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"Es ist Deutschland hier"

Er gilt als gesetzt: Wenn die neue Koalition aus CDU, CSU und FDP steht, wird Guido Westerwelle voraussichtlich neuer deutscher Außenminister sein. Bei seinem ersten Auftritt nach der Bundestagswahl gab er im Hinblick auf die neue Rolle allerdings kein souveränes Bild ab.
Westerwelle weigert sich, Englisch zu sprechen
FDP gegen inhaltliche Vorfestlegung

Die Bitte eines britischen Journalisten, eine Frage auf Englisch zu beantworten, lehnte er mit den Worten ab: “Es ist Deutschland hier.” Politikexperten trauen ihm das Amt des Außenministers dennoch zu.

Westerwelle sei ein “schneller Lerner”, meint Jan Techau von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Der FDP-Parteichef sei intelligent und wendig genug, sich schnell auf neue Themen einzustellen. Er erkenne auch sehr schnell, wann er sich ändern müsse. Persönlich hat Westerwelle im Laufe seiner sieben Jahre als Generalsekretär sowie seiner acht Jahre als Parteichef schon beachtliche Wandlungen durchgemacht. Die Zeiten, in denen er im Guidomobil durch die Lande zog, sich eine gelbe “18” auf die Schuhsohle brennen ließ und den Big-Brother-Container besuchte, sind definitiv vorbei. Westerwelle ist im Amt gereift und seriöser geworden.

In die Rolle als Staatsmann ist Westerwelle bereits zwei Mal erkennbar geschlüpft, bei einer Rede vor der Gesellschaft für Auswärtige Politik im Mai und in seiner Bundestagsrede zu den von einem deutschen Oberst angeordneten Bombardements in Afghanistan Anfang September. Westerwelle lobte damals den überzeugenden Inhalt der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und bescheinigte ihr: “Hier haben Sie für Deutschland gesprochen.” Techau nennt Westerwelles Auftritt im Bundestag “staatstragend”. Er habe fast “kanzlerartig” gesprochen. Bei der Rede vor der DGAP habe der FDP-Vorsitzende gezeigt, dass er auf “Kontinuität und Berechenbarkeit” in der Außenpolitik setze. Eine Zäsur sei nicht zu erwarten.

Noch sind die Posten in einer schwarz-gelben Koalition nicht verteilt; die offiziellen Verhandlungen haben nicht einmal begonnen. Merkel verhaspelte sich aber bereits am Montagabend in einem ZDF-Interview und ließ durchblicken, dass sie mit Westerwelle als neuem Außenminister rechnet. Sie rettete sich in die Formulierung, dass “nach menschlichem Ermessen” jemand von der FDP diesen Posten bekleiden werde, wenn die Regierung erst einmal gebildet sei.

Westerwelle selbst ist vorsichtiger und will zu außenpolitischen Themen noch keine Stellung nehmen. Bei entsprechenden Fragen verweist er auf das Parteiprogramm, etwa zu einem EU-Beitritt der Ukraine, den die FDP langfristig befürwortet. In der Öffentlichkeit Englisch zu sprechen, traut er sich offenbar noch nicht, obwohl es heißt, dass er seine Sprachkenntnisse seit längerem aufpoliert. Im Internet sind sie unter “Westerwelle talking English” zu begutachten. Da merkt der Hörer zwar, dass es nicht des FDP-Chefs Muttersprache ist, aber Anlass zu Häme und Spott gibt es eigentlich nicht. Ein vorsichtiger Diplomat spricht in der Öffentlichkeit tatsächlich nur seine Muttersprache, um nicht aus Versehen falsche Zungenschläge hören zu lassen.

Den BBC-Journalisten wies er allerdings recht undiplomatisch mit den Worten ab: “So wie es in Großbritannien üblich ist, dass man dort selbstverständlich Englisch spricht, so ist es in Deutschland üblich, dass man hier Deutsch spricht.” Er lud den Frager stattdessen zu einer Tasse Tee ein, bei der man dann gerne Englisch sprechen könne.

Der DGAP-Experte Techau mag Westerwelle daraus keinen Strick drehen, auch wenn sein Verhalten “nicht so furchtbar souverän” gewesen sei. Es zeige, dass er die englische Fachterminologie noch nicht so gut kenne und deshalb vorsichtig sei. Auch Vorgänger im Außenamt sind nicht unbedingt eloquent in Fremdsprachen gewesen, bei einem vergleichsweise jungen Politiker wie dem 47-jährigen Westerwelle sei dies jedoch eher ungewöhnlich, meint Techau.

Was Westerwelle inhaltlich bewegen will, wenn er einmal Außenminister ist, darüber ist bisher wenig bekannt. In seiner Rede vor der DGAP betonte er die Einbindung Deutschlands in die Europäische Union und die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen und blieb damit in der außenpolitischen Tradition. In seinen Wahlkampfreden warb er für die atomare Abrüstung und lobte US-Präsident Barack Obama für dessen Initiative zu einer atomwaffenfreien Welt. Die in Deutschland als Relikte des Kalten Krieges noch stationierten Atomwaffen müssten in den kommenden vier Jahren abgezogen werden, forderte er.

Was auch immer Westerwelle als Außenminister in Angriff nimmt, am Ende mag es nicht so entscheidend sein. Denn letztlich – darauf macht Techau aufmerksam – werden die großen Linien der deutschen Außenpolitik im Kanzleramt entworfen. Die FDP werde sich in der neuen Koalition ohnehin ihre Schwerpunkte bei den Themen Steuern, Wirtschaft und Arbeit setzen.

Video: Westerwelle weigert sich, Englisch zu sprechen

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