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Vorarlberg: Finale des 20. Philosophicum Lech

Das 20. Philosophicum in Lech.
Das 20. Philosophicum in Lech. ©Philosophicum
Beim 20. Philosophicum fanden sich über 800 Interessierte in Lech ein.
Finale des Philosophicums in Lech

Die Vorträge der beiden letzten Tage des 20. Philosophicum Lech verdeutlichten die Aktualität des heurigen Themas. Von der Grundfrage der Theologie über die Phänomenologie des Luxus bis hin zu einem humanistischem Gottesbild im Islam oder auch einer „Sinndefizitbewirtschaftung“ reichten die Reflexionen „über Gott und die Welt“. In interdisziplinärer Diskussion widmeten sich die Referenten und Zuhörer einem intensiven Gedankenaustausch im aparten Alpendorf am Arlberg. 

Dank an Mitwirkende

Bevor der Bürgermeister von Lech Ludwig Muxel das Thema des kommenden Jahres bekanntgab, bedankte er sich bei allen Mitwirkenden des 20. Philosophicum Lech. Nach Würdigung der Verdienste des wissenschaftlichen Leiters Konrad Pauls Liessmann sowie der Exzellenz der Referenten richtete er seinen Dank nicht zuletzt auch an die Teilnehmer. Über 800 Interessierte fanden am philosophisch-literarischen Vorabend und über die vier Tage der Veranstaltung hinweg den Weg in den Tourismusort am Arlberg.

Treue Besucher

Der hohe Anteil an treuen Besuchern des Symposiums spricht für sich. Seit dem Start 1997 stieg das Interesse kontinuierlich. So früh ausgebucht wie im heurigen Jahr war das Philosophicum Lech noch nie. Und auch in Wissenschaftskreisen genießt es offenbar hohe Reputation, hinterlässt die interdisziplinäre Veranstaltung doch bleibenden Eindruck. So sprach etwa der emeritierte Professor für Philosophie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Christoph Türcke diesmal von einem „phänomenalen Event“. Auch aufgrund dessen gelingt es Liessmann alljährlich höchst angesehene Vertreter ihres Fachs als Referenten zu gewinnen. Heuer war die eine Hälfte davon zum ersten Mal, die andere erneut dabei, wie der wissenschaftliche Leiter auf sein Auswahlprinzip anlässlich des Jubiläums verwies. Kontinuität im Anspruch traf wie gewohnt auf transdisziplinäre Abwechslung, fundierte wissenschaftliche Erörterung auf gesellschaftliche Aktualität.

Abschlussvortrag von Rüdiger Safranski

Zu jenen, die nicht erstmalig in Lech diskutierten, zählt der renommierte Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Honorarprofessor für Philosophie Rüdiger Safranski. Er hatte das Philosophicum vor 19 Jahren mit aus der Taufe gehoben und machte sich auch als langjähriger Juror des Tractatus, des seit 2009 verliehenen hochdotierten Essay-Preises des Philosophicum Lech, verdient. Dass er heuer den Abschlussvortrag hielt, schloss hinsichtlich des Jubiläums symbolisch den Bogen und brachte zudem nochmals die fundamentalen Fragestellungen der diesjährigen Tagung auf den Punkt. Dass sich in unserer säkularisierten Gesellschaft „der Wille zum Glauben“ – so der Titel des Vortrags – etwa als spirituelle Freizeitgestaltung, als Moralverstärkung und als emotionale Investitionen in den gesellschaftlichen Zusammenhang, sprich als „Sinnbeschafffung und Sinndefizitbewirtschaftung“ findet, war nur ein Aspekt seiner Analyse.

“Philosophie ist Dialektik”

Bereits am Vorabend hatte sich Safranski an der Publikumsdiskussion beteiligt, was das wechselseitige Interesse der Referenten an den Ausführungen ihrer Kollegen illustriert. „Philosophie ist im Wesentlichen Dialektik, das heißt der Austausch von Gründen mit dem Ziel der Wahrheitsfindung“, hatte schon am Vormittag Markus Gabriel, Professor für Erkenntnistheorie, Philosophie der Neuzeit und Gegenwart an der Universität Bonn, zum Dialog mit seinem Vorredner angemerkt. Holm Tetens, emeritierter Professor für Theoretische Philosophie, hatte den Vortragsreigen am Samstag mit einer logisch-philosophischen Herleitung der Relevanz des Gottesgedankens eingeläutet. „Was wäre denn sonst der Mühe wert zu begreifen, wenn Gott unbegreiflich ist?“ lautete sein Plädoyer, während Markus Gabriel mit seinen erkenntnistheoretischen Überlegungen unter dem Titel „Wenn es die Welt nicht gibt, kann es dann Gott geben?“ gewissermaßen die Spielregeln definierte, auf welche Weise man vernünftig über Gott und die Welt reden kann.

Paradoxer Befund

Am Samstagnachmittag referierte dann zunächst Lambert Wiesing über „Luxus – eine Weltbeziehung“. Als „einer der wichtigsten Philosophen und Phänomenologen im deutschsprachigen Raum“, so Liessmann, widmete sich der Professor für Bildtheorie und Phänomenologie in seinem Vortrag der dritten Instanz – neben Philosophie und Religion – zur Reflexion grundlegender Fragen, nämlich der ästhetischen Erfahrung. „Der Luxus bietet sich angesichts einer von Zweckrationalität dominierten Gesellschaft für Menschen als ein Weg an, ästhetisch zu erfahren, was es heißt, ein Mensch zu sein“, lautete seine Hauptthese. Das darauf folgende Referat von Peter Strasser, Professor für Philosophie und Rechtsphilosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz, führte zu einem paradoxen Befund, angelehnt an ein Zitat aus dem Roman „Moviegoer“ von Walter Percy: „Eine denkwürdige Nacht. Die einzige Schwierigkeit: das Universum war geordnet, und ich war übriggeblieben.

Über Barmherzigkeit und Freiheit

Mit besonderem Interesse wurde von vielen der erste Vortrag am Sonntagvormittag von Mouhanad Korchide erwartet. Der Professor für Islamische Religionspädagogik und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster erlangte in den vergangenen Jahren mit Büchern wie „Scharia – der missverstandene Gott. Der Weg zu einer modernen islamischen Ethik“ (2013) oder „Gott glaubt an den Menschen: Mit dem Islam zu einem neuen Humanismus“ (2015) Bekanntheit. Unter dem Titel „So fern und doch so nah. Wie verschiedene Gottesvorstellungen unsere Welt prägen“ erläuterte er diverse Gottesbilder im Islam und betonte: „In meiner Theologie mache ich mich aus einer islamischen theologischen Perspektive für das Konzept eines barmherzigen Gottes stark, der an den Menschen glaubt, ihm vertraut und ihn mit Freiheit ausstattet.“ Indem man Freiheit zulasse, verwirkliche man seine eigene Freiheit, indem man Freiheit verhindere, verhindere man seine eigene Freiheit – so eine seiner Argumentationen für die Vorstellung von einem „humanistischen Gott“.

Vorarlberg-Brunch zum Abschluss

Der abschließenden Diskussion der Beiträge von Korchide und Safranski folgte der traditionelle Vorarlberg-Brunch. Bei schönstem Herbstwetter und umrahmt von der Lecher Bergwelt wurde der kulinarische Genuss von anregenden Gesprächen begleitet. Insbesondere über das Thema des nächsten Philosophicum Lech, das vom 20. bis 24. September 2017 stattfindet. „Mut zur Faulheit. Die Arbeit und ihr Schicksal“ lautet der Titel, der wieder ein breites Spektrum an philosophischen Fragen aufwerfen wird. Wer sich die Veranstaltung im kommenden Jahr nicht entgehen lassen will, sollte sich den Start der Online-Anmeldung am 3. April 2017 vormerken

(Philosophicum/Red.)

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