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Tugce ist tot: Lebenserhaltende Maschinen sind abgeschaltet

R.I.P Tugce: Am Freitagabend, ihrem 23. Geburtstag, wurden die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt.
R.I.P Tugce: Am Freitagabend, ihrem 23. Geburtstag, wurden die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt. ©EPA
Offenbach. Sie wollte einen Streit schlichten. Sie bewies Zivilcourage. Nun ist sie tot. Tugce lebt nicht mehr, die lebenserhaltenden Maschinen wurden am Freitagabend, ihrem 23. Geburtstag, abgeschaltet. Hunderttausende nehmen Anteil am tragischen Tod der jungen Studentin. Indes laufen die Ermittlungen zu den Hintergründen der Prügelattacke weiter. Wo sind die Zeuginnen, die berichten könnten, wie der Streit eskalierte?
Abschied von Tugce

Die Studentin Tugce A, die vor zwei Wochen Opfer einer Prügelattacke wurde und ins Koma fiel, ist tot. Am Freitagabend wurden die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet, wie die Polizei am Samstagmorgen mitteilte. Vor der emotionalen Trauerfeier mit mehreren hundert Teilnehmern in Offenbach hatten die Eltern der jungen Frau diesen Schritt ankündigen lassen. Eine offizielle Stellungnahme des Klinikums in Offenbach gab es am Samstag zunächst nicht.

Studentin wird Opfer von Prügelattacke und fällt ins Koma

Die junge Frau war bei der Prügelattacke Mitte November vor einem Schnellrestaurant so heftig geschlagen worden und anschließend gestürzt, dass sie ins Koma fiel und für hirntot erklärt wurde. Nach Erkenntnissen der Polizei hatte sie versucht, einen Streit in dem Restaurant zu schlichten.

18-Jähriger räumt Schlag ein

Gegen den mutmaßlichen Täter, einen 18-Jährigen, wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. In einem ersten Verhör habe er den Schlag eingeräumt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Seitdem schweigt er und sitzt in Untersuchungshaft.

Von den Zeuginnen fehlt jede Spur

Von den beiden Mädchen, denen Tugce offenbar vor dem Streit helfen wollte, fehlt noch immer jede Spur. Die Polizei sucht sie als wichtige Zeuginnen.

Hunderte nehmen Abschied

Mit hunderten Kerzen, weißen Luftballons und Klaviermusik nahmen die Trauernden vor dem Klinikum Offenbach Abschied von der jungen Frau. Rund 1500 Menschen waren gekommen. Auf dem Rasen vor der Klinik, in der die Studentin ihre letzten Tage verbrachte, verharrten sie am Freitagabend mehr als eine Stunde im stillen Gedenken an die Studentin.

Rund 1500 Menschen waren gekommen, um von Tugce Abschied zu nehmen. Foto: AP
Rund 1500 Menschen waren gekommen, um von Tugce Abschied zu nehmen. Foto: AP ©Rund 1500 Menschen waren gekommen, um von Tugce Abschied zu nehmen. Foto: AP

Ein Meer von Kerzen als Erinnerung

Ein Meer von Blumen, Kerzen und Plakaten mit Fotos von Tugce bleiben an diesem Abend als Erinnerung an die Studentin, die am Freitag (28.11.) 23 Jahre alt geworden wäre.

Tugces Schicksal bewegt Zehntausende

Auch über Facebook und Twitter hatten Zehntausende von Tugce Abschied genommen und brachten ihre Trauer und Fassungslosigkeit über die Tat zum Ausdruck. Eine Gedenkseite auf dem Netzwerk Facebook wurde von 89 000 Menschen unterstützt, in etlichen Tweets bei Twitter wurde Tugce als “Heldin” und “Engel” gefeiert.

Zur Gedenkseite für Tugce auf Facebook

Verdienstorden für Tugce? Gauck sagt Prüfung zu

In einer Online-Petition fordern mehr als 50 000 Unterstützer das Bundesverdienstkreuz für Tugce, die Zivilcourage gezeigt habe. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte angeregt, Tugce für ihren Einsatz posthum das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. Am Samstag sagte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck einer Prüfung zu. Das teilte Gauck nach dpa-Informationen am Samstag der Internetplattform “change.org” mit. In einem Beileidsschreiben an die Familie betont Gauck, die junge Frau habe “unser aller Dankbarkeit und Respekt verdient”. Sie werde immer ein Vorbild bleiben. “Wo andere Menschen wegschauten, hat Tugce in beispielhafter Weise Mut und Zivilcourage bewiesen.

Weiter heißt es in dem Kondolenzschreiben nach Angaben des Präsidialamts: “Ich bin wie ungezählte Bürgerinnen und Bürger entsetzt und erschüttert über diese schreckliche Tat. Tugce hat unser aller Dankbarkeit und Respekt verdient. Sie wird immer ein Vorbild bleiben. Unser ganzes Land trauert mit Ihnen.

Für ihren Mut und ihre Zivilcourage zollt ganz Deutschland der verstorbenen Tugce Respekt. Foto: Facebook
Für ihren Mut und ihre Zivilcourage zollt ganz Deutschland der verstorbenen Tugce Respekt. Foto: Facebook ©Für ihren Mut und ihre Zivilcourage zollt ganz Deutschland der verstorbenen Tugce Respekt. Foto: Facebook

Mahnwache für Tugce in Offenbach:

Obduktion soll genaue Todesursache klären

Eine Obduktion der Leiche soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft die genaue Todesursache zutage bringen. Unklar ist noch, ob die Studentin bereits durch den Schlag am frühen Morgen des 15. November tödlich verletzt wurde oder durch den Aufprall auf das Pflaster des Parkplatzes vor dem Schnellrestaurant.

Auch ist nach wie vor unklar, wieso der Streit vor dem Schnellrestaurant derart eskalierte. Ein 18-Jähriger hatte Tugce niedergestreckt. Vor dem fatalen Schlag hatte Tugce nach Polizeiangaben versucht, einen Streit im McDonalds-Restaurant zu schlichten. Zeugen werfen den Mitarbeiter an der Theke vor, nicht rechtzeitig eingeschritten zu sein. Die Restaurantkette schließt allerdings Fehler der eigenen Mitarbeiter während des Streits aus: Es gebe “aktuell für uns keinen Anlass, von einem Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter auszugehen”, teilte Unternehmenssprecher Philipp Wachholz auf Anfrage in München mit. Dies zeigten auch Aufnahmen der Sicherheitskameras aus dem Inneren des Restaurants. Die Ermittler hätten den Bedienungen des Offenbacher Imbisses bislang auch nichts vorgeworfen.

In memoriam: Tugce auf ihrer Abiturfeier

Gewerkschaft: “Was auf keinen Fall geht, ist wegsehen”

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte dazu auf, sich trotz des Schicksals von Tugce A. auch weiterhin einzumischen, wenn es zu Konflikten kommt. “Was auf keinen Fall geht, ist wegsehen, weghören oder ignorieren”, sagte Andreas Grün, der GdP-Landesvorsitzende in Hessen. “Heutzutage hat jeder ein Handy dabei, damit kann man kostenlos die 110 anrufen. Man kann andere Menschen herbeirufen und versuchen, deeskalierend einzuwirken.” Oft helfe es schon, wenn mehrere Leute zusammenkämen, um die Situation zu beruhigen.

Grundsätzlich sollte sich aber niemand durch seinen Einsatz als Streitschlichter selbst in Lebensgefahr bringen. “Wenn ich körperlich unterlegen bin, verlangt niemand von mir, dass ich den Helden spiele”, sagte Grün. Sei man aber nicht alleine und das Opfer in Lebensgefahr, sollte man auch nicht erst auf die Polizei warten: “Im Notfall sollte der Erste-Hilfe-Gedanke im Vordergrund stehen.”

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