Das Sicherheitskabinett in Jerusalem beschloss am Donnerstag, dass mehr Güter auf dem Landweg zu den 1,5 Millionen Palästinensern in dem von der radikalen Hamas kontrollierten Küstengebiet gebracht werden dürfen. Die Seeblockade soll jedoch nach Rundfunkangaben aufrecht bleiben. Israel war zuletzt wegen des blutigen Militäreinsatzes in internationalen Gewässern gegen eine Gaza-Hilfsflotte massiv unter Druck gekommen. Bei der Kommandoaktion waren neun türkische Palästina-Solidaritätsaktivisten erschossen worden.
Netanyahus Büro teilte mit, es sei entschieden worden, “das System zu liberalisieren, nach dem zivile Güter nach Gaza gebracht werden dürfen”. Zudem sollte die Einfuhr von mehr Materialien für “zivile Projekte” genehmigt werden. Israel werde gleichzeitig “bestehende Sicherheitsmaßnahmen fortsetzen”, um den Schmuggel von Waffen und Kampfmitteln zu unterbinden. In den kommenden Tagen solle das Sicherheitskabinett über weitere Schritte zur Umsetzung der neuen Politik entscheiden, hieß es in der Mitteilung. Israel erwarte von der internationalen Gemeinschaft, dass sie sich für die umgehende Freilassung des seit vier Jahren im Gazastreifen gefangen gehaltenen Soldaten Gilad Shalit einsetze. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas forderte unterdessen neuerlich die vollständige Aufhebung der Blockade.
Die Europäische Union hatte von Israel eine “sofortige, nachhaltige und bedingungslose Öffnung” des Gazastreifens verlangt. US-Präsident Barack Obama hat eine großzügige Finanzhilfe für die unter der Blockade leidende palästinensische Gaza-Bevölkerung in Aussicht gestellt. Israels Sozialminister Yitzhak Herzog hatte am Dienstag im Radio gemeint: “Es ist an der Zeit, die Abriegelung in ihrer gegenwärtigen Form zu beenden. Sie ist für Israel von keinerlei Nutzen. Aus diplomatischer Sicht erwachsen aus ihr große Imageschäden”.
Internationale Hilfsorganisationen haben auf die dramatisch schlechten Lebensumstände im Gazastreifen aufmerksam gemacht. Die Abriegelung habe verheerende Auswirkungen auf die Bevölkerung, hieß es in einer Erklärung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Die Härten des täglichen Lebens könnten nicht allein mit Hilfsgütern gemildert werden. Die einzig dauerhafte Lösung sei eine Aufhebung der Blockade. Auch israelische Bürgerrechtsgruppen haben ihrer Regierung einen Wirtschaftskrieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens vorgeworfen.
Die Hamas, die Anfang 2006 die palästinensischen Parlamentswahlen mit absoluter Mehrheit gewonnen hatte, verdrängte im Juni 2007 die unterlegene Fatah nach heftigen Kämpfen aus dem Gazastreifen. Israel verhängte die Sanktionen nach eigenen Angaben, um die Hamas zu schwächen und ihr Regime zu stürzen. Die Blockade läuft nach UNO-Angaben auf eine kollektive Bestrafung heraus und ist nach internationalem Recht illegal. Bei der dreiwöchigen israelischen Gaza-Offensive Ende 2008 und Anfang 2009 waren 1400 Palästinenser getötet und über 5000 weitere verletzt worden.
Wegen des Angriffs auf eine Gaza-Hilfsflotte in internationalen Gewässern erwägt die Türkei nun Sanktionen gegen Israel. Nach Angaben aus Regierungskreisen wird in Ankara überlegt, die diplomatischen Beziehungen sowie die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit zurückzufahren oder gar einzustellen, sollte die israelische Regierung der Forderung nach Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission nicht nachkommen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Israel Staatsterrorismus vorgeworfen und den türkischen Botschafter aus Tel Aviv zurückrufen lassen. Die Türkei verlangt von Israel eine Entschuldigung für die blutige Erstürmung des Schiffs “Mavi Marmara”, die unverzügliche Rückgabe der konfiszierten Schiffe und finanzielle Entschädigungen für die Opfer. Falls die Forderungen nicht innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens erfüllt würden, werde der bereits abberufene türkische Botschafter nicht mehr nach Israel zurückkehren, heißt es in Ankara.
Die israelische Regierung hat einseitig eine Untersuchungskommission unter Leitung eines ehemaligen Richters am Obersten Gerichtshof eingesetzt. Zwei ausländische Beobachter sollen hinzugezogen werden, der nordirische Friedensnobelpreisträger David Trimble und der kanadische Ex-General Ken Watkin, ein früherer Militärstaatsanwalt. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte, eine unabhängige Untersuchung könne nicht von Israel durchgeführt werden, das den Überfall zu verantworten habe. Israel sitze auf der Anklagebank, wolle aber gleichzeitig Staatsanwalt und Richter sein. Die türkische Regierung verlange, dass die Untersuchung “unter der direkten Kontrolle der Vereinten Nationen” erfolge.
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