In Tirol ist ein Gräberfeld mit Überresten von etwa 220 Personen entdeckt worden, die dem NS-Euthanasieprogramm zum Opfer gefallen sein dürften. Nach Angaben des Landeskrankenanstaltenbetreibers Tilak befindet sich das Gräberfeld im Bereich der Psychiatrie des Landeskrankenhauses in Hall. Ein dort geplantes Bauprojekt wurde vorerst gestoppt, wie der Kaufmännische Direktor der Einrichtung, Wolfgang Markl, mitteilt. Eine Expertenkommission soll zunächst den Fund aufarbeiten. Dazu gehört die Identifizierung der Toten, die wissenschaftlich korrekte Bergung des Friedhofs, die geschichtliche Aufarbeitung und die Klärung rechtlicher Fragen. Die Verstorbenen wurden zwischen 1942 und 1945 bestattet. Es besteht der Verdacht, dass die Toten zumindest teilweise Opfer des NS-Euthanasieprogrammes geworden sind.
Zwangssterilisation
Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich wurden die Gesetze der Nationalsozialisten gegen körperlich und geistig Behinderte auch in Österreich umgesetzt. Insgesamt wurden mindestens 706 Erwachsene und Kinder aus dem Reichsgau Tirol-Vorarlberg, meist ohne Wissen ihrer Angehörigen, verschleppt. Im Zeitraum von 1940 bis 1945 wurden mindestens 400 Zwangssterilisationen in Tirol und Vorarlberg durchgeführt, erhoben Wissenschafter der Universität Innsbruck.In einer Arbeit zum Thema Zwangssterilisation und NS-Euthanasie` in Tirol, Südtirol und Vorarlberg erklären die Historiker, dass bis 1945 mindestens 3000 Vorarlberger, Nord- und Südtiroler wegen einer angeblich vererbbaren Krankheit angezeigt worden sind.
Für den Reichsgau Tirol-Vorarlberg waren Erbgesundheitsgerichte in Innsbruck und Feldkirch zuständig. Die Ärzte und das Pflegepersonal waren gesetzlich verpflichtet, Behinderte diesen Ämtern zu melden. Überdurchschnittlich viele Anzeigen kamen aus den Landkreisen Kufstein, Schwaz und Bregenz. Die Angezeigten wurden entweder in eine Heil- und Pflegeanstalt gebracht oder gegen ihren Willen zeugungsunfähig gemacht. Die in die Anstalten Eingewiesenen wurden häufig weiter nach Hartheim in Oberösterreich transportiert und dort umgebracht. Über ihr Schicksal hat eine Stelle in Berlin entschieden. Dafür wurden Meldebögen über die Insassen von den Anstalten gefordert.
Rankweil und Hall
Es hat zwei große Heil- und Pflegeanstalten in Hall in Tirol und in Rankweil (Valduna) in Vorarlberg sowie eine Reihe kleiner Alters- und Pflegeheime (St. Josefsinstitut in Mils, Mariathal bei Kramsach und andere) gegeben. Ursprünglich war auch eine Tötungsanstalt in Hall geplant, sie wurde aber nicht umgesetzt. Es hat Pläne für ein Euthanasie-Programm mit Giftspritzen für Hall gegeben, diese wurden aber damals von der NS-Führung abgelehnt, sagt der Historiker Horst Schreiber.
Es bestehe aber seit einigen Jahren der Verdacht, dass man während der NS-Zeit Hunderte Menschen in Hall habe verhungern lassen. Die Klärung der Todesursache sei nun Aufgabe der Gerichtsmediziner, sagt Schreiber. Nach dem Krieg hätten sich auch Tiroler Ärzte für ihre Taten verantworten müssen, es sei aber nur der Leiter des Amtes für Volkspflege, Hans Czermak, verurteilt worden. Im März wird die fachmännische Bergung des Friedhofs beginnen. Auf dem Areal sollen dann Klinikeinrichtungen entstehen.
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