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Ukrainische Offensive gegen prorussische Milizen

Die ukrainische Armee hat gegen alle Warnungen aus Moskau die prorussischen Separatisten im Osten des Landes angegriffen. Nach den Gefechten rund um Slawjansk beklagten am Freitag beide Seiten Tote und Verletzte. Auch in der Schwarzmeerstadt Odessa gab es Tote bei Krawallen. US-Präsident Obama und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel drohten Moskau indes mit schärferen Sanktionen.
Dramatische Eskalation
Kampf um Slawjansk
Separatisten auf dem Vormarsch
Ostukraine: Kiew verliert Kontrolle
Kiew: "Militär ist in Alarmzustand"
"EU steht unter Fuchtel der USA"


Kremlchef Putin sagte, die Offensive zerstöre die “letzte Hoffnung” auf eine diplomatische Lösung, offenbar sei Kiew nun im Kampfmodus. Obama forderte dagegen Russland auf, die Separatisten zum Aufgeben zu bewegen. Russland müsse rasch mit weiteren Sanktionen rechnen, sollte sich die Lage nicht stabilisieren, sagte er nach einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Merkel im Weißen Haus. Merkel sagte, Sanktionen seien “unvermeidbar”, sollte Moskau die ukrainische Präsidentenwahl am 25. Mai torpedieren. Die EU sei auf die dritte Sanktionsstufe (Wirtschaftssanktionen) “vorbereitet”, sagte sie. “Es ist uns ernst.”

Der Westen wirft Russland vor, die Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen und hat deswegen Sanktionen gegen Moskau verhängt. Prorussische Aktivisten halten dort seit Wochen Dutzende Verwaltungsgebäude besetzt und fordern mehr Autonomie für die Region. Der ukrainische Präsident Turtschinow berichtete, dass in der Nacht auch bewaffnete russische Saboteure in die Ukraine eindringen wollten. Sie seien von ukrainischen Grenztruppen zurückgedrängt worden. Diese Angaben wurden vom russischen Geheimdienst FSB umgehend dementiert.

Die Führung in Kiew befürchtet, dass Putin seine Truppen in die Ost- und Südukraine einmarschieren lassen könnte – unter dem Vorwand, wie auf der Krim russische Bürger oder Interessen schützen zu müssen. Ein Mandat für diesen Fall hatte sich der Präsident bereits vom Parlament geben lassen. Moskau hält im Gegenzug der EU und den USA vor, die Regierung in Kiew zu den jüngsten Angriffen ermuntert zu haben.

Übergangspräsident Alexander Turtschinow sagte am Abend, die Militäroffensive sei ins Stocken geraten. Grund sei, dass die “Terroristen” sich in bewohnten Gebieten verschanzten und Zivilisten als Schutzschilde missbrauchten. Die Einsatzkräfte hätten aber alle Stellungen um die Stadt herum in ihre Gewalt gebracht und dem Gegner “schwere Verluste” zugefügt. Es habe “viele Tote” gegeben. Auf eigener Seite seien zwei Soldaten getötet und sieben verletzt worden.

Das ukrainische Verteidigungsministerium erklärte, “Terroristen” hätten mit tragbaren Flugabwehrraketen zwei Kampfhubschrauber vom Typ Mi-24 abgeschossen. Dabei seien zwei Besatzungsmitglieder getötet und weitere verletzt worden. Später seien vier mutmaßliche Schützen festgenommen worden. Das Ministerium veröffentlichte Fotos von vier gefesselten Männern in Zivilkleidung mit über den Kopf gestülpten Säcken.

Die Separatisten berichteten, dass mehrere ihrer Kämpfer getötet worden seien. Schon in den vergangenen Wochen hatte es bei ähnlichen Militäreinsätzen gegen Separatisten in der Region Tote und Verletzte gegeben.

Putin empörte sich nach Angaben seines Sprechers, die Führung in Kiew habe in den Kampfmodus geschaltet und greife friedliche Siedlungen an. Der russische Regierungschef Medwedew schrieb auf Twitter, die Regierung in Kiew müsse die “Ermordung ihrer Bürger” stoppen. Das russische Außenministerium sagte, eine friedliche Krisenlösung werde unwahrscheinlicher.

Der UNO-Sicherheitsrat kam am Freitag in New York auf Drängen Russlands zu einer weiteren Sondersitzung zusammen. UNO-Generalsekretär Ban teilte mit, dass er kommende Woche seinen Stellvertreter Jeffrey Feltman zu Gesprächen nach Moskau und Kiew entsenden werde. Ban äußerte sich “zutiefst besorgt” über die sich verschlechternde Situation im Osten und Süden der Ukraine.

In Slawjansk werden seit einer Woche sieben Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) festgehalten, darunter vier Deutsche. Milizenführer Wjatscheslaw Ponomarjow sagte der “Bild”-Zeitung, die Geiseln seien trotz der Gefechte nicht in Gefahr. Sie seien an einem “sicheren Ort außerhalb der Kampfzone”.

Der Angriff habe alle Gespräche über einen eventuellen Austausch gegen gefangene Gesinnungsgenossen “zunichte gemacht”, wurde Ponomarjow später von Ria Nowosti zitiert. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erklärte, sie sei angesichts der jüngsten Entwicklungen “in großer Sorge” um die OSZE-Inspektoren.

Auch in der Millionenstadt Odessa im Süden, wo es bisher vergleichsweise ruhig war, eskalierte die Gewalt. Bei Straßenschlachten zwischen ukrainischen und prorussischen Demonstranten wurden laut Polizei vier Menschen getötet; ein Opfer wurde erschossen.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger äußerte sich besorgt, dass die russischen Gaslieferungen in die Ukraine und in die EU nur noch bis Ende Mai gesichert sind. Dies sagte er in Warschau nach Gesprächen mit den Energieministern Russlands und der Ukraine. Obama sagte dazu, ein Stopp russischer Gas- und Öllieferungen sei “unrealistisch”. Selbst in der schlimmsten Zeit des Kalten Krieges seien russische Energielieferungen an Europa weiter geflossen.

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