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Tsipras kündigt Blockade von EU-Beschlüssen an

©AFP
Griechenland hat im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik am Mittwoch mit einer Blockade aller EU-Entscheidungen gedroht.

Seine Regierung werde “keinem Abkommen mehr zustimmen, wenn die Last und die Verantwortung nicht im richtigen Verhältnis geteilt” würden, sagte Ministerpräsident Alexis Tsipras im Parlament. In Griechenland droht angesichts des Rückstaus von Flüchtlingen das totale Chaos.

“Lager für menschliche Wesen”

Tsipras wird nach eigenen Angaben vor dem EU-Türkei-Gipfel am 7. März die Vorsitzenden aller griechischen Parteien einberufen, um ein gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren. “Wir werden nicht akzeptieren, dass sich unser Land in ein Lager für menschliche Wesen verwandelt”, sagte Tsipras vor den Abgeordneten. Zuvor hatte er mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert. Dabei hatte er laut einer Erklärung seines Büros seine “tiefe Unzufriedenheit” darüber zum Ausdruck gebracht, dass die erst am vergangenen Donnerstag auf dem EU-Gipfel getroffene Vereinbarung zur Flüchtlingskrise nicht eingehalten worden sei.

“Er habe verlangt – und darüber habe es Einigkeit gegeben – dass die Anstrengung zur Umsetzung der Vereinbarung verstärkt wird und dass die NATO-Mission zum Kampf gegen die Schlepper und zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms sofort beginnt.”

Keine Bereitschaft gezeigt

Tsipras ist vor allem über Österreich erbost. Wien hatte am Mittwoch auf einer Westbalkankonferenz gemeinsam mit neun weiteren Ländern vereinbart, weniger Flüchtlinge passieren zu lassen. Weder Griechenland noch die EU oder Deutschland waren eingeladen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) machte klar, warum Athen nicht eingeladen wurde. Die griechische Seite habe bisher keine Bereitschaft gezeigt, den Flüchtlingsstrom zu reduzieren, sondern nur “ein Interesse, dass die Flüchtlinge möglichst schnell weiter transportiert werden”, sagte er.

Eine Sprecherin des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier kritisierte, es könne “nicht sein, dass ein Staat ausgeschlossen wird bei Dingen, die ihn auch betreffen”. Die griechische Regierung sprach von einer “einseitigen und keineswegs freundschaftlichen Aktion”.

5.700 Flüchtlinge abgewiesen

Am Rande der Westbalkan-Konferenz verlautete aus dem Innenministerium, dass Deutschland seit Jahresbeginn knapp 5.700 Flüchtlinge an der österreichischen Grenze abgewiesen habe, die Hälfte davon Afghanen, ein Viertel Nordafrikaner. Ein Teil dieser Personen habe um Asyl in Österreich angesucht, andere versuchten neuerlich, illegal nach Deutschland zu kommen, berichteten mehrere Zeitungen.

In Griechenland wächst unterdessen angesichts der Tatsache, dass immer mehr Staaten entlang der sogenannten Balkanroute ihre Grenzen dichtmachen, die Sorge vor einem Rückstau an Migranten. Seit Montag sind 9.000 Flüchtlinge an Bord von Fähren in Piräus angekommen. Am späten Mittwochabend wurden weitere 2.000 erwartet. Und allein auf Lesbos warteten knapp 3.000 Migranten auf die nächste Fähre zum Festland.

Grenze für drei Stunden gesperrt

Auch an der Grenze zu Mazedonien harrten am Mittwoch mindestens 4.000 Menschen aus. Die mazedonischen Grenzpolizisten erlauben nur kleineren Gruppen von Flüchtlingen die Einreise, wie Mitarbeiter humanitärer Organisationen berichteten. Um die Mittagszeit wurde die Grenze vorübergehend für mehr als drei Stunden komplett geschlossen.

“Griechenland wird in ein riesiges Migrantenlager verwandelt”, schrieb das Nachrichtenportal “To Proto Thema”. Das Land werde mit dem Zustrom der Migranten nicht fertig, warnte die konservative Zeitung “Kathimerini”. Mouzalas hat die Griechen in den vergangenen Tagen darauf vorbereitet. “Bis zu 70.000 Menschen könnten hier stecken bleiben”, sagte er wiederholt und warnte am Mittwoch vor einer “kleinen humanitären Krise”. Bereits am Dienstag drückten EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos und die niederländische Ratspräsidentschaft ihre Sorge über eine humanitäre Krise angesichts der Flüchtlinge auf der sogenannten Balkanroute aus.

Unterbringung in Kasernen und Sporthallen

Die Regierung in Athen versucht indes, das drohende Chaos abzuwenden. Im Hau-Ruck-Verfahren wurde in der Früh ein neues Aufnahmelager nahe Thessaloniki in Betrieb genommen. Migranten sollen in verlassenen Kasernen untergebracht werden, Bürgermeister öffneten Sporthallen. Am zentralen Viktoria-Platz von Athen verbrachten hunderte Migranten die Nacht im Freien. Einwohner ließen die Flüchtlinge in den Treppenhäusern Schutz suchen, als es am Vormittag anfing zu regnen. Viele Bürger verteilten Essen und warme Getränke.

Kaum ein Migrant will in Griechenland bleiben: Die meisten wollen nach Norden, insbesondere nach Österreich, Deutschland oder Schweden. Einige Afghanen sagten, sie überlegen, über Albanien weiterzureisen. (APA)

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