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Brüchiger Damm versetzt Bewohner in Angst

Die Bedrohlichkeit der Umweltkatastrophe in Ungarn hat am Samstag abermals zugenommen: In der Einfassung des Auffangbeckens für die Substanz aus der Aluminiumfabrik MAL AG seien neue Risse aufgetaucht, der Damm drohe komplett einzustürzen, sagte der Leiter des regionalen Katastrophenschutzes, Tibor Dobson.
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In Kolontar startete daher der Bau einer Schutzmauer und die Evakuierung der Einwohner. Der WWF erhob schwere Vorwürfe, das Bersten des Beckens hätte leicht verhindert werden können. Und Ungarns Premier Viktor Orban forderte für die Verantwortlichen “härtest mögliche Konsequenzen”.

Tag sechs der Katastrophe im westungarischen Komitat Veszprem begann mit einer Hiobsbotschaft für die Bewohner der umliegenden Dörfer: Im am Montag geborstenen Becken der Aluminiumfabrik waren weitere Risse entdeckt worden. Es hieß, der Damm könne völlig kollabieren. Für rund 800 Menschen aus Kolontar, jenem Ort, der von der roten Giftschlammlawine besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, hieß es vorläufig Abschied nehmen – Sie wurden mit Bussen in die benachbarte Kleinstadt Ajka evakuiert, wo sie nun in Sporthallen untergebracht sind. Auch in Devecser sei die Bevölkerung aufgefordert worden, sich auf eine mögliche Räumung des Städtchens vorzubereiten.

Experten des Katastrophenmanagements arbeiten an einem neuen Damm, um Kolontar vor einer weiteren Welle giftigen Schlamms zu schützen, meldete die ungarische Presseagentur MTI. Die 400 Meter lange und fünf Meter hohe Konstruktion aus Erde und Stein soll bis Montag früh fertiggestellt sein. Sie soll jene Häuser, die bisher von einer Überflutung verschont blieben, schützen.

Orban und Verteidigungsminister Csaba Hende kamen am Samstag erneut nach Kolontar. Besonders der Premier fand scharfe Worte: Laut Reuters sagte er, dass der Austritt des Giftschlamms verhindert hätte werden können und versprach “härtest mögliche Konsequenzen”. Verteidigungsminister Csaba Hende kündigte an, wenn notwendig das gesamte Armeepersonal abzustellen. Er fügte jedoch hinzu, dass bis dato noch kein Ansuchen um eine Aufstockung eingelangt sei. Am Samstag befanden sich rund 320 Soldaten im Krisengebiet.

Dass die Katastrophe hätte verhindert werden können, glaubt auch der WWF. Denn der Damm des brüchigen Auffangbeckens am Gelände der Aluminiumfabrik sei schon seit Monaten undicht gewesen. Ein Foto vom Juni 2010 belege, dass bereits damals Rotschlamm ausgetreten sei. Auf dem Bild vom Juni sei “klar ersichtlich, dass der Schlamm bereits herausfloss und Teile des Dammes des zehnten Beckens beschädigt sind”, betonte Andreas Beckmann, Direktor des WWF-Donauprogramms. Letztlich sei die Mauer zwar an einer anderen Stelle gebrochen, aber das Foto sei “ein klarer Beweis, dass das Becken einer dringenden Inspektion bedurfte”. Der Rotschlamm auf dem Foto sei “sichtbar in den Kanälen, die das Firmengelände umgeben”. Die rote Farbe stammt vom Eisenoxid, das in Wasser unlöslich ist.

Das desolate Giftschlamm-Becken gab auch am Samstag noch etliche Rätsel auf. Vor allem schien niemand zu wissen, wie viel Rotschlamm sich noch darin befindet. Die Angaben reichten laut WWF von 500.000 bis zu 20 Millionen Kubikmeter. “Es gibt noch keine verlässlichen Daten über das Gesamtvolumen des Beckens”, brachte es Beckmann im APA-Gespräch auf den Punkt. Laut der MAL AG, dem Betreiber des Aluminiumwerks, sollen nur etwa zwei bis drei Prozent des Inhalts ausgeflossen sein. “Das würde bedeuten, dass das ganze Becken rund 20 Millionen Kubikmeter fasst, was mir ein bisschen viel erscheint.”

Außerdem sei noch unklar, wie viel vom verbliebenen Rotschlamm flüssig bzw. nahezu fest sei – d.h. wie viel der Menge tatsächlich noch ausfließen könne. Würden sich die neuen Risse zu einem Dammbruch auswachsen, könnten bis zu 500.000 Kubikmeter Schlamm auslaufen, erklärten Experten von der Technischen Universität in Budapest. Da es sich diesmal um eine dickflüssigere Substanz handle, würde sich diese aber langsamer ausbreiten als die Schlammlawine vom Montag, berichtete die dpa.

Auf Österreich hat die Umweltkatastrophe in Ungarn – vorerst – keinen Einfluss. Laut den Meteorologen der ZAMG in Wien zieht der rote Staub aus dem Krisengebiet in den kommenden 24 Stunden nicht westwärts über die Grenze. “Es herrscht Hochdrucklage mit nur sehr schwachen Winden aus Nordost. Zusätzlich ist der Schlamm feucht, daher sind die Inhaltsstoffe vorerst gebunden und können nicht mit der Luftströmung verfrachtet werden”, hieß es am Samstag in einer Aussendung

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