Eindringlich warnte das katholische Kirchenoberhaupt in seiner Predigt am Sonntag vor “religiöser Routine” in der Kirche. “Nicht auf das Reden, sondern auf das Tun kommt es an, auf die Taten der Umkehr und des Glaubens”, sagte Benedikt. Er kritisierte vor allem “kirchliche Routiniers”, die in der Kirche nur noch den Apparat sähen, ohne dass ihr Herz vom Glauben berührt wäre. “Agnostiker, die von der Frage nach Gott umgetrieben werden; Menschen, die unter unserer Sünde leiden und Sehnsucht nach dem reinen Herzen haben, sind näher am Reich Gottes als kirchliche Routiniers.” Nach Angaben aus der Diözese Feldkirch nahmen auch Bischof Elmar Fischer sowie über 200 Vorarlberger Gläubige an den Feiern in Freiburg teil.
Ähnliche Kritik übte der Papst tags zuvor beim Treffen mit Vertretern des Zentralkomitees Deutscher Katholiken (ZDK) – ein Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände – am Samstagabend in Freiburg. Dabei bemängelte er einen “Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist” in der Kirche in Deutschland und stellte – entgegen den am Rande des Papstbesuchs erneut geäußerten Forderungen nach Kirchenreformen – fest: “Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt ist eine Krise des Glaubens. Wenn wir nicht zu einer wirklichen Erneuerung des Glaubens finden, werden alle strukturellen Reformen wirkungslos bleiben.”
Vor den Priesteramtskandidaten des Freiburger Priesterseminars griff Benedikt am Samstag den Namen der romkritischen Bewegung “Wir sind Kirche” auf, um Kritik an einem an Mehrheiten orientierten Zugang zum Glauben und zur Kirche zu üben: “Wenn wir sagen: Wir sind Kirche – ja es ist wahr: Wir sind es, nicht irgendjemand. Aber das ‘Wir’ ist weiter als die Gruppe, die das gerade sagt. Das ‘Wir’ ist die ganze Gemeinschaft der Gläubigen, heute und aller Orten und Zeiten. (…) Aber es kann nie eine Mehrheit gegen die Apostel, gegen die Heiligen geben, das ist dann eine falsche Mehrheit.”
Abendgebet mit 30.000 Jugendlichen
Mit 30.000 Jugendlichen hielt der Papst am Samstagabend in Freiburg ein stimmungsvolles Abendgebet bei Kerzenlicht ab. In seiner Ansprache sagte Benedikt, bei der Vigilfeier werde die Feier der Osternacht nachgeahmt. “Eine winzige Flamme verbreitet sich im Kreis vieler Lichter und erhellt das dunkle Gotteshaus.” Darin zeige sich das Geheimnis des christlichen Glaubens. Es sei Christus, der das Leben zum Leuchten bringe. Die Jugendlichen forderte er auf: “Lasst es zu, dass Christus in Euch brennt, auch wenn das manchmal Opfer und Verzicht bedeuten kann.” In diesem Zusammenhang warnte der Papst die jungen Menschen zugleich vor “Schwerfälligkeit, das Gute zu wollen und zu tun”.
Treffen mit Altkanzler Kohl
In Freiburg traf der Papst am Samstag auch Vertreter der orthodoxen Kirchen sowie auf eigenen Wunsch den deutschen Altkanzler Helmut Kohl. “Es war der Wunsch des Heiligen Vaters, dem Kanzler der Einheit zu begegnen”, sagte Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch. Mit dem Treffen würdige der Papst die Leistung des Altkanzlers für die Deutsche Einheit und für Europa. Details aus der Begegnung, die hinter verschlossenen Türen stattfand, wurden nicht bekannt.
Schüsse am Rande der Papstmesse
Samstag früh hatte der Papst in der thüringischen Hauptstadt Erfurt mit 28.000 Gläubigen eine Messe gefeiert. Er würdigte dort den Beitrag ostdeutscher Christen und ihrer “Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit” zum Fall der Berliner Mauer. Am Rande der Feier schoss ein 30-jähriger Mann aus Berlin noch vor Beginn der Messe viermal auf Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes. Verletzt wurde niemand, der Grund für die Tat war zunächst unklar. Der geständige Schütze ist nach Angaben der Thüringer Polizei vom Sonntag bereits wieder auf freiem Fuß. Gegen ihn wird wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz weiter ermittelt.
Papst traf Missbrauchsopfer
Zuvor hatte ein Treffen des Papstes mit Missbrauchsopfern in Erfurt am Freitagabend besonderes Aufsehen erregt. Im Priesterseminar der Diözese sprach er unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit zwei Frauen und drei Männern, die von Priestern oder in katholischen Heimen sexuell missbraucht worden waren. Der Trierer Bischof Stefan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Bischofskonferenz, sagte, die Atmosphäre sei gut und frei von Vorwürfen gewesen. Der Papst habe seine Scham zum Ausdruck gebracht. Ähnliche Treffen haben in den vergangenen Jahren bei Auslandsreisen Benedikts immer wieder stattgefunden, wurden jedoch nie im Vorhinein bekanntgegeben.
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