“Es tut mir Leid, aber alle meine Gedanken drehen sich um Heroin.”
Täglich 450 Euro brauche sie, um ihre Sucht nach Crack und Heroin zu befriedigen. An ihrer Seite hat die zarte junge Frau einen schwatzhaften jungen Mann, der sich als ihr Aufpasser bezeichnet. Doch das ist auch schon ihr einziges Zugeständnis an die Sicherheit, nachdem die Polizei die rund 30 Prostituierten der Kleinstadt davor gewarnt hatte, weiter auf den Straßenstrich zu gehen.
Natürlich denke ich an Gemma und Tania und die anderen ermordeten Mädchen, wenn ich in ein Auto steige, sagte die Mutter eines einjährigen Kindes und vergräbt ihr Gesicht tiefer in ihrer roten Pelzhaube. Die 25-jährige Gemma Adams und die 19-Jährige Tania Nicol wurden als erste ermordet – sie waren eng mit Lindsey befreundet. Ihre Freunde und ihre jüngere Schwester hätten sie angefleht, nicht mehr anschaffen zu gehen, erzählt Lindsey. Vergeblich: Das ist das einzige Leben, das ich kenne – das ist der leichteste Weg, an Stoff heranzukommen, sagt sie und verzieht trotzig ihr gepierctes Gesicht. Seit fünf Jahre ist die blonde Frau Prostituierte. An diesem Abend ist sie die Einzige, die offen ihre Dienste anbietet.
Die Polizei patrouilliert jetzt regelmäßig im Rotlichtviertel unweit vom örtlichen Fußballstadion. Doch wer der unheimliche Mörder sein könnte, ist unklar – es gibt mehrere Spuren. Am Donnerstag suchten die Fahnder nach dem Fahrer eines blauen BMW. Eine Prostituierte hatte ausgesagt, sie habe gesehen, wie eine der ermordeten Frauen in sein Auto gestiegen sei. Der Mann sei dick und braunhaarig.
Experten versuchten unterdessen, ein Täterprofil zu erstellen. Nach Ansicht des britischen Kriminologen Carol Hedderman könnte der Mörder Ipswich als Tatort ausgesucht haben, weil er dort aufgewachsen ist oder lange als Lastwagenfahrer oder Handelsreisender gearbeitet habe. In der Stadt ist der Zusammenhalt eng, viele verbringen ihr ganzes Leben dort.
Er hat Geschmack bekommen, er kann nicht aufhören, sagte Kriminalexperte Allen Bayle dem Fernsehsender Sky News. Vielleicht sei der Mann erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden, mutmaßt er. Der Psychologe Ged Bailes glaubt, dass der Mörder zwanghaft handelt: Der Wunsch steckt tief in ihm, es gibt keinen äußeren Anlass, sagt der leitende Gerichtsmediziner des Krankenhauses von Norwich.
Weil die Opfer nackt waren, ihnen aber keine sexuelle Gewalt angetan wurde, glauben sowohl Hedderman als auch Bailes, dass es dem Mörder ausschließlich um Macht und Dominanz geht. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung wurde einer der Frauen der Hals gebrochen. Vielleicht führe er ein Doppelleben als liebender Ehemann und Vater, vermutet Bailes. Laut Heddermann wirken Serienmörder meistens völlig normal. Sie seien zwar Psychopathen, doch werde dies nicht bemerkt: So seien sie weder schizophren, noch hörten sie irgendwelche Stimmen.
Ipswich trauert, denn viele kannten die toten Frauen, wenn auch nicht alle wussten, dass sie als Prostituierte arbeiteten. Im Backstein-Rathaus im historischen Zentrum des Städtchen wurde ein Kondolenzbuch aufgestellt. Ein Eintrag lautet: Das Leben dieser Frauen war wertvoll, sie haben es nicht verdient, dass es ihnen weggenommen wurde. Im Rotlichtviertel hängen an Laternenmasten Blumen zum Andenken an die Ermordeten.
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