Die Zentrale Wahlkommission in Moskau sprach von einer sehr regen Stimmabgabe. Regierungschef Wladimir Putin, der bereits von 2000 bis 2008 das höchste Amt im Staat innegehabt hatte, galt bei dem Urnengang als Favorit. Der Urnengang war von Betrugsvorwürfen überschattet.
110 Millionen Wahlberechtigte
Von Wladiwostok im Osten bis zur westlichen Exklave Kaliningrad waren rund 110 Millionen Wähler aufgerufen, den Nachfolger von Präsident Dmitri Medwedew zu bestimmen. Wegen der Größe des Landes und der zahlreichen Zeitzonen erstreckte sich der Urnengang über 21 Stunden. Erstmals konnten die Menschen wegen befürchteter Manipulationen die Abstimmung über Internetkameras auf der Seite webvybory2012.ru live in den meisten der landesweit rund 96.000 Wahllokale verfolgen.
Umfragen zufolge könnte Putin mit rund 60 Prozent der Stimmen gewinnen, weit vor seinem stärksten Konkurrenten, dem Kommunisten Gennadi Sjuganow, der demnach bei 15 Prozent lag. Weiter abgeschlagen waren demnach der Milliardär Michail Prochorow, der Nationalist Wladimir Schirinowski und der frühere Vorsitzende des Föderationsrates, Sergej Mironow.
27.000 Beobachter hatten Wahl im Blick
Der Urnengang wurde landesweit von 27.000 Beobachtern verfolgt, darunter auch Österreicher wie der SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach als Mitglied des Europarates. Außerdem gab es zahlreiche sogenannte Bürgerbeobachter, die meisten davon Freiwillige, wie die Internetseite control2012.ru meldete. Sie führte bis zum Nachmittag mehr als 3.300 Verstöße gegen Wahlgesetze auf. Auch die regierungsunabhängige Wahlbeobachtungsorganisation “Golos” (Stimme) dokumentierte derartige Fälle im Internet: In Summe wurden bis 13.00 Uhr (Ortszeit) mehr als 2.200 Verstöße im Zusammenhang mit der Wahl genannt.
Auch die Opposition, die ebenfalls Beobachter stellte, vermutete Wahlbetrug. Die Mitte-Links-Partei Jabloko erklärte, dass mehrere Wähler in Moskau in zwei Wahllokalen ihre Stimme abgegeben hätten. In Wladiwostok hätten Stimmberechtigte bei ihrer Ankunft im Wahllokal dagegen feststellen müssen, dass ihre Wahlzettel bereits ausgefüllt abgegeben worden seien. In mehreren Orten seien Bündel von Stimmzettel in die Urnen geworfen worden.
Betrugsfälle beklagt
Die Kommunistische Partei beklagte ebenfalls eine Reihe von Betrugsfällen. In Jekaterinburg seien die Insassen eines Kleinbusses festgenommen worden, die von Wahllokal zu Wahllokal gefahren seien, um mehrfach ihre Stimme abzugeben. Auch in Moskau sollen hunderte Busse mit Mehrfachwählern unterwegs gewesen sein. Dies sei zu erwarten gewesen, aber nicht in diesem Ausmaß, sagte der Blogger Alexej Nawalny, einer der Anführer der Protestbewegung gegen Putin.
Der Leiter der Wahlkommission wies die Vorwürfe zurück. Die Beobachter hätten sich in den Wahllokalen, die er besucht habe, “nervös” verhalten, während die Wahlleiter “perfekt arbeiteten”, sagte Wladimir Tschurow.
Die Behörden hatten angesichts von Betrugsvorwürfen nach der Parlamentswahl im Dezember die meisten Wahllokale mit jeweils zwei Überwachungskameras ausgestattet, um mehr Transparenz zu demonstrieren. Allerdings wurde der Wahlverlauf teilweise nur verzögert übertragen. Wahlbeobachter monierten, dass die Kameras zu weit weg von den Urnen positioniert worden seien und die Aufnahmen vor Gericht ohnehin nicht verwertbar seien.
Rollentausch zwischen Putin und Medwedew
Putin durfte 2008 nicht bei der Kreml-Wahl antreten, weil die Verfassung nur zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten zulässt. Er hatte damals Dmitri Medwedew für das Präsidentenamt vorgeschlagen. Im Fall eines Wahlsieges will Putin Medwedew in einem umstrittenen Ämtertausch zum Regierungschef machen. Das Amt des Premiers ist dem des Präsidenten untergeordnet. Der Rollentausch ist für Mai geplant.
Die Gegner Putins wollen am Montagabend mit einer Demonstration auf dem zentralen Puschkin-Platz gegen seine absehbare erneute Präsidentschaft protestieren. Für den Ämtertausch wollten noch am Sonntag 20.000 Mitglieder der Kreml-Jugend Naschi nahe des Kremls auf die Straße gehen.
Letzte Wahllokale schließen um 18 Uhr
Unmittelbar nach Schließung der letzten Wahllokale um 18.00 Uhr MEZ wurden Wahlnachbefragungen erwartet und noch am späten Sonntagabend die ersten Ergebnisse. Der russische Präsident wird nach einer Verfassungsänderung erstmals für sechs Jahre gewählt, zwei Jahre länger als bisher. Amtsinhaber Medwedew hatte seinen Verzicht auf eine neue Kandidatur mit der hohen Popularität Putins begründet.
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