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Pressestimmen zu Wulff-Affäre

Pressestimmen: "Es geht nicht mehr" - "Unerträgliche Farce" - "Schmieriges Bild".
Pressestimmen: "Es geht nicht mehr" - "Unerträgliche Farce" - "Schmieriges Bild". ©AP
Die von der Staatsanwaltschaft Hannover beantragte Aufhebung der Immunität des deutschen Präsidenten Christian Wulff, der jetzt offiziell der Vorteilsannahme verdächtigt wird, ist Gegenstand internationaler Pressekommentare.

“Bild” (Hamburg):

“Es geht nicht mehr. Nach einigem Zögern will die Staatsanwaltschaft Hannover die Immunität des ersten Mannes im Staat aufheben lassen. Vor der Justiz hat Christian Wulff weiterhin als unschuldig zu gelten, weil eine strafrechtliche Schuld nicht erwiesen ist. Aber auch wenn es Christian Wulff bis heute nicht wahrhaben will: Das ist nicht der alleinige Maßstab. Schon gar nicht für einen Bundespräsidenten, dessen einziges Gewicht das seiner persönlichen Glaubwürdigkeit ist. Gemessen am Anspruch und Wesen seines Amtes macht die Aufhebung seiner Immunität den Präsidenten in seinem Amt unmöglich. Mehr noch: Sie macht ihn unerträglich. Deutschland hat Anspruch auf mehr als auf einen Bundespräsidenten, der nur noch von sich behaupten kann, dass ihm strafrechtlich bislang nichts nachgewiesen ist.”

“Die Welt” (Berlin):

“Ein Bundespräsident unter Anfangsverdacht – das ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nicht vorgekommen. Es ist ein absolutes Novum, dass der Bundestag über die Aufhebung der Immunität für das Staatsoberhaupt abzustimmen hat. Entsprechend dramatisch könnten die politischen Folgen sein. Wenn eine Staatsanwaltschaft den Inhaber des höchsten Amtes unter die Lupe nimmt, dann wird die Zurückhaltung aufhören, die bisher im politischen Berlin mit Blick auf Wulff guter Brauch war. Das Amt des Staatsoberhauptes dürfe nicht beschädigt werden, lautete das Argument, mit dem Politiker der Koalitionsparteien und der Opposition seit Mitte Dezember eine konkrete Aussage zu den Vorhaltungen gegen Wulff vermieden haben. Diese Zurückhaltung wird nicht mehr von allen geübt werden. Es wird halblaute und laute Fragen geben, wie lange die Bundeskanzlerin und die Fraktionsführung der CDU/CSU noch ‘volles Vertrauen’ in Christian Wulffs Amtsführung setzen können, ohne dass es so scheint, als wollten sie Wulff decken.”

“Financial Times Deutschland” (FTD):

“Es wäre aber der falsche Ansatz, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel nun darauf setzen würde, dass die Staatsanwaltschaft Hannover über die Zukunft von Christian Wulff entscheidet. Diese Entscheidung darf nicht juristisch fallen, sie muss politisch fallen. Obwohl rein formal niemand Wulff zum Rücktritt auffordern kann, wäre es schwer vorstellbar, dass er sich halten kann, wenn Merkel und die schwarz-gelbe Koalition ihm den Rückhalt entziehen. (…) Je länger diese Farce dauert, desto unerträglicher wird sie. Anfangs konnte Wulff noch hoffen, dass die ganze Sache in zwei, drei Monaten ausgestanden sein würde. Diese Hoffnung ist dahin. Wenn Wulff selbst das nicht einsieht, sollte es ihm jemand sagen. Je schneller, desto besser.”

“Der Tagesspiegel” (Berlin):

“Es hätte etwas daraus werden können. Es hätte eine Präsidentschaft zum beiderseitigen Vorteil werden können: von Christian Wulff und der Bundesrepublik Deutschland. Nun, das ist vorbei. So viel ist sicher. Wulff ist zäh. Ist ein Kämpfer. Einer, der schon oft Nackenschläge eingesteckt hat. Und, hat er sich nicht durchgesetzt? Ja, das alles stimmt. Nur geht es in diesem Fall nicht um diese Fähigkeit, nicht um seine Zähigkeit. Es geht auch nicht darum, sich festzusetzen im Amt. (…) Der Bundespräsident soll, einmal im Amt, überparteilich wirken, ausgleichend auch. Und seine Haltung soll, im besten Fall, die des Landes widerspiegeln und zugleich prägen. Im schlechtesten Fall muss er Haltung zeigen. Um sich nicht zu verlieren und die Würde des Amtes nicht vollends zu beschädigen.”

“Stuttgarter Zeitung”:

“Wenn Christian Wulff die nötige Größe und Lauterkeit besitzen würde, die ein politisches Amt in führender Funktion erfordern, dann hätte er frühzeitig Konsequenzen gezogen und der politischen Öffentlichkeit dieses üble Theater erspart. Seine Rechtfertigungsversuche und seine Bekundungen eines halbherzigen Bedauerns zeugen von einem ausgesprochen taktischen Verhältnis zur Wahrhaftigkeit. Wulff ist das Opfer notorischer Schwächen. Für den Schaden haftet das ganze Land. Auch die Kanzlerin, die im Moment noch größte Popularität genießt, wird davon nicht verschont bleiben.”

“Tages-Anzeiger” (Zürich):

“Ob Wulff es wahrhaben möchte oder nicht: Es hat sich ein schmieriges Bild von ihm in der Öffentlichkeit eingebrannt, eines, das gar nicht passt zum höchsten Amt im Staat. Dies wird zunehmend zum Problem. (…) In Berlin fragt man sich, wie Wulff sein Amt noch ausführen kann. Bisher hält die Regierung dem Präsidenten, den sie installiert hat, die Treue – mindestens offiziell. Gerüchte wabern jedoch viele. Angela Merkel, lautet eines, komme es gelegen, dass Wulff angeschlagen sei – ihr eigenes Licht strahle umso heller. Andere glauben dagegen zu wissen, Merkel habe Wulff bereits fallen gelassen, weil sie fürchte, das negative Image des Staatsoberhauptes könne auf sie abfärben.”

(APA)

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