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Merkel verteidigt Zusammenarbeit mit Erdogan

Merkel will an Türkei-Deal festhalten
Merkel will an Türkei-Deal festhalten
Trotz des drakonischen Vorgehens gegen Opposition und Presse in der Türkei setzt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter auf eine enge Zusammenarbeit mit Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Entwicklungen in der Türkei bereiten ihr "große Sorgen", aber der EU-Türkei-Deal sei im Interesse Europas, sagte Merkel vor einem Türkei-Besuch der "Frankfurter Allgemeinen Sonnstagszeitung".

“Die Türkei ist ein wichtiger Partner in Europas direkter Nachbarschaft”, sagte die CDU-Politikerin . “Aber natürlich bereiten uns einige Entwicklungen in der Türkei große Sorgen.” Merkel nannte den abgebrochenen Friedensprozess mit den Kurden sowie die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten, was wiederum gerade kurdische Politiker treffe.

Opposition kritisiert Merkel

Merkel reiste am Sonntagnachmittag nach Istanbul, wo sie zunächst Vertreter der Zivilgesellschaft treffen will. Am Montag folgt dann am Rande des UNO-Gipfels für humanitäre Fragen ein Gespräch mit Erdogan. Der türkische Oppositionsabgeordnete Ziya Pir übte vor dem Treffen scharfe Kritik an Merkel. Es sei “lächerlich”, wenn Merkel nur “Sorge” über die Lage in der Türkei äußere. Die Kanzlerin “sollte sich nicht nur die Meinung der Regierung, sondern auch die der Opposition anhören”, forderte der Politiker der pro-kurdischen HDP.

Erdogan-Vertrauter neuer Regierungschef

Der künftige türkische Ministerpräsident, Verkehrsminister Binali Yildirim, kündigte unterdessen an, der Kampf gegen kurdische Extremisten werde in Syrien und im eigenen Land fortgesetzt. Zudem habe die geplante Verfassungsreform für ihn höchste Priorität. Sie würde Erdogan noch mehr Macht verleihen. Yildirim, der als dessen enger Gefolgsmann gilt, wurde am Sonntag bei einem AKP-Sonderparteitag zum Parteichef gekürt. Er wird dann auch die Nachfolge von Ahmet Davutoglu als Ministerpräsident antreten. Meinungsverschiedenheiten mit Erdogan über die Verfassungsreform sollen zu dessen Rücktritt beigetragen haben.

Seehofer übt Druck auf Merkel aus

Unterdessen blieb Merkel innenpolitisch weiter massiv unter Druck wegen ihrer Türkei-Politik. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer warnte die Kanzlerin in der ARD-Sendung “Bericht aus Berlin” vor zu großer Nachgiebigkeit gegenüber Ankara. “Man darf nie sich abhängig machen von solchen Systemen oder gar erpressen lassen”, mahnte Seehofer. “Da ist für mich eine Grenze, wo ich hoffe, dass die Kanzlerin diese Grenze auch klar zieht.” Es sei ein “Grundfehler” des EU-Türkei-Deals gewesen, dass man “Dinge miteinander vermengt hat bei diesem Deal, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben”, sagte Seehofer mit Blick auf die Visafreiheit für türkische Staatsbürger.

SPD und Grüne fordern Gespräche mit Kurden

Der Koalitionspartner SPD verlangte von Merkel ebenfalls klare Worte: “Statt Demokratie und Rechtsstaatlichkeit setzt Präsident Erdogan auf Repression und Ausgrenzung”, sagte Fraktionschef Thomas Oppermann der “Bild am Sonntag”. “Dazu darf Deutschland nicht schweigen.” Merkel solle sich auch mit Vertretern der Opposition treffen. Auch Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter forderte Merkel auf, gegenüber Erdogan nicht einzuknicken, nur damit er Europa die Flüchtlinge vom Hals halte. Die Kurdische Gemeinde in Deutschland warnte, Erdogan entledige sich offen der Opposition und ebne den Weg zu einer Diktatur.

Türkei setze Abkommen verlässlich um

Merkel verwies darauf, dass ein notwendiger Interessenausgleich nicht bedeute, dass man mit der Politik des Landes übereinstimmt: “Wir werden deshalb immer auch Kritisches in der Entwicklung eines Landes ansprechen, und zwar öffentlich wie nichtöffentlich.” Was das Flüchtlingsabkommen angehe, setze die Türkei es bis jetzt verlässlich um. Daher solle auch die EU ihre Zusagen einhalten. Ihren Kritikern hielt sie in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” vor, sie hätten “manchmal fast so etwas wie eine Freude am Scheitern”. Seehofer wies diesen Vorhalt im ARD als “absolut falsch” zurück.

Zweifel an Erfolg der Türkei-Deals

Im Kern erhält die Türkei Unterstützung der EU für die Versorgung von Millionen Flüchtlingen vor allem aus Syrien. Zudem hat sich das Land verpflichtet, aus Griechenland abgewiesene Flüchtlinge zurückzunehmen. Dafür will die EU eine entsprechende Anzahl von Syrern aus der Türkei wiederum bei sich aufnehmen.

Einem Magazin-Bericht zufolge sucht die Türkei dafür aber auffallend viele schlecht qualifizierte oder schwer kranke Menschen aus. Das Land habe gegenüber der EU durchgesetzt, die Syrer selbst auswählen zu können, obwohl dies eigentlich Aufgabe des UNO-Hilfswerks UNHCR sei, berichtet “Der Spiegel”. Die Türkei habe dem UNHCR inzwischen mitgeteilt, syrische Akademiker dürften gar nicht mehr ausreisen.

(APA)

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