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Prozessauftakt im Fall Kalinka

Mordprozess gegen Arzt aus Lindau hat begonnen. Verteidigung zweifelt an der Zuständigkeit des Gerichts.

Kalinka starb vor fast 30 Jahren unter rätselhaften Umständen – nun droht im Justizkrimi zwischen Frankreich und Deutschland schon wieder eine neue Runde: Zum Auftakt des spektakulären Prozesses um den Tod der 14-jährigen Kalinka Bamberski hat der Verteidiger ihres deutschen Stiefvaters die Zuständigkeit des Gerichts in Paris angezweifelt. Der Arzt Dieter K. wird beschuldigt, seine Stieftochter 1982 in Lindau am Bodensee vergewaltigt und getötet zu haben. Der leibliche Vater des Mädchens hatte den Deutschen nach Frankreich entführen lassen, um ihn dort vor Gericht zu bringen. Dieter K. sei für das Verfahren widerrechtlich verschleppt worden, betonte sein Anwalt am Dienstag vor dem Geschworenengericht. Zudem sei in Deutschland ein entsprechendes Verfahren eingestellt worden. Der Prozess sei ein Verstoß gegen die Grundrechte. Der Anwalt forderte die Vorsitzende Richterin auf, den Europäischen Gerichtshof einzuschalten.

Kritik an Justiz

Kalinkas leiblicher Vater André Bamberski wirft der deutschen Justiz vor, den Fall nicht ernst genommen zu haben. Er ließ den heute 75-jährigen Arzt deshalb 2009 von Deutschland nach Frankreich entführen. Auch Bamberski kam am Dienstag zum Prozessauftakt. Dieter K.s Verteidiger forderte das Schwurgericht auf, den Gerichtshof in Luxemburg die Frage der Rechtmäßigkeit klären zu lassen. In drei Monaten könnte diese Frage geklärt sein, die auch mit Blick auf das Schengen-Abkommen und seine darin festgelegte Freizügigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten Bedeutung habe. Es gehe nicht an, dass einem Bürger zweimal für den gleichen Vorwurf ein Verfahren gemacht werde. „Alle europäischen Staatsangehörigen warten auf Ihre Entscheidung“, appellierte er auf Französisch und Deutsch an die Richter. Dieter K. wurde in Paris 1995 wegen der Tötung seiner Stieftochter in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt – jedoch hob ein Berufungsgericht das Urteil später wegen Verfahrensfehlern wieder auf. Die deutsche Justiz hatte das Verfahren gegen K. im Fall Kalinka schon Jahre vorher eingestellt.

Lindauer Arzt: Nicht rechtmäßig

Der Angeklagte selbst hatte mehrfach betont, dass er wegen des Falls nicht rechtmäßig vor Gericht gestellt werden könne, auch weil er in Deutschland nicht belangt wird. Verletzungen, die von der Entführung herrühren, beeinträchtigten seine Gesundheit noch heute. Seine Tochter Diana Günther, die auch beim Prozess anwesend war, betonte vor der Verhandlung, sie hoffe, dass das Verfahren die jahrelangen Justizrangeleien beende. Ihr Vater sei unschuldig. Zudem sei sein Gesundheitszustand schlecht. Die ganze Familie stünde hinter ihm, mehrere Geschwister würden aussagen. “Es ist unerträglich für Herrn K., verurteilt zu werden, aber dieses Mal kommt er nicht davon”, sagte einer der Anwälte von Kalinkas leiblichem Vater Andre Bamberski vor dem Prozessauftakt im Pariser Justizpalast. Der Prozess im Fall Kalinka fand unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Das Verfahren soll bis 8. April dauern.

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