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Internationale Pressestimmen zur Wien-Wahl

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http://www.tagesanzeiger.ch ©Screenshot: Tageszeiger online
Auch europäische Pressekommentare befassen sich am Montag mit dem Ausgang der Landtags- und Gemeinderatswahlen in Wien.

Der Schweizer “Tagesanzeiger” schreibt:

Wiens Bürgermeister Michael Häupl erklärte seine Partei zum Bollwerk gegen die rechtspopulistische FPÖ, doch der Schuss ging nach hinten los. Die SPÖ konnte in den inneren Bezirken mit ihren Studenten und Selbstständigen Wähler von den Grünen holen, verlor aber in den Arbeiterbezirken ihre Kernwähler an die FPÖ. Dort kamen die Rechtspopulisten auf bis zu 37 Prozent. Der Wahlkampf gegen Asylbewerber und Islam war weder neu noch originell, aber die Sprüche wirkten. Die Aufregung darüber fanden vor allem Jungwähler ‘cool’. Früher war es Jörg Haider, jetzt ist es sein Nachfolger Heinz Christian Strache, ‘der sich was traut’.

So hässlich die FPÖ-Kampagne auch war, sie vermittelte den Wählern ein klares Ziel, während die Kampagnen von SPÖ, ÖVP und Grünen unbeholfen und zum Teil extrem dilettantisch wirkten. Die FPÖ übernahm geschickt die deutsche Debatte um Thilo Sarrazin mit der Parole: Man muss endlich darüber reden dürfen. Dabei redet Wien ohnehin über fast nichts anderes als über Ausländer. Und das schon seit Jahren. Die angeblichen Rede- oder Denkverbote der ‘Gutmenschen’ gibt es lediglich in der rechtspopulistischen Propaganda. Es wird nicht zu wenig über Ausländer geredet, sondern zu wenig über Schulen, Universitäten, über neue Ideen für die Stadt.

Das Problem der anderen Parteien ist, dass sie keine Ideen haben oder sie zumindest nicht formulieren können. Damit überlassen sie den Rechtspopulisten das Feld. Fast kampflos.”

“Stuttgarter Nachrichten”:

“Die Stadt hat einen sozialen Wohnungsbau, der sogar für Touristen interessant ist. Sie hat die geringste Straßenkriminalität aller europäischen Hauptstädte. Eine effiziente Verwaltung. Lustige, friedliche Feste und ein öffentlicher Nahverkehr, für den es in dieser Weltregion kein Beispiel gibt: Man muss schon lange suchen, um an Wien etwas auszusetzen.

Gefunden haben die Wiener die Zuwanderung. Selbst das ist putzig, denn ihre Stadt hat wahrscheinlich die bravsten Migranten der Welt. Der größte Anteil spricht Deutsch besser als jede andere Sprache: Es sind Deutsche. Die Mehrheit stammt aus Ländern der einstigen Monarchie, trifft in Wien auf reichlich Verwandtschaft und passt sich in Rekordzeit an. (…)

Wien hat kein wirkliches Integrationsproblem. Die Zuwanderer sind zu angepasst. Gestern haben die Wiener den Rechten über 27 Prozent der Stimmen gegeben. Es ist die sprichwörtliche Gemächlichkeit ihrer Existenz, die den Wienern ein so radikales Wahlverhalten erst gefahrlos möglich macht. Den Sozialdemokraten wird man jetzt raten, die ‘Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen’. Anders als die Rechten müssen sie allerdings ihre Wahlversprechen auch wahr machen.”

“Dolomiten” (Bozen):

“Die Wiener Landtagswahl vom gestrigen Sonntag hat viele Verlierer und einen Sieger. Die FPÖ des Heinz-Christian Strache. Denn auch wenn Bürgermeister Michael Häupl mit seiner SPÖ unangefochten auf Platz eins landete: Die Blauen katapultierten sich von knapp 15 auf 27 Prozent und Platz zwei – und nahmen den Rathaus-Roten die absolute Mehrheit weg. Wieder einmal ist es nämlich der rechtspopulistischen FPÖ gelungen, just in roten Kernwählergebieten ordentlich Stimmen abzuschöpfen: vor zwei Wochen in der Steiermark, jetzt im roten Wien. Der Ausländer-Wahlkampf und die schrillen Töne des Haider-Erben Heinz-Christian Strache haben mehr gezogen als der Wohlfühl-Kurs des Bürgermeisters Häupl. Und in der SPÖ, die unter ihrem Parteichef und Bundeskanzler Werner Faymann noch bei jeder Wahl Verluste eingefahren hat, wird jetzt wohl eine ziemlich ungemütliche Diskussion beginnen. Dafür wird ein ziemlich ‘angefressener’, aber immer noch mächtiger Michael Häupl schon sorgen.”

“La Repubblica” (Rom):

“Wind von Rechts über dem roten Wien. Der ausländerfeindliche Strache bringt es auf 27 Prozent. Braun gebrannt und elegant, strahlt der FPÖ-Chef vor Freude. Nach Geert Wilders in den Niederlanden und nach den ‘Schweden-Demokraten’ in Stockholm ist jetzt Strache der Wahlsieger der Wien-Wahlen. Seine Partei hat ihre Stimmen fast verdoppelt. Für die SPÖ des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl und von Bundeskanzler Werner Faymann ist die Niederlage verheerend. Schlechter geht es noch der ÖVP, die sich mit dem dritten Platz begnügen muss. Nach den Niederlanden und Skandinavien erschüttert der neue Rechtswind auch die politischen Machtverhältnisse in Österreich und bestätigt sich somit als Trend in ganz Europa.”

“Il Giornale” (Mailand):

“Die wiedererstandene österreichische Rechte, die FPÖ, siegt bei den Kommunalwahlen in Wien, einer Hochburg der Linken. Die SPÖ bleibt zwar stärkste Einzelpartei, aber ohne absolute Mehrheit. Sollte sich der Trend auf nationaler Ebene bestätigen, wird die FPÖ wieder zum Zünglein an der Waage des politischen Systems werden, wie im Jahr 2000, als die EU scharf auf die Regierung mit der FPÖ reagierte. In allen EU-Ländern, in denen in den letzten Monaten gewählt wurde, hat die extreme Rechte erhebliche Fortschritte gemacht, wie die Beispiele der Niederlanden und Schwedens bezeugen.”

“La Stampa” (Turin):

“Das rote Wien lässt sich von der extremen Rechten verführen. Im Einklang mit dem europäischen Trend wächst auch in der österreichischen Hauptstadt eine ausländerfeindliche Rechte, die mit einer aggressiven Wahlkampagne gegen Minarette und den islamischen Schleier auf 27 Prozent der Stimmen gekommen ist und der ÖVP ihren zweiten Platz weggenommen hat. Für die Stadt, die seit 1919 stolz sozialdemokratisch war, ist dieses Wahlergebnis nicht nur ein harter Schlag: Es ist eine Katastrophe.”

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