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"Man wurde einfach beschissen!"

Wo Rindfleisch draufsteht, ist offenbar nicht immer nur Rindfleisch drin. Werner Riedmann fordert deshalb eine strengere Kontrolle der gesetzlichen Vorgaben.
Wo Rindfleisch draufsteht, ist offenbar nicht immer nur Rindfleisch drin. Werner Riedmann fordert deshalb eine strengere Kontrolle der gesetzlichen Vorgaben. ©EPA
Altach - Im Gespräch mit Wann&Wo findet der Altacher Fleischsommelier Werner Riedmann klare Worte zur derzeitigen Diskussion um nichtdeklariertes Pferdefleisch.

WANN & WO: Derzeit spricht alle Welt von Pferdefleisch. Was ist daran so problematisch?

Werner Riedmann: Pferde haben einen anderen Stellenwert als Nutztiere, etwa Schwein oder Rind. Bei Pferdefleisch muss man sich anschauen, woher es kommt: Hat jemand eine Haflingerzucht und es kommt ein Hengst zur Welt, der nicht für die Zucht gedacht ist, wird dieser zur Schlachtung ge­­­­­­­bracht. Importiert jemand aber (günstiges) Pferdefleisch aus den USA oder Kanada und lässt dieses bewusst in die Nahrungskette einfließen, wie es bei den zahlreichen Fertigprodukten der Fall war, ist das natürlich nicht korrekt. Im Volksmund würde man sagen, man wurde einfach beschissen.

WANN & WO: Immer mehr Fälle werden bekannt. Ist dieses Vorgehen in der Fleischindustrie gängige Art?

Werner Riedmann: Nehmen wir das Beispiel Pferdelandjäger – ein gutes und herzhaftes Produkt (auch wenn junge Mädchen hier vielleicht nicht unbedingt zugreifen), dass ganz klar als Pferd deklariert wird. Wird anderes Fleisch beigemengt, etwa Schwein für den Geschmack, wird auch das offen deklariert. Ich bin aber offen gesagt schon sehr erschrocken, wieviel Unfug mit Pferdefleisch getrieben wurde. Dass man auf die Idee kommt, Pferd statt Rind zu verwenden, war mir in diesen Dimensionen neu. Gängig ist das also keinesfalls. Es ist aber auch schlimm, wie sich die Lebensmitteltechnologie entwickelt hat: Ich war selber in der Industrie tätig und weiß, wie man im großen Stil produzieren kann. Der Preisdruck, den die Hersteller vorgesetzt bekommen (speziell bei Eigenmarken) ist sehr hoch. Die Rezepturen werden immer weiter verändert, das Niveau immer weiter nach unten geschraubt. Und man versucht alles, um billiger produzieren zu können. Den Fachbetrieben kommt dieser Skandal jedoch entgegen. Bei uns im Geschäft hatten wir eine 30-prozentige Umsatzsteigerung bei selbstproduzierten Fertiggerichten, die Kunden reagieren schnell.

WANN & WO: Aber schadet die Beimengung von Pferd wirklich der Qualität?

Werner Riedmann: Schlecht ist das Fleisch sicherlich nicht. Wir sprechen nicht von gesundheitsschädlichen Produkten – es wurde einfach falsch deklariert. Pferdefleisch ist immer noch besser als Gammelfleisch, wobei das wieder ein anderes Thema ist. Aber es ist klar, dass das Fleisch verwendet wurde, um Produktionskosten zu senken.

WANN & WO: Stichwort Lebensmittelpass. Bringt das etwas?

Werner Riedmann: Ich kann es eigentlich nicht nachvollziehen, dass die Politik hier gleich ein neues Papier installieren will. Ich finde, es wäre viel sinnvoller, wenn es eine verpflichtende Lebensmittelkennzeichnung geben würde. Es muss ausgewiesen werden, woher das Fleisch kommt. Vieles würde sich dadurch von selbst lösen, manche hätten vielleicht auch ein Problem damit – dahinter steckt ja auch eine starke Lobby. Wen ich gar nicht verstehe, ist der Handel: Mich erschreckt es, dass der Handel nicht in der Lage ist, den Trumpf einer besseren Tierhaltung auszuspielen. Meines Erachtens sind zusätzliche Kontrollen des Fleischer-Handwerks jedenfalls nicht mehr tragbar. Viele davon resultieren aus der Misswirtschaft und dem Unvermögen, die uns der Handel und die Industrie beschert haben. Discounter brauchen Unmengen an Lebensmitteln, haben kein Fachpersonal und wälzen alles auf die Produzenten ab. Dann wird einerseits ein Qualitätsprodukt produziert und andererseits ein Billigprodukt, um die Auslastung zu gewährleisten.

WANN & WO: Aber ist dann nicht auch der Verbraucher in die Verantwortung zu nehmen, der im Discounter einkauft?

Werner Riedmann: Grundsätzlich schon. Der Verbraucher ist nicht einfach fein raus. Es ist aber auch schwierig für den Endverbraucher zu wissen, was er in diesem Produktdschungel kaufen soll. Es ist aber auch für uns als Fachleute oft ganz schwer, die Qualität zu beurteilen. Mit Markenprodukten fährt man definitiv besser. Der Verbraucher ist gefragt, hier den Weg mitzugestalten – man muss ihm aber mit entsprechender Kennzeichnung bei seiner Entscheidung helfen.

WANN & WO: Kommt durch die derzeitigen Kontrollen noch mehr ans Tageslicht?

Werner Riedmann: Die Lebensmittelbranche ist sehr schnelllebig. Und ich denke, dass auch in Zukunft manipuliert wird. Gute Lebensmittel werden auf jeden Fall empfindlich teurer werden. Ich glaube auch, dass die Preisschere zwischen Billig- und Qualitätsprodukt noch viel weiter auseinandergeht. Doch ich glaube, dass die Konsumenten das bezahlen werden und dass ein Bewusstsein für Qualität entstehen wird.

WANN & WO: Die Menschen müssen es sich aber auch leisten können.

Werner Riedmann: Hier kommt es drauf an, was einem wichtig ist: Jeder hat Geld für Unterhaltungselektronik oder ein Auto. Oft wird gespart, wenn es um Dinge des täglichen Lebens geht, damit man sich andere, weniger wichtige Dinge leisten kann. Manche kommen da vielleicht später noch drauf. Außerdem: Immer heißt es, die Lebensmittel wären so teuer – im Verhältnis zum Einkommen waren sie noch nie so billig wie heute.

Pferdefleischskandal in Europa – Hintergründe

Seinen Anfang nahm der Skandal am 15. Januar 2013 in Großbritannien und Irland. Am 7. Februar 2013 gab das Unternehmen Findus bekannt, dass in einer Stichprobe von 18 Packungen Fertig-Lasagne, die nach Großbritannien und Schweden gelangten, elf zwischen 60 und 100 Prozent Pferdefleisch enthielten. In Österreich wurde beim Discounter Lidl in Tortellinis von Hilcona, Liechtenstein, nicht deklariertes Pferdefleisch festgestellt. Am 20. Februar wurde in Proben eines Kärntner Fleischers Pferdefleisch gefunden. In Wien fand man zudem Pferdefleisch-Anteile in Dönerkebabs, die aus der Slowakei geliefert worden waren. (Quelle: Wikipedia)

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