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Ukraine-Krise: Putin fordert Verschiebung von Referendum

Tote auf beiden Seiten: Russland fordert Ende des ukrainischen Militäreinsatzes - Poroschenko verteidigt Vorgehen
Tote auf beiden Seiten: Russland fordert Ende des ukrainischen Militäreinsatzes - Poroschenko verteidigt Vorgehen ©AP
Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Verschiebung des umstrittenen Referendums in der Ostukraine über eine Unabhängigkeit an diesem Sonntag gefordert. Es müssten erst die Bedingungen dafür geschaffen werden. Außerdem gab Putin am Mittwoch bekannt, dass das Militär von der Grenze zur Ukraine abgezogen wurde.

Sofort nach Putins Aufruf betonten die Separatisten, den Vorschlag des Kremlchefs prüfen zu wollen. Am Donnerstag werde dies bei der geplanten Volksversammlung beraten, sagte Denis Puschilin, einer der Anführer der von den Separatisten ausgerufenen Volksrepublik Donezk, der Nachrichtenagentur Reuters. “Wir haben höchsten Respekt vor Putin”, sagte Puschilin. “Wenn er meint, dass es nötig ist, werden wir das natürlich diskutieren.” Putin äußerte seine Forderung gegenüber der Agentur Interfax nach einem Treffen mit dem derzeitigen OSZE-Vorsitzenden und Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter in Moskau.

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Abspaltungsreferendum am 11. Mai

Die moskautreuen Kräfte in den russisch geprägten Gebieten Donezk und Lugansk (Luhansk) wollen am Sonntag (11. Mai) in einer Volksabstimmung klären lassen, ob es eine Abspaltung von Kiew geben soll. Sie wollen als eigene Volksrepubliken fortbestehen. Wie die USA kündigte auch Deutschland an, eine solche Abstimmung nicht anzuerkennen.

Putin fordert Ende der Militärgewalt

Gegenüber Interfax forderte Putin zudem die Entwaffnung extremistischer regierungstreuer Gruppierungen sowie ein Ende der Gewalt. Er forderte besonders die Führung in Kiew auf, umgehend ihre “Anti-Terror-Operation” im Osten einzustellen. Für die Abhaltung der ukrainischen Präsidentenwahlen, die für 25. Mai geplant sind, sei ein Ende der Gewalt die notwendige Voraussetzung, betonte Putin. Auch die OSZE verlangte angesichts der Gewalt in der Ost- und Südukraine einen Waffenstillstand.

Putin begrüßte die von Russland seit langem geforderte Freilassung des “Volksgouverneurs” des Gebiets Donezk, Pawel Gubarew, der als politischer Hoffnungsträger gilt. “Wir erwarten die Freilassung aller politischen Gefangenen”, sagte Putin.

“Dialog Schlüssel für ein Ende der Krise”

Ein Dialog zwischen der Übergangsregierung in Kiew und den Separatisten im Südosten des Landes sei der Schlüssel für ein Ende der Krise, zeigte sich Putin überzeugt. Der ukrainische Übergangschef Arseni Jazenjuk betonte hingegen, dass die Präsidentenwahl als Ausweg aus der Krise gelte und der “Schlüssel für die Stabilisierung” sei. Kiew und der Westen werfen Russland vor, die Wahl am 25. Mai torpedieren zu wollen. Die Regierung in Moskau erkennt die Übergangsregierung in der Ex-Sowjetrepublik nicht an. Sie fürchtet nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch im Februar um ihren Einfluss in dem Land und der Region. Die prowestliche Regierung in Kiew wirft Moskau “Kriegstreiberei” vor. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll einen fairen Wahlverlauf mit gut 1.000 Beobachtern sicherstellen.

Wieder Gefechte im Osten der Ukraine

Zuvor war es am Stadtrand von Slawjansk nach Angaben der Gegner der pro-westlichen Kiewer Regierung zu zwei schweren Explosionen gekommen. Über mögliche Opfer war zunächst nichts bekannt. Die Gefechte konzentrierten sich auf den Fernsehturm im Stadtteil Andrejewka, der am Montag von Einheiten der Kiewer Führung eingenommen worden war. “Wir erobern die Kontrollposten zurück”, behauptete ein Separatistensprecher. Eine Bestätigung der Regierung für die neuen Kämpfe gab es zunächst nicht. Bewohner berichteten von Sturmgeläut als Warnung, sich in Sicherheit zu bringen.

Kämpfe gab es auch in der Hafenstadt Mariupol nahe der Grenze zu Russland. Medienberichten zufolge hat dort die Nationalgarde nach heftigen Kämpfen in der Nacht auf Mittwoch das von Separatisten besetzte Rathaus zurückerobert. Die Rebellen hatten zuvor die wichtigste Straße der ostukrainischen Stadt mit brennenden Reifen und einem angezündeten Bus blockiert.

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Gegen die 120.000-Einwohner-Stadt Slawjansk im Norden des Gebiets Donezk gehen Regierungstruppen seit Tagen mit Panzerfahrzeugen und schwerer Gefechtstechnik vor. Bei der “Anti-Terror-Operation” im russisch geprägten Osten des Landes starben nach Informationen beider Seiten bereits zahlreiche Menschen, Dutzende wurden verletzt.

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Poroschenko verteidigt Vorgehen

Der aussichtsreiche ukrainische Präsidentschaftskandidat Petro Poroschenko indes verteidigte den gewaltsamen Einsatz der Sicherheitskräfte gegen pro-russische Separatisten. “Für Terroristen müssen wir eine Sprache finden, die sie verstehen, und das ist Druck”, so Poroschenko bei einem Besuch in Berlin. “Es ist unser oberstes Ziel, Recht und Ordnung wiederherzustellen”, fügte er hinzu.

“Manche Separatisten geisteskrank”

Die Beteiligung von pro-russischen Milizen an neuen internationalen Friedensgesprächen, wie von Russland gefordert, lehnte Poroschenko ab. Die ukrainische Führung sei zu keinen Verhandlungen mit “Terroristen” bereit, betonte er. “Das sind ganz einfach Terroristen. Manche von ihnen sind geisteskrank.”

Poroschenko sagte, das ukrainische Volk habe einen “legitimen Repräsentanten” für neue Gespräche in Genf, nämlich Außenminister Andrej Deschtschiza. Dieser hatte am Dienstag in Wien betont, dass er die gesamte Ukraine repräsentiere. Dem von Lawrow kurz zuvor geäußerten Vorschlag, die Separatisten zu einem möglichen Genf 2-Treffen einzuladen, erteilte er eine Absage, indem er sich gegen Änderungen des Genfer-Formates aussprach. Außerdem müsse Moskau zuerst zusichern, die Vereinbarungen des ersten Genfer Abkommens vom 21. April umzusetzen, wie er im APA-Interview erklärte. Lawrow seinerseits warf der Kiew vor, die Vereinbarungen nicht einzuhalten.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow (l.) und der ukrainische Außenminister Andrij Deschtschiza (Deschtschyzja) (r.), am Montag, 5. Mai 2014, im Rahmen der Sitzung des Ministerkomitees des Europarates im Palais Niederösterreich in Wien. Foto: APA
Der russische Außenminister Sergej Lawrow (l.) und der ukrainische Außenminister Andrij Deschtschiza (Deschtschyzja) (r.), am Montag, 5. Mai 2014, im Rahmen der Sitzung des Ministerkomitees des Europarates im Palais Niederösterreich in Wien. Foto: APA ©Lawrow (l.) und Deschtschiza (r.), am Montag im Rahmen der Sitzung des Ministerkomitees des Europarates in Wien. Foto: APA

EU offen für 2. Genfer Konferenz mit Russland

Die EU gab sich indes offen für eine zweite Genfer Krisenkonferenz. “Wir arbeiten mit unseren Kollegen daran”, sagte Ratspräsident Herman Van Rompuy in Brüssel. Mehrmals bekräftigte er zudem, dass die EU in Hinblick auf Sanktionen gegen Moskau für neue Entscheidung bereit sei, “wenn dies notwendig ist”. Auch Poroschenko forderte neue Sanktionen des Westens gegen Russland, falls es am Sonntag im Osten der Ukraine ein “Referendum” über eine Loslösung vom Rest des Landes geben sollte. “Wenn Russland dieses Referendum unterstützt, brauchen wir unbedingt eine abgestimmte Antwort über eine dritte Welle von Sanktionen.” Für die geplante Befragung über eine eigene “Volksrepublik Donezk” am 11. Mai gebe es “keinerlei gesetzliche Grundlage”.

Lawrow: Europa verschließt Augen vor “Faschismus”

Lawrow warf dem Westen vor, den Aufstieg des “Faschismus” in der Ukraine auszublenden. Zugleich forderte er am Mittwoch eine umfassende Untersuchung des Todes mehrerer dutzender Gegner der ukrainischen Übergangsregierung am vergangenen Freitag in Odessa. Europa habe viele Jahre lang die Augen davor verschlossen, dass die “faschistische Ideologie” ständig neue Anhänger gewinne, sagte Lawrow während einer Veranstaltung in Moskau. “Was in Odessa am 2. Mai geschah, das war reiner Faschismus”, fügte Lawrow hinzu. Er bezog sich auf die Ereignisse in der Schwarzmeerstadt im Süden des Landes, wo sich pro-russische Kräfte im Gewerkschaftshaus verschanzt hatten und bei einem daraufhin von pro-westlichen Aktivisten verursachten Brand fast 40 Menschen starben.

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Rehn rechnet mit “langer Phase der Spannungen”

Europa müsse sich auf eine “lange Phase der Spannungen zu Russland einstellen”, betonte der aus Finnland stammende EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, Olli Rehn, in der “Rheinischen Post” (Mittwoch-Ausgabe). Auch die Beziehungen zwischen der NATO und Russland befinden sich infolge des Ukraine-Konfliktes in der schwierigsten Phase seit Ende des Kalten Krieges. Als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Krim durch Russland hatte das Bündnis bereits eine befristete verstärkte Präsenz in östlichen Mitgliedstaaten wie Polen und den Baltischen Staaten beschlossen.

Osteuropa: NATO erwägt dauerhafte Truppenpräsenz

Der NATO-Oberkommandant, General Philip Breedlove, brachte nun sogar die dauerhafte Stationierung von Truppen in Osteuropa ins Gespräch. Eine Militärpräsenz in an Russland angrenzenden Ländern sei angesichts des Verhaltens Moskaus “etwas, was wir in Betracht ziehen müssen”, sagte der US-General.

(APA/red)

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