Die Konservativen unter David Cameron wurden bei der Unterhauswahl am Donnerstag zwar erwartungsgemäß stärkste Kraft. Sie verfehlten allerdings die für eine absolute Mehrheit erforderlichen 326 Mandate. Bereits im Vorfeld des Urnengangs hatte das mögliche Szenario eines Parlaments, in dem keine Partei die Regierungsmehrheit hält, Politiker und Kommentatoren beschäftigt, denn ein sogenanntes “hung parliament” ist in Großbritannien äußerst selten.
Das bisher letzte Mal, dass bei einer Unterhauswahl keine Partei eine absolute Mehrheit schaffte, ist mehr als 30 Jahre her. 1974 errang Labour unter Harold Wilson 301 Sitze, die Tories kamen auf 297 Mandate. Konservativen-Chef Edward Heath versuchte zunächst, mit den Liberaldemokraten eine Mehrheit zu schmieden, scheiterte aber. Wilson bildete in der Folge eine Minderheitsregierung, ließ jedoch wenige Monate später noch einmal wählen und erzielte dann eine knappe Mehrheit. Etwas Ähnliches könnte – unter umgekehrten politischen Vorzeichen – auch diesmal nach dem Urnengang passieren, sagen politische Beobachter.
Noch scheint allerdings unklar, wer die nächste britische Regierung bilden wird. Tory-Chef Cameron erklärte kurz nach der Wahl, er glaube, dass die Labour-Regierung “ihr Mandat, unser Land zu regieren, verloren hat”. Der amtierende Premierminister Gordon Brown deutete nichtsdestotrotz an, die Regierungsbildung für sich beanspruchen zu wollen. Die Liberaldemokraten, denen in Umfragen beträchtliche Zugewinne vorausgesagt worden waren, dürften deutlich schlechter abgeschnitten haben als erwartet, sodass Labour die Unterstützung der drittgrößten Partei zu einer Mehrheit aller Voraussicht nach nicht reichen würde.
Bei der Wahl zum Unterhaus (House of Commons) wird in den 650 Wahlkreisen jeweils ein Mandat an denjenigen Kandidaten vergeben, der dort die einfache Mehrheit erringt. Die Zahl der Wahlkreise wurde seit der letzten Wahl im Jahr 2005 von 646 um vier auf 650 erhöht. Die damals noch von Tony Blair geführte Labour Party errang bei dem Urnengang vor fünf Jahren 355 Sitze, die Tories 198 und die Liberaldemokraten 62 Mandate. Durch Nachwahlen in den Jahren seither büßten die beiden großen Parteien Sitze an diverse Kleinparteien ein, vor der Auflösung des Parlaments hielt Labour dadurch bei nur mehr 345 Sitzen. Auch die Konservativen schrumpften auf 193. Lediglich die “LibDems” konnten ein Mandat dazugewinnen und hielten bei 63 Sitzen.
Das am Donnerstag neu gewählte Parlament sollte am 18. Mai zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen. Die feierliche Eröffnung, bei der Queen Elizabeth II. die Regierungserklärung des neuen Premierministers als “Thronrede” hält, ist für den 25. Mai anberaumt. Nachdem die Möglichkeit eines “hung parliament” bereits im Vorfeld des Urnengangs als sehr realistisch galt, liegt britischen Medien zufolge allerdings bereits ein von Regierungsbeamten ausgearbeiteter Plan in der Schublade, diese Fristen zu verlängern, um Raum für zu erwartende Parteienverhandlungen zu schaffen.
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