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Thema Abtreibung soll wertneutral neu diskutiert werden

Dornbirn - Die Zahl der Geburten in Vorarlberg von Jänner bis September 2014 ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,8 Prozent gestiegen. Doch auch etwa jede fünfte Frau wird in ihrem Leben mindestens einmal ungewollt schwanger und bricht die Schwangerschaft infolge ab. Das geht aus einer Salzburger Studie hervor.
ifs-Expertin im Interview
ifs-Beratung für Schwangere
Geburtenzahl in Vorarlberg gestiegen
Parteiumfrage zu Abtreibungen in Spitälern
Gesundheitsminister fordert Abtreibungen in Spitälern

Zahlen für Vorarlberg gibt es keine, weiß Marianne Hammermann von der ifs Familienberatung. Grund dafür ist die Fristenlösung, die nur privaten Kliniken Abtreibungen erlaubt. Die Expertin fordert eine Änderung.

Eine ungewollte Schwangerschaft stellt für jede Frau eine große Konfliktsituation dar. Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die diese Situation leicht verarbeiten kann. Das sind sehr ernst zu nehmende Lebensentscheidungen”, stellt Marianne Hammermann von der ifs Familienberatung gegenüber VOL.AT klar. Die Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch sind daher sehr vielfältig. Bei sehr jungen Frauen spricht die Expertin vom oft falschen Zeitpunkt: “Frauen wissen sehr wohl ihre beruflichen Chancen einzuschätzen und sehen auch, dass das mit der Kinderbetreuungsaufgabe nicht kompatibel ist.” Weitere mögliche Faktoren sind nicht funktionierende Beziehungen oder gesundheitliche Risiken. Eine Abtreibung wegen einer Vergewaltigung ist dabei selten, nur bei 1,4 Prozent aller gewollten Schwangerschaftsabbrüche ist das ein Grund.

Kinder mit Behinderung sind eine große Aufgabe

Wie stark ein pränataler Test und eine Diagnose einer Behinderung beim Kind ausschlaggebend ist, lässt sich laut Hammermann nicht einfach beantworten: “Ein Kind mit Down-Syndrom auf die Welt zu bringen ist eine große Aufgabe. Hier braucht es in Vorarlberg mehr Beratung und einen Ausbau von Inklusion in der Gesellschaft. Schlussendlich müssen wir diese Entscheidung deshalb den betroffenen Frauen überlassen.” Zahlen gibt es hierbei allerdings keine.

Vorarlbergerinnen treiben im Ausland ab

Laut dem österreichischen Verhütungsreport aus dem Jahr 2012 haben 12,4 Prozent aller Frauen im reproduktiven Alter schon einmal eine ungewollte Schwangerschaft abgebrochen. “Eine Dunkelziffer gibt es aber bei diesen Studien immer. Schließlich weichen einige Vorarlbergerinnen ins benachbarte Ausland aus. Auch in dunklen Hinterhöfen wird immer noch abgetrieben, unfassbar eigentlich im Jahr 2014”, meint Hammermann.

Abtreibung wertneutral neu diskutieren

Aus Sicht der Expertin sollte sich in Vorarlberg beim Thema ungewollte Schwangerschaft noch viel verändern. Nicht nur Abtreibungen sollten in öffentlichen Krankenhäusern erlaubt werden, damit man von Gegnern nicht mehr belagert und beeinflusst werden kann, auch bei der Schwangerschaftsverhütung muss noch viel mehr informiert werden: “Gerade junge Menschen müssen wissen, wie man sich bei sexuellen Handlungen richtig schützt und was es für Folgen haben kann, wenn man das nicht macht. Doch auch in der gesamten Gesellschaft sollte das Tabu-Thema Sexualität öfter behandelt werden. Hier gibt es noch viel Nachholbedarf.”

Landesparteien gespalten

Die konservativen Parteien in Vorarlberg, wie ÖVP, FPÖ und NEOS sehen in Richtung Abschaffung der Fristenlösung keinen Handlungsbedarf, für sie reichen die privaten Kliniken vollkommen aus. Für die Grünen und die SPÖ wäre das hingegen wünschenswert.


Update: Reaktionen der Parteien

SPÖ fordert “Ende der scheinheiligen Debatte”

Als Reaktion auf das VOL.AT-Interview mit ifs-Expertin Marianne Hammermann betont die SPÖ erneut die Forderung nach der Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch in einem öffentlichen Krankenhaus. Dies sei in sämtlichen Bundesländern Österreichs außer Tirol und Vorarlberg bereits möglich.

Die Aussagen von LH Wallner, der sich gegen den Eingriff in öffentlichen Spitälern ausspricht, sage viel über die Haltung der ÖVP im Lande über Frauen aus, die einen Abbruch oft als letzten Ausweg für ihre persönliche Situation wählten, so die SPÖ in einer Aussendung. Offenbar sollten anders als im übrigen Österreich die öffentlichen Spitäler nicht mit dieser “schmutzigen” Angelegenheit belastet werden, kritisiert die SPÖ. Damit würden Wallner und die ÖVP auch die betroffenen Frauen diffamieren.

“Kein Abbruch wird so vermieden”

Dr. Gabi Sprickler-Falschlunger fordert in Anbetracht der hohen Anzahl an betroffenen Frauen ein “Ende der Scheinheiligkeit”: “Kein Schwangerschaftsabbruch wird vermieden, nur weil LH Wallner mit dieser Haltung ‘seine Spitäler sauber halten’ will”, so die Allgemeinärztin.

SPÖ will Antrag einbringen

Anlässlich der Aktualität dieses Themas werde die SPÖ daher demnächst einen Antrag einbringen, der Schwangerschaftsabbrüche an den Vorarlberger Krankenhäusern ermöglichen soll. Für die SPÖ sei es wichtig, dass die Frauen unter bestmöglicher gesundheitlicher Versorgung und frei von öffentlicher Diffamierung einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen können – und dieser Ort sei definitiv ein öffentliches Krankenhaus.

FPÖ will “Mutter-Kind-Fonds”

Ein klares Nein zu Abtreibungen an öffentlichen Spitälern kommt von der Vorarlberger FPÖ. Laut Studie wird jede fünfte Frau in ihrem Leben mindestens einmal ungewollt schwanger bricht in Folge die Schwangerschaft ab. “Diese Zahl ist alarmierend. Wir sollten alles in unserer Macht stehende tun, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Frauen ein JA zum Kind ermöglichen. Deshalb ist es unser Ziel, in Vorarlberg einen ‘Mutter-Kind-Fonds’ nach deutschem Vorbild einzurichten”, so Freiheitlichen-Landeschef Dieter Egger.

Schwangere Frauen würden sich oftmals aufgrund ihrer finanziellen Situation der bevorstehenden Mutterschaft nicht gewachsen fühlen und sich deshalb für eine Abtreibung entscheiden, so die FPÖ. Gerade dieser Tatsache wolle man mit der Einrichtung eines Unterstützungsfonds entgegenwirken. Aufwendungen, die durch Schwangerschaft und Geburt sowie Erziehung, Betreuung und Pflege des Kindes entstehen, sollen finanziell abgefedert werden. Ebenso solle die Wohnungssuche bzw. -einrichtung aktiv unterstützt werden, erklärt Egger.

Egger: “Falsches Signal”

“Frauen in Not dadurch zu begegnen, dass man die Abtreibung in öffentlichen Krankenhäusern ermöglicht, halten wir für das falsche Signal. Deshalb unser klares Nein dazu. Unser Ziel ist und bleibt, den Mut zur Familie und den Mut zum Kind zu stärken und allen Schwangeren, die sich in schwierigen Situationen befinden, hilfreich zur Seite zu stehen und ihnen ein JA zum Kind zu ermöglichen”, so Dieter Egger und fordert die Unterstützung von LH Wallner in dieser Frage ein.

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