AA

Krawalle und Streik in Griechenland – Papandreou bietet Rücktritt an

In Griechenland führt die Schuldenkrise auch zu innenpolitischen Umwälzungen.
Gewalt in Griechenland eskaliert
Verletzte bei Krawallen
Bilder des Protests
Fekter: Griechenland-Hilfe kostet keinen Cent
Generalstreik in Griechenland

Papandreou will zurücktreten

Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat sich am heutigen Mittwoch für die Bildung einer “Regierung der nationalen Einheit” ausgesprochen, die die von Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU verordneten drakonischen Sparmaßnahmen umsetzen soll. Er sei zum Rücktritt bereit, um die Bildung einer solchen Regierung zu ermöglichen, sagte Papandreou laut einem Bericht des Staatsfernsehens. Allerdings müsse diese neue Regierung die Vorgaben von IWF und EU umsetzen.

Opposition: Papandreou soll Platz machen

Zuvor hatte die konservative Opposition den sozialistischen Regierungschef zum Rücktritt aufgefordert. Papandreou soll Platz machen “für einen neuen, anerkannten Regierungschef”, verlautete am Mittwoch aus Kreisen der bürgerlichen Oppositionspartei “Nea Dimokratia” (Neue Demokratie) gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. ND-Chef Antonis Samaras habe den Regierungschef bereits persönlich aufgefordert, seinen Posten zu räumen, hieß es.

Papandreou hatte in den vergangenen Wochen vergeblich versucht, die Opposition für die Sparmaßnahmen zu gewinnen. In den Umfragen hat die konservative ND, die von den Wählern vor zwei Jahren aus dem Amt gejagt wurde, jüngst wieder die regierenden Sozialisten überholt. Seit Monaten protestieren die Griechen gegen den Sparkurs der sozialistischen Regierung.

Generalstreik in Griechenland

Der dritte Generalstreik seit Jahresbeginn legt das öffentliche Leben lahm, während am Mittwoch im von Hunderten Demonstranten belagerten Parlament in Athen ein neues Sparprogramm beraten wird. Stillstand herrscht auch bei den Beratungen über ein neues Hilfspaket für das Land. Streitpunkt ist die von Österreich unterstützte deutsche Forderung, diesmal auch Banken und Versicherungen zahlen zu lassen. Die braunhaarige Maria Chira hat die blau-weiße griechische Fahne um sich geschlungen. Sie gehört zu den Demonstranten auf dem Syntagma-Platz vor dem griechischen Abgeordnetenhaus in Athen. “Griechenland ist in Gefahr”, befürchtet die zweifache Mutter, die sich Ende Mai der Protestbewegung angeschlossen hat. Während die EU von der Regierung in Athen und den rund elf Millionen Griechen mehr Anstrengungen, größere Einsparungen und härtere Reformen zur Abwendung einer Staatspleite fordert, treibt es seit Wochen tausende wütende Demonstranten auf die Straße. Sie bezweifeln, dass ihr Land durch den eingeschlagenen Kurs aus seiner schweren Krise kommt.

Reformen notwendig

Aber ohne Reformen und weitere Einsparungen “ist das alles nicht zu schaffen”, machte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble bei den letzten Beratungen der Eurozone zu Griechenland am Dienstagabend in Brüssel klar. Er sprach damit aus, was auf dem Treffen niemand bezweifelte. Klar ist auch, dass Griechenland nach im vergangenen Jahr gewährten Notkrediten über 110 Milliarden Euro weitere Hilfe in etwa derselben Höhe braucht. Ein Schuldenberg von 350 Milliarden Euro droht Griechenland schlichtweg zu erdrücken – die Summe entspricht der Leistung der gesamten griechischen Wirtschaft in eineinhalb Jahren. Uneinigkeit herrscht zwischen den Euro-Ländern jedoch darüber, inwieweit private Gläubiger Griechenlands wie Banken, Versicherungen oder Investmentfonds diesmal an dem zweiten Rettungseinsatz beteiligt werden sollen. Schäuble forderte, dass die Inhaber von griechischen Staatsanleihen diese um Bonds mit einer um sieben Jahre verlängerten Laufzeit eintauschen. Griechenland hätte so mehr Zeit zur Zurückzahlung seiner Schulden und bekäme etwas Luft zum Atmen. Diese Forderung stößt aber bei manchen Euro-Ländern wie Frankreich auf Widerstand, folglich ging das Sondertreffen am Dienstagabend ergebnislos zu Ende.

Widerstand der EZB

Widerstand kommt auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) aus Frankfurt: Man sei nicht grundsätzlich gegen die Einbeziehung des Privatsektors, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark am Mittwoch dem Deutschlandradio. “Aber es muss völlig freiwillig sein, sonst hat dies negative Auswirkungen an den Finanzmärkten und negative Auswirkungen möglicherweise auch auf andere Länder.” Wenn Investoren eine Laufzeitverlängerung als erzwungen ansehen, könnte dies als Kreditausfall bewertet werden und Versicherer müssten hohe Entschädigungen zahlen. Die befürchtete Folge: ein Domino-Effekt, der eine neue Finanzkrise auslöst. Eine Lösung könnte in einer Vereinbarung bestehen, wonach Gläubiger bei Ablauf ihrer Kredite freiwillig neue griechische Staatsanleihen kaufen. Ein neues Hilfspaket soll bis Monatsende vereinbart sein, um die Zukunft Griechenlands zu sichern. Inzwischen wird jedoch schon die Zeit knapp, um noch einen Beschluss auf dem EU-Gipfel in der kommenden Woche hinzubekommen. Ein weiteres Sondertreffen zur Beilegung der Krise berief Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker daher für Sonntagabend in seiner Heimat Luxemburg ein. Unter den Demonstranten in Griechenland stößt das Hin und Her zwischen den Schwergewichten der Euro-Zone über ihre Köpfe hinweg zunehmend auf Ablehnung. “Das wird alles immer frustrierender”, beschreibt Vassilis Hatzidintrakis auf dem Syntagma-Platz die Stimmung. “Der Euro funktioniert für uns einfach nicht.”

(Quelle: APA)

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Politik
  • Krawalle und Streik in Griechenland – Papandreou bietet Rücktritt an