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Oregon: Erneut Amoklauf an US-Hochschule mit zahlreichen Toten

Erneut Blutbad an Hochschule in USA - Motive und Hintergründe noch unklar
Erneut Blutbad an Hochschule in USA - Motive und Hintergründe noch unklar ©AP
An einer Hochschule im US-Staat Oregon hat ein Bewaffneter mindestens zehn Menschen getötet und mehrere weitere verletzt. Nach Angaben der Polizei wurde der Schütze nach der Bluttat am Donnerstag von Beamten erschossen. US-Präsident Barack Obama beklagte, dass solche Schießereien mittlerweile "zu einer Art Routine" geworden seien und forderte erneut schärfere Waffengesetze in den USA.
Schock und Trauer nach Amoklauf

Den Bewohnern zufolge ist Roseburg ein verschlafenes Nest. Jeder kennt jeden, nicht verwandte Menschen bezeichnen sich als Familie. Nun geht ein Riss durch die Gemeinde. Was trieb einen Todesschützen in Oregon? Und nahmen Freunde seine Warnungen im Internet nicht ernst genug?

Die Stimme des Feuerwehrmanns zittert. Man hört Ray Schoufler an, dass er gerade etwas Schreckliches gesehen haben muss: blutende Studenten am Boden, Tote in Klassenzimmern, nackte Angst. Live soll er dem TV-Sender CNN nun am Telefon erklären, was genau sich am College in Roseburg gerade abgespielt hat. Doch Schouflers Stimme stockt, er muss Luft holen. Die Toten und Verletzten im US-Staat Oregon wühlen den Fire Marshal innerlich auf.

Von “mehreren Patienten in mehreren Unterrichtsräumen”, spricht der Feuerwehrmann, der Tausenden Zuschauern nicht im Detail erklären will, was der mutmaßliche Amoklauf am Umpqua Community College (UCC) soeben hinterlassen hat. Von einem “gewaltigen Polizeiaufgebot” spricht er, er klingt verwirrt. “Sind Sie okay?”, fragt die landesweit bekannte CNN-Moderatorin Brooke Baldwin schließlich. “Ja”, sagt Schoufler – “hier ist gerade einfach eine ganze Menge los.”

Polizei erschießt 26-jährigen Schützen nach Bluttat

Es ist gegen 10.30 Uhr am Vormittag, als der Schütze einen Unterrichtsraum betritt und das Feuer eröffnet – mit einem “langen Gewehr”, wie Zeugen berichten. 60 Sekunden lang habe sie Schüsse gehört, sagt Lorie Andrews, die gegenüber vom großen, auf 18 Gebäude verteilten Campus lebt. “Erst dachte ich, es ist Feuerwerk”, sagt sie. In dieser einen Minute könnte der Schütze – etwa mit dem bei Amokläufen häufig genutzten AR15-Sturmgewehr – Hunderte Schüsse abgeben haben.

Kurz darauf folgt der sogenannte Lockdown, das College wird komplett abgeriegelt. Ein Professor habe erst gedacht, es sei eine Übung, erzählt eine in Sicherheit gebrachte Studentin gegenüber CNN. Sie habe sich im Unterrichtsraum mit den anderen verschanzt. Rund 50 warten Berichten zufolge in der abgeriegelten Cafeteria. Während die eingesperrten um ihr Leben und um das ihrer Freunde bangen, rücken Polizei und FBI vor. Dann wird der Schütze “neutralisiert”, sagt Shoufler. Die Polizei liefert sich eine Schießerei mit dem Schützen, bei der dieser getötet wird.

Zwei Stunden nach dem ersten Notruf gibt die Polizei Entwarnung. “Es besteht keine laufende Gefahr für die Gemeinde”, sagt ein Sprecher der Polizei in Roseburg. Sprengstoff-Experten untersuchen die Gegend mit Hunden, Präsident Barack Obama und seine Sicherheitsberaterin Lisa Monaco werden informiert.

Ein 26-Jähriger soll neuesten Medieninformationen zufolge das Blutbad angerichtet haben. Wie so oft bei den tragisch wiederkehrenden Shootings ist die Lage zunächst sehr unübersichtlich, Berichte von Zeitungen und TV-Sendern sind teilweise widersprüchlich. Fest steht: Die 22.000 Einwohner zählende Gemeinde steht unter Schock, jeder kennt hier jeden.

Bezirks-Sheriff John Hanlin sprach nach der Bluttat von zehn bestätigten Todesopfern und sieben Verletzten, einige wurden demnach schwer verwundet. Er wisse, dass es “widersprüchliche Berichte” zu den Opferzahlen gebe, sagte der Bezirks-Sheriff. Die Zahl der zehn Toten sei die “genaueste Information, die wir derzeit haben”. Die Identität der Opfer werde aber noch nicht bekannt gegeben.

“Wir haben unsere Eltern angerufen und ihnen gesagt, dass wir sie lieben”

Die Studentin Cassandra Welding schilderte in US-Medien, wie sie den Amoklauf in einem Nebenraum erlebte. Eine Kommilitonin sei aus dem Zimmer gelaufen, um zu sehen was los war, und direkt erschossen worden. “Dann haben wir die Türen verriegelt und das Licht gelöscht, wir waren alle so in Panik”, sagte sie dem Sender CNN. “Wir haben den Notruf gewählt und unsere Eltern angerufen und ihnen gesagt, dass wir sie lieben.”

“Wir stumpfen ab”: Obama fordert eindringlich schärfere Waffengesetze

Verärgert und betrübt zugleich äußerte sich US-Präsident Obama zu der Bluttat. “Wir stumpfen ab”, warnte er angesichts der Häufigkeit solcher Tragödien. “Wir können durchaus etwas dagegen tun, aber dafür müssen wir unsere Gesetze ändern”, fuhr er fort. Er könne das freilich nicht im Alleingang durchsetzen. Er “brauche einen Kongress”, der zur Zusammenarbeit bereit sei.

“Gebete sind nicht genug”, sagte der US-Präsident. Es dürfe nicht sein, dass jemand, der anderen Menschen schaden wolle, in dem Land “so leicht” an Waffen gerate. In der Vergangenheit war Obama immer wieder am Widerstand der Republikaner mit Initiativen für ein schärferes Waffenrecht gescheitert.

Motive und Hintergründe unklar

Die Motive und Hintergründe der Tat in Roseburg waren zunächst unklar. Eine Augenzeugin erzählte einer Lokalzeitung, der Täter habe seine Opfer aufgefordert, sich auf den Boden zu legen. Dann mussten sie aufstehen. Daraufhin habe der Schütze sie nach ihrer Religion gefragt, dann aber wahllos das Feuer eröffnet.

Fahndung nach möglichen Komplizen

Polizei und Feuerwehr waren im Großeinsatz und sperrten das Gelände des Colleges ab. Die Polizei kontrollierte alle Studenten beim Verlassen der Gebäude auf Waffen und fahndete nach möglichen Komplizen. Sprengstoff-Experten durchsuchten in der Nähe geparkte Autos nach Bomben.

Am Umpqua Community College sind mehr als 3.000 Vollzeit- und 16.000 Teilzeit-Studenten eingeschrieben. Die Kleinstadt mit rund 22.000 Einwohnern liegt etwa drei Autostunden südlich der Metropole Portland. Bis Montag sollte das College geschlossen bleiben, alle studentischen Aktivitäten für das Wochenende wurden gestrichen.

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen an vielen US-Hochschulen

In den USA hat es in den vergangenen Jahren häufiger Schießereien an Schulen und öffentlichen Einrichtungen gegeben. Bei dem bisher blutigsten Amoklauf an einer US-Hochschule starben im Jahr 2007 an der Virginia Tech in Blacksburg mindestens 33 Menschen, darunter der Täter. Nach dem Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule im Jahr 2012 mit 20 Toten wurden an zahlreichen Schulen und Hochschulen die Sicherheitsvorkehrungen verschärft.

Colleges “anfällig für solche Ereignisse”

Colleges und Universitäten seien wegen ihrer offenen Anlagen “anfällig für solche Ereignisse”, teilte der Verband American Association of Community Colleges mit. Die Organisation Everytown, die sich für eine Reform der laxen US-Waffengesetze stark macht, sprach von einer “Tragödie”. Oregons Gouverneurin Kate Brown ordnete an, die Flaggen an allen öffentlichen Gebäuden am Freitag auf Halbmast zu setzen.

Tat im Internet angekündigt?

Auch offen blieb, ob der Schütze selbst an der Hochschule studierte. Die Behörden prüften Einträge in sozialen Netzwerken, mit denen er die Tat womöglich ankündigte. Mehreren Berichten zufolge wurden am Tatort vier Waffen und ein Handy mit Nachrichten gefunden, die sich offenbar auf den Amoklauf bezogen.

Denn tragischerweise kommt hinzu, dass der mutmaßliche Schütze die Tat am Vortag im Internet angedeutet haben soll. Hätten bei Freunden die Alarmglocken angehen müssen, nahmen Bekannte seine Worte in sozialen Netzwerken nicht ernst genug?

“Noch ein Massen-Shooting”

Kommentatoren auf Twitter blicken schon jetzt nach vorn und sagen voraus, dass solch ein Blutbad sich in den USA wiederholen wird. “Noch ein Massen-Shooting”, schreibt einer. “Medien berichten. Obama spricht. Die Öffentlichkeit trauert und schickt Gebete. Das Land bewegt sich weiter. Nichts verändert sich. Wiederholen.” An den US-Statistiken zu Shootings in Schulen, Universitäten, Kinos und Einkaufszentren gemessen, wird er wohl recht behalten. (APA/dpa/red)

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