AA

Musikverein erhält "einen Ferrari der Orgeln"

Die Freude über die neue Orgel des Musikvereins ist bei allen Beteiligten groß. Für Organisten und Komponisten Martin Haselböck ist es der "Ferrari der Orgeln".
Musikverein mit "Ferrari-Orgel"

Für Musikvereins-Intendant Thomas Angyan ist sie “der Schlussstein am Beginn unseres 200-Jahr-Jubiläums”, für den Organisten und Komponisten Peter Planyavsky ein Instrument, bei dem “keine Wünsche offen bleiben werden” und für seinen Kollegen Martin Haselböckein Ferrari der Orgeln“: Die Freude über die neue Orgel des Musikvereins ist bei einem nächtlichen Lokalaugenschein der APA bei allen Beteiligten groß. Am Samstag (26.3.) wird das Prunkstück von Kardinal Schönborn gesegnet und mit einem – live auf “Radio Stephansdom” übertragenen – feierlichen Konzert von Haselböck, Planyavsky, Ludger Lohmann, Gillian Weir und Olivier Latry eingeweiht.

Orgel mit circa 6000 Pfeifen

Auch die Mitarbeiter der Vorarlberger Orgelbau-Firma Rieger sind zufrieden, wirken jedoch ein wenig müde. “Seit September haben wir so gut wie jede Nacht hier gearbeitet”, erklärt Wendelin Eberle, der Chef des 1845 gegründeten Traditionsunternehmens. “Nur der technische Aufbau konnte im Sommer 2010 tagsüber durchgeführt werden.” 6138 Pfeifen (sowie 33 stumme Prospektpfeifen, die noch von der ersten von Friedrich Ladegast gebauten Orgel stammen, die 1872 von Anton Bruckner eingeweiht wurde) mussten eingebaut und intoniert werden. “Dimensionen und Material sind sehr unterschiedlich. Die größte Pfeife ist eine über zehn Meter lange Holzpfeife, die kleinste ist acht Millimeter lang und hat einen Durchmesser von 3,5 Millimeter. Die Detailarbeit kann wirklich nur im Raum selbst stattfinden, jede Pfeife wird ganz speziell angepasst.”

Es ist bereits die zweite Rieger-Orgel, die im Musikverein eingebaut wird. Zwischen 1907 und 1968 ersetzte eine Orgel der damals in Schlesien ansässigen Firma die alte Ladegast-Orgel, ehe sie von einem speziell nach Wünschen des großen Organisten Karl Richter gebauten Instrument ersetzt wurde. “Die Richter-Orgel war aber störungsanfällig, ein Problem für jeden Organisten und jeden Dirigenten”, erzählt Otto Biba, der Direktor des Musikverein-Archivs. “Die vierte Orgel sollte daher bloß keine neuerlich subjektive Orgel werden.” Man berief daher ein internationales Organisten-Komitee, das das Konzept der neuen Orgel erarbeitete. “In mehreren Sitzungen ist so ein Instrument entstanden, mit dem jeder glücklich sein kann.”

Orgel hat 86 Register

Die Orgel hat insgesamt 86 Register auf vier Manualen, einen mechanischen und einen fahrbaren elektrischen Spieltisch. “Die Elektronik, die hier zur Verfügung steht, ist jene, die in jedem iPhone und in jedem Computer eingebaut ist. Das ist wirklich State of the Art”, schwärmt Haselböck. “Auf der anderen Seite sind OrgelnInstrumente, die in handwerklicher Art ganz ähnlich wie vor 500 Jahren gebaut werden. Das Faszinosum Orgel ist eine Mischung aus High Tech und hoher Handwerkskunst.” Für ihn ist es “ein Instrument, das wirklich alle Stückl’n spielt. Es ist technisch reich ausgestattet, man hat sehr viele Möglichkeiten, aber es ist sehr leicht zu handhaben. Wie wir bis jetzt spüren konnten, ist es ein Instrument, das sich perfekt dem Raum anpasst, das nobel und elegant im Raum klingt. Ich kann mit Fug und Recht sagen, dass die Qualität dieses Instruments der Qualität dieses Saales entspricht.”

Für Planyavsky ist “alles so aufgegangen, wie wir es uns gedacht haben. Die alteOrgel hatte ein ganz anders Klangspektrum, es war aus jedem Dorf ein Hund, kein schlüssiges Konzept. Vor allem konnte die alte Orgel nicht Romantik spielen.” Auf der neuen Orgel wird man aber auch zeitgenössische Orgel-Literatur hören. Der Musikverein hat zahlreiche Aufträge vergeben, etwa an Thomas Daniel Schlee, auch ein neues Stück für Orgel und Orchester von Wolfgang Mitterer wird im Herbst uraufgeführt. Bereits am 16. Mai kommt ein Stück von Peter Planyavsky zur Uraufführung: “Es war ein paralleler Prozess: Ich hab’ komponiert und die Orgel ist gebaut worden. Das wird sich dann im Mai hoffentlich treffen.” Ausprobiert hat er sein Stück noch nicht: “Ich lerne es auch nicht, es ist zu schwer. Ich werde es aber dirigieren.”

Eröffnungskonzert mit Orgel

Auch sonst wird die Orgel nach dem Eröffnungskonzert viel im Einsatz sein: Am Sonntag ist ein “Festkonzert für kleine und große Pfeifen” für das junge Publikum angesetzt, am 1. April spielen die Wiener Philharmoniker unter Franz Welser-Möst und mit Gillian Weir an der Orgel. Bekannte Orgelwerke von Poulenc bis zu Janacek und Schmidt folgen dann fast im Tagesrhythmus.

Falsch ist übrigens die Annahme, seit dem Ausbau der alten Orgel im Sommer 2009 hätte es keine Orgelkonzerte mehr im Musikverein gegeben. “Zwei Saisonen lang haben wir es durch ein elektronisches Instrument, das wirklich Weltklasse ist, ersetzt”, erklärt Intendant Angyan. “Daniel Barenboim hat daraufhin bei Mahlers 8. Symphonie gesagt: ‘Was habt ihr mit eurer Orgel gemacht? Die klingt viel besser!’ Aber es war immer klar: Dieses Instrument, das ja auch optisch die Corporate Identity, das Markenzeichen dieses Saales ist, darf kein potemkinsches Dorf sein. Das muss ein wirkliches Instrument sein.”

Finanziert wurde das 1,8 Millionen Euro teure Projekt zu zwei Dritteln von Investor Peter Pühringer, zu einem Drittel durch Mitglieder der Gesellschaft der Musikfreunde und Karten-Zuschläge. In Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt wurden beim Einbau der neuen Orgel übrigens auch die Bemalungen der Dekorfelder in den ursprünglichen Zustand gebracht. Damit die Konzertbesucher künftig nicht nur für die Ohren, sondern auch für die Augen Neues geboten bekommen.

Video: “Ferrari-Orgel”

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Welt
  • Musikverein erhält "einen Ferrari der Orgeln"