Die Regierung in Moskau widersprach am Donnerstag Anschuldigungen aus Kiew, wonach Raketen von russischem Territorium aus abgefeuert worden seien. Die ukrainische Armee vermeldete weitere Erfolge ihrer Militäroffensive gegen die pro-russischen Separatisten.
“Fantasien aus Kiew”
Die beiden Kampfflugzeuge waren am Vortag abgestürzt – nicht weit von der Stelle, wo vor einer Woche ein malaysisches Passagierflugzeug mit fast 300 Menschen an Bord aufgeprallt war. Solche “Fantasien der Kiewer Verantwortlichen” dienten dazu, die Bevölkerung in die Irre zu führen, erklärte das russische Verteidigungsministerium laut Agentur Interfax zu den Schuldzuweisungen.
Ein Sprecher des ukrainischen Sicherheitsrates äußerte sich am Donnerstag zurückhaltender. Kiew beschuldige niemanden. Man untersuche nur alle möglichen Varianten für den Absturz, sagte er.
Ukrainischer Regierungschef tritt zurück
Angesichts des Bruchs der Regierungskoalition in der Ukraine hat Ministerpräsident Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt erklärt. Er ziehe die Konsequenzen aus der Auflösung der Regierungskoalition, erklärte Jazenjuk am Donnerstag im Parlament in Kiew. Präsident Petro Poroschenko begrüßte den Schritt, damit ein kompletter politischer Machtwechsel im Land erzielt werden könne.
Vorgezogenen Parlamentswahlen
Zuvor hatten mehrere Regierungsparteien ihren Rückzug verkündet, Parlamentspräsident Alexander Turtschinow verkündete offiziell den Bruch der Mehrparteienkoalition. Mit ihrem Rückzug wollten die Parteien den Weg für vorgezogene Parlamentswahlen ebnen. Diese werden von Präsident Petro Poroschenko gewünscht, er will sich damit auch im Parlament eine sichere Machtbasis schaffen.
Keine Deeskalation: Vorwürfe gegen Russland
Die Ukraine hält Russland nicht nur die Versorgung der Separatisten mit schweren Waffen vor, sondern hat den russischen Streitkräften mehrfach auch ein direktes Eingreifen in den Konflikt vorgeworfen. Nach Ansicht der EU tut Russland zu wenig, um die Situation zu deeskalieren und den Absturz aufzuklären.
EU berät über weitere Sanktionen
Die EU-Botschafter bereiteten deshalb am Donnerstag in Brüssel neue Sanktionen gegen Moskau vor. Die EU-Kommission legte konkrete Vorschläge vor, die zunächst von den Botschaftern der Mitgliedsländer beraten werden. Eine Entscheidung dürfte aber erst bei der nächsten Botschaftersitzung Dienstag kommender Woche fallen.
Separatisten eingekesselt
Die ukrainische Armee teilte mit, die Rebellen im Osten des Landes seien weitgehend in ihre zwei Hochburgen Donezk und Luhansk zurückgedrängt worden. Positionen außerhalb der Städte, etwa in Dörfern und Vororten, würden verlassen, teilte das Militär mit. Dies stärke die eigenen Angriffs- und Verteidigungspositionen. Panzerfahrzeuge würden rund um die Städte Donezk, Horliwka und Ilowaisk in Stellung gebracht.
Wasser in Donezk wird knapp
In der Nacht war im Süden und im Nordwesten der von den Rebellen gehaltenen Stadt Donezk erneut Artilleriefeuer zu hören. Durch Schäden an Dutzenden von Umspannstationen fiel in mindestens einem Stadtviertel der Millionenstadt der Strom aus. Zudem sei die wichtigste Wasserzuleitung erneut beschädigt worden, teilte die Gebietsverwaltung am Donnerstag mit. “Die Wasservorräte für anderthalb Millionen Einwohner von Donezk und Makejewka reichen nur für wenige Tage”, hieß es in einer Mitteilung.
Weitere MH17-Opfer landen in den Niederlanden
Unterdessen brachten niederländische und australische Militärtransportmaschinen am Donnerstag weitere Opfer des MH17-Absturzes in die Niederlande. Die Militärmaschinen mit den Leichen von 74 Opfern an Bord sollten gegen 16.00 Uhr in Eindhoven landen.
In eine Kaserne in Hilversum sollen die Absturzopfer von 75 Gerichtsmedizinern identifiziert werden. Auch Malaysia und Neuseeland entsandten Forensiker zur Hilfe in die Niederlande. Bis Freitag sollen alle bisher geborgenen sterblichen Überreste in die Niederlande gebracht werden. Die Identifizierung wird nach Einschätzung von Experten Wochen oder Monate dauern. In Farnborough in Großbritannien untersuchten internationale Fachleute die zwei Flugschreiber der Boeing.
Holland und Australien machen Druck
Der niederländische Außenminister Frans Timmermans traf am Donnerstag mit seiner australischen Kollegin Julie Bishop in Kiew ein, um das weitere Vorgehen zu beraten. Die Niederlande und Australien bereiten nach Medienberichten eine Resolution für den UN-Sicherheitsrat vor, um den Einsatz einer bewaffneten Einheit in dem Katastrophengebiet zu ermöglichen.
Ermittler können nicht frei arbeiten
Der niederländische Sicherheitsrat, der die internationale Untersuchung des Absturzes leitet, forderte ungehinderten Zugang zur Unglücksstelle. Ermittler könnten auch eine Woche nach dem mutmaßlichen Abschuss der Boeing von Malaysia Airlines noch immer nicht zu der Stelle, da ihre Sicherheit nicht gewährleistet sei. Allerdings durften Beobachter der OSZE sowie Experten aus Malaysia und Australien am Donnerstag die Unglücksstelle besuchen und die Lage von Wrackteilen dokumentieren.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Die Ukraine und der Westen verdächtigen die Separatisten, die Maschine abgeschossen zu haben. Russland und die Aufständischen haben den Verdacht dagegen auf das ukrainische Militär gelenkt.
Moskau: “Wo sind die Beweise?”
Russland forderte die Ukraine und USA zur Veröffentlichung ihrer Beweise auf. Es gebe bisher keinen einzigen Beleg für die behauptete Beteiligung der prorussischen Separatisten am Absturz der Boeing, kritisierte Vize-Verteidigungsminister Anatoli Antonow. Es werde zwar immer wieder auf Erkenntnisse der US-Geheimdienste und auf Satellitenfotos verwiesen, die einen Raketenstart von dem Konfliktgebiet aus belegen sollen, sagte Antonow. “Aber wo sind diese Beweise?”, fragte der Militärfunktionär im russischen Staatsfernsehen.
Der einflussreiche Rebellenkommandant in der Ostukraine, Alexander Chodakowski, der am Mittwoch in einen Reuters-Interview eingeräumt haben soll, dass die Separatisten zeitweise über ein BUK-Luftabwehrsystem verfügt hätten, dementierte dies am Donnerstag gegenüber dem Staatsfernsehsender “Russia Today” wieder: “Ich habe keine Kenntnis davon, dass die Aufständischen eine solche Waffe besitzen”, sagte er. (APA)
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