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Schweiz: Ja zu Ausschaffungsinitiative dürfte Probleme bringen

Die Schweizer haben am Sonntag die höchst umstrittene Ausschaffungsinitiative der nationalkonservativen Volkspartei (SVP) mit 52,9 Prozent aller Stimmen angenommen.
Schweizer für Abschiebung krimineller Ausländer

Die Vorlage verlangt die automatische Wegweisung von Ausländern bei bestimmten Straftaten, die allerdings in einer unausgegorenen Weise festgehalten wurden. Darin besteht nun ein Problem: Nicht nur im Inland, sondern auch in den Beziehungen mit der EU, berichteten die Schweizer Medien am Sonntagabend.

Ein Korrespondent des Schweizer Fernsehens sagte in der “Tagesschau”, es gebe noch keine Reaktionen aus Brüssel. Dort sei man mit der Rettung von Irland und dem Euro beschäftigt. Der Botschafter der EU in der Schweiz, der gebürtige Innsbrucker Michael Reiterer, habe jedoch gesagt, die Schweizer Regierung und das Parlament müssten nun die Initiative mit den EU-Abkommen in Einklang bringen. Im schlimmsten Fall könnte der erste Teil der bilateralen Abkommen fallen, doch laut der “Tagesschau” ist dies eher unwahrscheinlich.

Laut Staatsrechtler Markus Schefer von der Universität Basel stellen die Einhaltung des Freizügigkeitsabkommens mit der EU sowie das Recht auf Familienleben der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein großes Problem bei der Umsetzung dar. “Diese Staatsverträge stehen einer automatischen Ausweisung entgegen und verlangen in jedem konkreten Einzelfall eine sorgfältige Abwägung der involvierten Interessen”, legte er gegenüber der Online-Ausgabe des “Tagesanzeigers” dar.

Es sei nun Aufgabe des Schweizer Gesetzgebers, nach Möglichkeit eine völkerrechtskonforme Umsetzung zu finden. “Ob es ihm gelingen wird, eine Lösung zu finden, die das Völkerrecht achtet und den Verfassungstext nicht sprengt, wird sich weisen”, so Schefer weiter.

Überschäumende Freude im Lager der SVP gibt es nach Angaben der Schweizer Medien offenbar nicht, da es nun um die Umsetzung gehe. Wie diese aussehen soll, ist den Befürwortern offenbar noch nicht ganz klar. In einer ersten Stellungnahme gaben sich Parteivertreter der SVP wie Ulrich Schlüer, vor Jahresfrist eine treibende Kraft der Anti-Minarett-Initiative, sowie Nationalrat und Kampagnenleiter Adrian Amstutz hart: Man sei zu keinen Zugeständnissen bereit. Freilich ließen andere Parteivertreter am Sonntag auch vernehmen, bei Bagatellvergehen durchaus ein Auge zudrücken zu wollen.

Die sozialdemokratische Justizministerin (Bundesrätin) Simonetta Sommaruga will die Volkspartei stark in diesen Umsetzungsprozess einbeziehen. “Dann stehen sie auch in der Pflicht”, sagte sie an die Adresse der Initianten. Sie respektiere den Auftrag der Stimmbürger und wolle den Auftrag umsetzen, den sie am Sonntag erhalten hat.

Außer der nationalkonservativen Volkspartei (SVP) und einigen Rechtsaußen-Parteien waren alle Parteien gegen die Initiative. Das bürgerliche Lager stellte einen Gegenentwurf auf die Beine, der Menschenrechte explizit nicht infrage stellt, aber bei der Ausländerkriminalität Handlungsbedarf sieht. Dieser Gegenentwurf hatte jedoch keine Chance: Er wurde in keinem einzigen der Schweizer Kantone angenommen.

Die Linke zeigte sich während des Abstimmungskampfs uneinig. Die Sozialdemokraten, zweitstärkste Schweizer Partei, waren klar gegen die Initiative, konnten sich jedoch nicht auf einen klaren Standpunkt zum Gegenvorschlag einigen. Die Partei empfahl – wie auch die Grünen – ein Nein zu beidem, doch einige Exponenten setzten sich für den Gegenentwurf ein, um die Annahme der Initiative zu verhindern. Das bürgerliche Lager kritisierte diese Haltung am Sonntag heftig. Das habe der Initiative in die Hände gespielt, so das Urteil.

Deutlich hat sich bei der Abstimmung der sogenannte “Röstigraben”, die Grenze zwischen der französischsprachigen Romandie und der Deutschschweiz manifestiert. In der Deutschschweiz sagte lediglich der Halbkanton Basel-Stadt Nein zur Initiative, in der Romandie stimmte man mit Ausnahme des zweisprachigen Wallis geschlossen dagegen.

Mit 53 Prozent lag die Stimmbeteiligung ungewöhnlich hoch. Claude Longchamp vom Forschungsinstitut gfs.bern sagte einige Tage vor dem Abstimmungstermin, eine hohe Mobilisierung würde wohl in erster Linie der Volkspartei helfen.

Neben der Ausschaffungsinitiative stimmten die Schweizer auch über die Steuergerechtigkeitsinitiative der Sozialdemokraten ab. Diese verlangte auch in den steuergünstigen Kantonen einen Mindestsatz von 22 Prozent auf hohe Einkommen. Nach anfänglichen Erfolgen verlor die Initiative in den letzten Wochen an Zustimmung. Mehr als 58 Prozent lehnten sie am Sonntag ab.

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