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"Mister Tamiflu" als Warner

Mellau - Der gebürtige Mellauer Norbert Bischofberger traut dem "Schweine-Grippe-Frieden" noch nicht.

Er ist einer der bedeutendsten Wissenschafter unserer Zeit. Nicht nur, weil er das bisher beste Grippe-Medikament Tamiflu erfunden hat, sondern auch Medikamente gegen den HIV-Virus, die Infektionskrankheit AIDS und gegen andere Infektionskrankheiten. Norbert Bischofberger, der aus Mellau stammt, hat als Forscher-Genie die Pharmazie-Welt erobert.

VN: Die Schweine-Grippe hat Tamiflu und den Namen Norbert Bischofberger wieder weltweit in die Schlagzeilen gebracht. Wie gefällt Ihnen das?

Bischofberger: Ehrlich gesagt, steht Tamiflu schon lange nicht mehr im Fokus unserer Arbeit. Seit einigen Jahren haben wir keine Forschungen mehr in diesem Bereich getätigt. Tamiflu gibt es und es wirkt. Das ist gut so.

VN: Worauf konzentrieren sich die Forschungen in Ihrem Unternehmen Gillead denn derzeit?

Bischofberger: Sie konzent­rieren sich auf die Bekämpfung von Hepathitis C.

VN: Den Großteil der Einnahmen Ihrer Firma stammen aber aus Einnahmen durch Medikamente gegen HIV und AIDS.

Bischofberger: 85 Prozent sind es genau. Unsere Mittel gegen HIV und AIDS sind so weit, dass niemand mehr am Virus und an der Krankheit sterben muss. Seit 1995 übrigens schon. HIV bleibt trotzdem ein großes Problem. Ich komme gerade aus Mozambique. Dort sind 12,5 Prozent der Menschen mit dem Virus infiziert – unglaublich.

VN: Es gibt gute Medikamente, doch niemand kann sich diese leisten. Liegt nicht darin das große Problem in den armen Entwicklungsländern?

Bischofberger: Es gibt noch größere, weil Organisationen und Spender mittlerweile viele Medikamente für arme Menschen zur Verfügung stellen. In einem Land wie Mozambique sind die großen Prob­leme andere. Es kommt nur ein Arzt auf 40.000 Menschen. Oder: die Hilfsstrukturen sind völlig unzulänglich.

VN: Haben wir den Höhepunkt der Schweine-Grippe hinter uns?

Bischofberger: Das ist schwer zu sagen. Vielleicht schon. Aber die Geschichte von Virus-Erkrankungen lehrt, dass sie oft in zwei Phasen kommen. Die erste Phase der Schweine-Grippe könnte im Frühjahr gewesen sein, eine zweite, womöglich schlimmere, kommt im Herbst. Ich will damit keine Panik verbreiten, nur re­alistische Szenarien aufzeigen. Überhaupt sind wir durch die Globalisierung großen Pandemie-Gefahren ausgesetzt. Diese können plötzlich und völlig unerwartet kommen. So wie die Schweine-Grippe, sowie das Sars-Virus vor einigen Jahren. Die Frage ist nicht, ob wieder einmal eine Pandemie ausbricht, sondern wann.

VN: Sie sind durch Ihre wissenschaftlichen Erfolge ein sehr reicher Mann geworden. Trotzdem arbeiten Sie immer noch mit großer Disziplin und viel Engagment. Warum?

Bischofberger: Arbeit ist ein Lebenssinn. Ich muss immer etwas tun. Ich kann nicht einfach am Strand liegen und in die Luft starren. Ja, ich bin auch sehr diszipliniert. Jeden Morgen stehe ich um halb fünf auf, betreibe Sport. Um sieben Uhr bin ich im Büro. Ich kann nirgends sein, wo es keinen Internet-Anschluss gibt. Ich bin eigentlich stets erreichbar, weil ich die Forschungsergebnisse unseres Unternehmens bewerten muss. Und geforscht wird immer.

VN: Sie haben Ihr Vaterhaus, die „Sonne” in Mellau, neu erstehen lassen. Wollen Sie nicht irgendwann wieder einmal nach Vorarlberg zurückkehren?

Bischofberger: Sag niemals nie. Aber ehrlich gesagt, spricht wenig dafür. Wenn ich gelegentlich nach Hause komme, finde ich kaum jemanden, mit dem ich reden kann. Ich bin seit meinem zehnten Lebensjahr weg von Mellau. Ich gehe gerne zu meiner Schwester Käsknöpfle essen, wenn ich mal da bin. Aber Vorarlberger bleibe ich mein Leben lang. Egal wo ich bin.

ZUR PERSON:

 

Dr. Norbert Bischofberger Der 1956 geborene Mellauer studierte nach der Matura am PG Mehrerau in Innsbruck Chemie, wechselte dann an die ETH in Zürich, wo er promovierte. 1985 ging er in die USA, absolvierte an der Harvard University in Cambridge sein Post-Graduate-Studium. Er erfand das Grippe-Medikament Tamiflu und machte damit ein Vermögen. Aus seinem Labor stammen weitere erfolgreiche Virus-Medikamente, u.a. das sehr wirksame HIV-Mittel „Viread”. Norbert Bischofberger ist heute Vice-President des Biotech-Unternehmens Gilead bei San Francisco. Die Firma beschäftigt weltweit 1800 Mitarbeiter. Bischofberger lebt in Hillsborough bei San Francisco, ist verheiratet und hat zwei Adoptivkinder.

 

 

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