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Kampf gegen das Rauchen: EU-Parlament setzt auf Schockfotos

Schockbilder auf Zigarettenpackungen: EU sagt Rauchern den Kampf an.
Schockbilder auf Zigarettenpackungen: EU sagt Rauchern den Kampf an. ©EPA/ Themenbild)
Rauchen kann tödlich sein - so steht es auf Kippenpackungen. Bald sind auch Fotos von Krebsgeschwüren zu sehen - so wollen es die EU-Kommission und nun auch das Europaparlament. Die Branche jammert, obwohl das Parlament ihre Sorgen etwas berücksichtigt.
Schockfotos: Zweifel am Effekt
Die Schockbilder kommen
Horrorbilder auf Zigaretten

Das wird unappetitlich: Zigarettenpackungen müssen künftig Schockfotos mit Raucherlungen, vergammelten Zähnen oder Krebstumoren haben. Ein Gesetzesvorhaben der EU-Kommission fand am Dienstag im Europaparlament eine Mehrheit.

Verschärftes Tabakgesetz leicht gemildert

Allerdings schwächten die Parlamentarier den Kommissionsvorschlag ab – Warnhinweise und Fotos sollen nur 65 Prozent der Oberfläche von Zigarettenpackungen bedecken, die Kommission plante mit 75 Prozent.

Angst vor dem Kiosk als “Gruselkabinett”

Damit kam das Europaparlament den Bedenken der Tabakindustrie entgegen. Die Firmen laufen gegen die Regeln Sturm, um zu verhindern, dass der Kiosk zum – O-Ton aus der Tabakbranche – “Gruselkabinett” wird.

Die strittige Frage der Wirkung

Strittig ist, welche Wirkung die geplanten Schockfotos haben. EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg verweist auf Kanada und Brasilien, wo Schockbilder den Tabakkonsum reduziert haben. Die Regeln seien wissenschaftlich fundiert, betont Borg. Der marktliberale FDP-Europaparlamentarier Holger Krahmer sieht das anders. Für ihn ist die Richtlinie ein dämlicher “Kreuzzug gegen das Rauchen”, der wissenschaftlich auf wackligen Füßen stehe.

Zweifel am Effekt

Können die von der EU geplanten Schockbilder auf Zigarettenpackungen wirklich den gewünschten Effekt haben? Cornel Binder-Krieglstein vom Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) ist skeptisch und erwartet eher Trotzreaktionen nach dem Motto “jetzt erst recht”. Nur wenn jemand an der “Kippe” stehen würde und schon mit dem Aufhören liebäugelt oder gerade mit dem Rauchen beginnt, könnte dies die Entscheidung gegen die Zigarette unterstützen.

Tabakrichtlinie weckt Emotionen

Kaum ein EU-Vorhaben hatte in vergangenen Jahren so stark Emotionen geweckt wie die Tabakrichtlinie. Lobbyisten traten in Brüssel in gefühlter Kompaniestärke auf, grimmig beäugt von Anti-Rauch-Aktivisten. Die einen warnten vor Arbeitsplatz-Verlusten, die anderen verwiesen lautstark auf die jährlich 700 000 Toten, die in der EU an den Folgen des Rauchens sterben.

Borg sagt Rauchern den Kampf an

Gesundheitskommissar John Dalli kostete das Vorhaben im Herbst 2012 letztlich sein Amt, weil er einen dubiosen Tabaklobbyisten zum Bekannten hatte und dadurch in Verruf geriet. Andere Lobbyisten lachten sich damals heimlich ins Fäustchen – sie hofften darauf, dass das Gesetzgebungsvorhaben durch den Amtswechsel bis zum Sanktnimmerleinstag verzögert würde. Doch weit gefehlt – Dalli-Nachfolger Borg packte das Vorhaben schnell an. Sein Ziel: Weniger Raucher besonders unter jungen Leuten, um die Zahl der Tabaktoten einzuschränken. Dass jedes Jahr in der EU quasi eine Stadt von der Größe Palermos ausgelöscht werde, sei unerträglich.

Das Europaparlament bestätigte den Kommissionskurs am Dienstag grundsätzlich. Der Europaabgeordnete Richard Seeber, Co-Gesundheitssprecher der Christdemokraten, nannte das Votum einen “Sieg für den Jugend- und Gesundheitsschutz”.

Von “runden” Ecken und Packungsgrößen

Allerdings kamen die Abgeordneten den Industrieinteressen etwas entgegen. So hatte die Kommission den Zigarettenherstellern verbieten wollen, Kippenpackungen mit abgerundeten Ecken herzustellen. Quatsch, unkten Christdemokraten und fanden eine Mehrheit, um die Pflicht zu “quaderförmigen” Packungen zu löschen. Geblieben ist die Vorschrift von mindestens 20 Glimmstängeln pro Kippenpackung.

E-Zigaretten kein Arzneimittel

Außerdem sollen E-Zigaretten nicht als Arzneimittel eingestuft werden – dann hätten sie in Deutschland nicht mehr am Bahnhofskiosk verkauft werden können, sondern nur in der Apotheke. Nun sollen die Nikotin-Verdampfer weiterhin auch am Bahnhofskiosk zu haben sein. Das begrüßten Christdemokraten und Linkspolitiker in seltener Einhelligkeit. “Nach aktuellem Kenntnisstand sind E-Zigaretten weit weniger schädlich als klassische Tabakprodukte”, sagte die Linke Sabine Wils. Daher sei das Nein zur Einstufung als Arznei gut.

Mentholzigaretten: Großzügige Übergangsfrist

Aufatmen dürfte auch der 94-jährige Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt als Deutschlands bekanntester Kettenraucher. Denn seine bevorzugten Mentholzigaretten sollen zwar verboten werden, aber mit großzügiger Übergangsfrist. So sollen die Verkaufsregeln nach dem Willen des Parlaments wohl erst 2022 in Kraft treten, die EU-Staaten planen mit dem Jahr 2019. Unterhändler von Parlament und Staaten müssen sich nun einigen. Unter Dach und Fach ist das Gesetzespaket also noch nicht. Doch weil die beiden EU-Institutionen in vielen Punkten gleichauf oder nah beieinander liegen, gilt die finale Annahme der Richtlinie Anfang 2014 als so gut wie sicher. (dpa/ red)

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