Kopf: Ich kann beobachten, dass das Wetten enorm zugenommen hat. Es hat eine hohe Faszination, der sich viele nicht entziehen wollen oder können. Es ist gelungen, ein ureigenstes menschliches Bedürfnis anzusprechen: Irgendwann bin auch ich auf der Gewinnerseite. Es funktioniert, obwohl eigentlich jeder weiß, dass es nicht funktioniert. Der Sieger ist immer das Casino, das Wettbüro oder die Lottoindustrie. Das Glück herauszufordern ist etwas sehr Menschliches.
Kopf: Ja. Früher war es das Casino, mittlerweile gibt es viel mehr Möglichkeiten, angefangen beim Lotto oder bei den Glückslosen bis hin zu Onlinespielen. Dort passiert der Einstieg. Die Anbieter werden mehr und präsenter. Wer macht die teuerste Werbung im Fernsehen vor den Nachrichten? Die Lottogesellschaft. Möglichkeiten finden sich an jedem Kiosk, in jeder Post. Alles, was mit dem Spielen zu tun hat, hat die Gesellschaft durchdrungen. Einsteigen kann jeder. Wenn ich das Suchtpotenzial habe, dann muss ich nur zwei Schritte weitergehen und bin schon drinnen. Wenn man mit kleinen Dingen einsteigt, kommt man schnell auf die Idee, das Glück auch auf höherer Ebene herauszufordern.
Kopf: Nein. Spielsucht hat für den Betroffenen den Vorteil, dass man sie nicht sieht und gleichzeitig den Nachteil, dass man dadurch schwer an die Betroffenen herankommt. Bei einem Alkoholiker ist das ganz anders: Man sieht ihm die Sucht meist an. Es isteindoppeltesTabu, weil Spielschulden mit irrsinnig viel Scham behaftet sind.
Kopf: Die ganze Schuldenmacherei funktioniert irgendwann nur noch mit Lügen. Spielsüchtige ziehen oft noch ihr ganzes Umfeld mit und sich selbst in die Kriminalität. Da zerbrechen Familien und soziale Netze. In der Regel erfahren auch wir nicht gleich von den Wettschulden. Erst im Laufe der Beratung, wenn der Haushaltsplan eigentlich in Ordnung ist, das Geld aber trotzdem irgendwo versickert. Klassisch ist das überzogene Konto, auch viele Privatschulden bei Bekannten und Verwandten. Es gibt Hilfe. Es gibt Entschuldungsmöglichkeiten. Die erste Empfehlung von uns ist eine Therapie. Es bringt ja nichts, wenn einer den Haushalt saniert und sofort wieder im Wettbüro steht. Aber man muss die Chance natürlich ergreifen und die Scham überwinden.
Kopf: Es gibt hier eine sehr hohe Dunkelziffer. Casinos argumentieren, dass das Spielen nur bei ihnen erlaubt sein sollte, weil sie es gut kontrollieren. Aber Menschen rutschen durch das Casino in die Spielsucht, werden dort gesperrt und was passiert dann? Dann gehen sie in illegale Lokale. Möglichkeiten gibt es genug. Die gesellschaftliche Verantwortung müsste deshalb viel stärker eingefordert werden. Nicht nur mit einem Feigenblattbetrag wie jetzt. Ich bin dafür, dass bei den ganzen Abgaben auf das Spielen und die Wetten ein größerer Teil für die Therapie zweckgewidmet wird. Ein direkter Verursacher dieser Problematik sollte auch für die Folgekosten gerade stehen.
Kopf: Es istein Schritt in die richtige Richtung. Ich bin nicht jemand, der überall ein Gesetz braucht, aber in diesem Bereich ist jede einzelne Verschärfung zu begrüßen. Es geht vor allem um den Schutz von jungen Menschen, die sich die Zukunft verbauen. Ich habe allerdings Zweifel, ob es wirklich so vollzogen werden kann. Spieleanbieter werden auch nach diesen Verboten neue Möglichkeiten finden. Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wenn das Gesetz greift, gibt es vielleicht eine Chance, die Steigerungen abzuflachen. Wenn es nicht greift, geht die Rate weiter hinauf.
Kopf: Es dürfte nicht liberalisiert werden, sondern es gehört schärfer reguliert. Natürlich fährt ein Dornbirner deshalb nicht nach Linz, aber er fährt eben nach Lindau oder in die Schweiz. Von dem her braucht es ein Bundesgesetz, am besten eine EU-Regelung. Aber das ist ferne Zukunft, befürchte ich.
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