch. Aber ein Besuch im Swingerclub am ersten Abend – das war mir doch zu viel. Stattdessen ging ich mit ihm in ein „Seitensprungzimmer“, das in Vorarl­berg vermietet wird. Das war sozusagen mein erster „Termin“. Er zahlte das Zimmer und 100 Euro. Das war relativ wenig, aber fürs erste Mal okay – und ich fand es auch irgendwie schön. Ich sah das nicht als Arbeit, sondern auf eine Art wie einen One-Night-Stand. Er war nett, höflich und ging auch auf meine Bedürfnisse ein.

WANN & WO: Das war aber noch mehr privat als beruflich. Wie kam es zum Übergang?

Michaela: So fing es praktisch an, ich fand Gefallen daran und ich machte weiter. Dazu mietete ich mir ein Zimmer, in dem ich Männer empfing und das immer noch tue. Ich hatte auch eine Beziehung. Als Betrug empfand ich die Arbeit nicht – wenn ich Geld für Sex nehme, ist es für mich kein Betrügen. Genug Männer wollen nicht unbedingt den Sex, manche reden einfach nur, wollen kuscheln beziehungsweise eine Frau spüren.

WANN & WO: Was ist deine Motivation dafür?

Michaela: Wenn du vorher nichts hattest – also 300 Euro Arbeitslose – und du plötzlich an einem Tag oder vielleicht sogar in einer Stunde verdienen kannst, was du davor im Monat hattest, ändert das deine Sichtweise. Früher konnte ich mir nichts leisten, jetzt erfülle ich mir meine materiellen Wünsche einfach, kann sogar in den Urlaub gehen. Bei dem Verdienst kann kaum eine bürgerliche Arbeit mithalten.

WANN & WO: Ist die Arbeit nicht sehr fordernd?

Michaela: Das Klischee ist, zu Prostituierten kommen nur alte, fette, hässliche Männer. Dem ist nicht so, ich hatte viele gutaussehende, teilweise 20-jährige. Für mich ist das einfach und unkompliziert. Man hat eine gute Zeit und wenn es fertig ist, ist es fertig. Ich dusche mich danach und bin wieder ich. In einem Bordell würde ich nicht arbeiten wollen. Ich habe mich da schon schlau gemacht, aber das schien mir auf eine Art unpersönlich, die mir nicht liegt. Irgendwo möchte ich schon wissen, welcher Mensch mir da gegenüber steht. Ich gebe mich auch eher sportlich und ungeschminkt, wie ich bin. Natürlich. Vielleicht mögen die Männer gerade das an mir. Und den Vorarlberger Dialekt (lacht).

WANN & WO: Hast du keine Angst vor Übergriffen?

Michaela: Den Sicherheitsaspekt eines Bordells benötige ich nicht. Mein Arbeitszimmer ist in einem Haus, wo man mich kennt. Wenn etwas wäre, müsste ich nur schreien. Ich denke, das ist unausgesprochen auch meinen Besuchern bewusst. Hausbesuche wären mir zu gefährlich. Auch auf meine Ge-sundheit achte ich selbst – ohne Kondome geht nichts. Auch wenn das viele wollen.

WANN & WO: Wie siehst du deine Zukunft?

Michaela: Ich würde gerne mit meinem Freund zusammen ziehen, um die glückliche Bezeihung, die ich jetzt führe, fortzusetzen. Ob das in Vorarlberg oder in der Schweiz sein wird, spielt keine Rolle. Falls ich eine neue Chance im Berufsleben bekäme, würde ich die jetzige Arbeit sofort aufgeben. Wenn man mich fragt, was ich am liebsten tun würde: Anfangen zu schreiben. Ich denke, das könnte ich gut.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • "Ein Vorarlberger Bordell kommt für mich nicht in Frage"