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Typenbildung

Bauen im Dorf hat mit Verantwortung zu tun. Jedes Haus prägt das dörfliche Gefüge für Jahrzehnte.
Bauen im Dorf hat mit Verantwortung zu tun. Jedes Haus prägt das dörfliche Gefüge für Jahrzehnte. ©Albrecht Imanuel Schnabel
Mellau - Längst kein Einzelfall mehr. Es ist schon beinah ein Gebäudetypus. Klare Formen, kompakter Baukörper, große Fenster, Schindelfassade. Der moderne Holzbau hat zwar viele Gesichter – dieses hier ist eindeutig zu identifizieren und zu verorten. Mit Qualität und aus hochwertigem Material wurde hier ein weiteres Beispiel einer Entwicklung geschaffen, die das Bild des Bregenzerwaldes heute zu einem Gutteil prägt.
Mellau: Haus Übelher

Wer durch das Ortsgebiet von Mellau fährt, sieht, wie sehr sich dieser Gebäudetyp schon ausgebreitet hat. Zahlreiche neue Holzbauten, nicht alle gleich in der Ausführungsqualität, aber sichtbar einem Anspruch folgend, haben sind im Ortsgebiet verstreut. Hinter dieser mittlerweile schon tradierten Bauform stehen große Themen: Der natürliche Reichtum der Region mit ihren Holzressourcen, die regionale Wertschöpfung (sowohl Material als auch Arbeitskraft betreffend), der professionelle und vertrauensvolle Austausch zwischen Planer(inne)n und Handwerker(inne)n, die so gemeinsam zu außergewöhnlicher Perfektion in der Materialverarbeitung kommen, das Bekenntnis zu Holz als nachwachsendem Baustoff und damit auch eine umweltbewusste Haltung, die sich im Streben nach Energieeffizienz ausdrückt. Dazu kommen klare Formensprachen, die die Materialien in den Vordergrund rücken und pragmatisch und dennoch äußerst elegant und schnörkellos das Gebäude im Kontext von Landschaft und dörflicher Umgebung verorten. Unweit des Hauses Übelher findet sich der Standort von Hermann Kaufmanns Haus N. (1997). Vorfertigungsweise, beachtliche baubiologische Kennzahlen und eine konsequente Innenraumplanung im Sinne einer einheitlichen Gestaltung sind zum Vorbild geworden. Heute, fast 20 Jahre später, ist der Bregenzerwald Modellregion für den modernen Holzbau.

So hat auch Jürgen Haller gemeinsam mit Peter Plattner und der Bauherrenfamilie Übelher in Mellau ein Haus errichtet, das dieser Beschreibung entspricht. „Ich kenne Jürgen Haller schon seit Kindestagen und es war naheliegend, ihn mit der Planung unseres Hauses zu betrauen“, erzählt Thomas Übelher. „Wir waren uns im Klaren über das Raumprogramm und darüber, dass wir ein Holzhaus möchten. Die Beispiele von bereits fertigen Bauten von Jürgen haben uns überzeugt.“ Für Jürgen Haller spielt der Ortsbezug eine wesentliche Rolle. „Bauen im Dorf hat mit Verantwortung zu tun. Jedes Haus prägt das dörfliche Gefüge für Jahrzehnte“, legt der Planer seine Grundhaltung offen. Bauen hat mit dem Leben zu tun.

Eine der größten Entscheidungen war noch vor dem Baubeginn zu treffen. Die Grundstücksfindung war nicht einfach, denn der Boden, auf dem das Haus errichtet wurde, ist durch die Moorlandschaft nur schwer zu bebauen. Es mussten zunächst auf Gemeindeebene Entscheidungen getroffen werden, die die gesamte Dorfentwicklung betreffen. So wurde das Bauland zusammen mit weiteren Parzellen im Sinne der dörflichen Siedlungsentwicklung erschlossen. „Der Bau selbst war dann absolut unkompliziert. Wir wussten, was wir wollen.“ Der kompakte Baukörper ist in drei Ebenen unterteilt. Die Kellerzone, die zunächst nur als Teilunterkellerung geplant war, aufgrund der Bodenverhältnisse schließlich aber als Vollunterkellerung durchgeführt wurde, beherbergt Büro-, Abstellund Technikräume. Ein Raum mit fast 50 m2 bleibt als Raumreserve für zukünftige Bedürfnisse. Im Erdgeschoß erschließt sich über einen breiten Gang der offene Koch-, Ess- und Wohnbereich. Das Obergeschoß mit zwei Balkonen wurde für die privaten Rückzugsräume, Schlafund Kinderzimmer sowie Gästezimmer, ausgestattet und überrascht mit außergewöhnlichen Raumhöhen. Auf einen Dachboden verzichtete man, sodass Struktur und Form des Satteldaches mit seinen Schrägen auch die Innenräume kennzeichnet.

Die Innenraumgestaltung wurde im Sinne eines einheitlichen Konzeptes ebenso mitgeplant. Auch Küche und Bäder nehmen sich in der Materialität stark zurück. „Wir geben dem Holz den Vorrang. Die Wände sind in Weiß gehalten, ebenso die Küche. So erzeugen wir Beruhigung in den Räumen, die hauptsächlich von einem Aufnehmen der Natur in den Raum leben.“ Durch die großen Fenster fällt der Blick vom Küchentisch auf die beeindruckende Silhouette der Kanisfluh, anderswo verliert er sich auf den weiten Feldern, von denen das Haus umgeben ist. Von Bedeutung war die Platzierung der Fensteröffnungen, denn Sonne ist im Winter hier Mangelware. Im Dezember sind den Bauherren nur ein paar Minuten gegönnt. Eine der zentralen Aufgaben war es damit, Licht ins Haus zu bringen, wo immer möglich. Aus dieser Situation entstand ein Wohnraum, der auf zwei Seiten voll verglast ist.

Neben den Fensteröffnungen, die auch gestalterisch gut platziert wurden, ist der Bau von außen vor allem durch Weißtannenschindeln geprägt, die dauerhaft nachdunkeln und an Patina gewinnen werden. Abgeschlossen wird die Fassade von einem kantenbündigen Satteldach aus Blech. Wer die Garage sucht, denkt zunächst an den Betonkubus vor dem Haus, der jedoch als Abstellraum fungiert. Die Garage selbst ist hinter der Schindelfassade versteckt, direkt in den Baukörper integriert. Entlang der seitlichen Achse führt eine Betontreppe zu einem separaten Eingang, der den Bürobereich im Halbkeller und den Technikraum erschließt, wo die Haustechnik mit Sole-Wärmepumpe ihren Ort findet und Handwerker und Techniker direkt ein- und ausgehen können, ohne die Wohnräume betreten zu müssen.

Daten & Fakten

Objekt: Haus Übelher Mellau
Eigentümer/Bauherr: Sigrid und Thomas Übelher
Architektur: Jürgen Haller/Peter Plattner, Mellau, juergenhaller.at

Ingenieure/ Fachplaner: Statik Stahlbeton-Massivbau: Günther Hammer, Egg; Statik Holzbau: Eric Leitner, Schröcken; Möbelplanung, Bauleitung: Jürgen Haller, Mellau

Planung: 2/2010– 10/2010
Ausführung: 10/2010–7/2011
Grundstücksgröße: 840 m²
Wohnnutzfläche: 208 m²
Keller: 160 m²

Bauweise: Kellergeschoß in massivem Stahlbeton, Obergeschoße in Holzbauweise, ausgedämmte Holzriegel-Elemente mit Schalung und Gipskarton oder Weißtannentäfer beplankt, massive Dübelholzdecken mit abgehängter Weißtannen-Täferdecke, Satteldach mit Edelstahlblech-Eindeckung, Schindelfassade und Fenster und Verglasungen in Weißtanne, Eichendielen als Bodenbelag, Heizung mit Wärmepumpe (Erdsonde) und Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung

Besonderheiten: Heizkamin im Wohnzimmer; integrierte Wandschränke; Garderobe und Küche: Sonderfertigung durch Tischler; Ausführung mit großem Anteil Eigenarbeit

Ausführung: Erdarbeiten: Felder, Mellau; Baumeister: Metzler Bau, Schwarzenberg; Zimmerer: Huber, Mellau; Fenster: Alexander Beer, Schnepfau; Dachdecker: Rusch, Bregenz; Schindelarbeiten: Wälder Schindeler, Mellau; Heizung/Lüftung/Sanitär: Siegfried Steurer, Bersbuch; Elektroinstallationen: Albrecht, Mellau; Tischlerarbeiten, Innentüren: Werner Übelher, Bizau; Andreas Flatz, Egg; Ofen: Anton Beer, Schoppernau; Estrich: Vigl & Strolz, Schoppernau; Fußboden/Parkett: Stipo, Bezau; Treppenbau: Andreas Flatz, Egg

Energiekennwert: 20 kWh/m² im Jahr

Quelle: VN/ Leben & Wohnen

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