AA

IS enthauptet Ägypter in Libyen - Kairo antwortet mit Luftschlägen

Koptische Christen halten Fotos ihrer Verwandten hoch, die vom IS entführt wurden. 21 Kopten richtete die Terrormiliz hin.
Koptische Christen halten Fotos ihrer Verwandten hoch, die vom IS entführt wurden. 21 Kopten richtete die Terrormiliz hin. ©AP
Nach der Enthauptung von 21 koptischen Christen hat die Kairoer Luftwaffe am frühen Montagmorgen Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Libyen angegriffen.

Die Flugzeuge bombardierten Stellungen sowie Waffen- und Munitionslager des libyschen IS-Ablegers, wie es in einer Mitteilung der Armee hießt. Details zu den Angriffszielen machte Kairo nicht.

Ägyptische Luftschläge töten 40 bis 50 IS-Kämpfer

40 bis 50 Kämpfer seien bei den Luftschlägen getötet worden, so ein Kommandant der libyschen Luftwaffe gegenüber dem ägyptischen Staatsfernsehen. Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. Augenzeugen in der IS-Hochburg Derna berichteten allerdings von Luftschlägen Montag früh. Die Stadt liegt am Mittelmeer, rund 300 Kilometer von der ägyptischen Grenze entfernt.

Ägypten rief die Welt zu einem “entschlossenen Eingreifen” in Libyen auf. Kairo und Paris wollten eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrates einberufen, um über “neue Maßnahmen” gegen die IS zu sprechen.

Nach Angaben der libyschen Luftwaffe waren auch eigene Maschinen an den Luftschlägen beteiligt. Die Kampfjets hätten Ziele nahe der Städte Bengasi und Sirte angegriffen, sagte Stabschef Sakir al-Dschuruschi der libyschen Nachrichtenseite “Al-Wasat”.

Bürgerkrieg: Libyen im Würgegriff der Gewalt

Libyen befindet sich seit Monaten in einem blutigen Bürgerkrieg, zwei Regierungen in Tripolis und Tobruk beanspruchen die Macht. Die reguläre libysche Armee kämpft aufseiten der international anerkannten Tobruk-Regierung. Tobruk gilt als offizieller Verbündeter Kairos, die Gegenregierung in Tripolis ignoriert Ägypten. Ägypten soll sich nicht zum ersten Mal militärisch in den libyschen Bürgerkrieg eingemischt haben – dieses Mal ist es jedoch offiziell. In dem Land hat Kairo einen Verbündeten für seine Luftschläge.

Die Luftschläge gegen IS-Stellungen seien gemeinsam mit der ägyptischen Luftwaffe koordiniert worden, sagte Al-Dschuruschi. Laut dem TV-Sender Al-Dschasira hatten die Kampfjets auch Ziele nahe dem ostlibyschen Derna angegriffen.

Derna: Hochburg des Islamischen Staates

Derna gilt als lokale Hochburg einer Terrorgruppe, die im Oktober vergangenen Jahres dem IS die Treue geschworen hatte. Sie hat sich nach eigener Darstellung nun in einen ost- und einen westlibyschen “Staat” zu Diensten der IS-Miliz unterteilt.

IS-Terroristen richten 21 koptische Christen hin

Am Sonntagabend veröffentlichte die Gruppe ein Enthauptungsvideo mit mehreren koptischen Christen aus Ägypten. Bei den Männern soll es sich um 21 Gastarbeiter handeln, die zwischen Ende Dezember und Anfang Januar in Libyen verschwanden. Das Video ist die erste professionell inszenierte Gräueltat des IS außerhalb seines Kerngebiets in Syrien und im Irak. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte danach eine “angemessene Reaktion” angekündigt.

Stichwort I: Die Ableger des Islamischen Staates im Nahen Osten

Seit ihrem Vormarsch im Irak und in Syrien buhlt die Terrormiliz IS mit Al-Kaida um die Vorherrschaft im globalen Islamismus.

Brüder im Geiste, Feinde im Kampf: der IS und Al-Kaida

In Syrien und im Irak hat der IS ein Gebiet von der Größe Italiens erobert und ein Kalifat ausgerufen. Vielen Extremisten imponiert dieser militärische Erfolg – vor allem in Nordafrika. Diverse Gruppen haben sich der IS-Bewegung angeschlossen:

LIBYEN: Ende Oktober leistete die im ostlibyschen Derna kämpfende Miliz “Schura-Rat der Jugend des Islams” dem IS einen Treueschwur. Heute unterteilt sich die Truppe nach eigener Darstellung in einen ost- und einen westlibyschen “Staat”. Sie rekrutiert sich aus ehemaligen Rebellen, die 2011 gegen den Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi gekämpft hatten. Seit Wochen machen die Jihadisten mit präzise koordinierten Anschlägen über Derna hinaus auf sich aufmerksam – und nun mit dem Video von der Ermordung der 21 ägyptischen Kopten.

ÄGYPTEN: Seit Mitte November bezeichnet sich in Ägypten die Terrorgruppe Ansar Beit al-Maqdis (“Unterstützer Jerusalems”) als “Staat Sinai” des IS. Laut ägyptischem Innenministerium gehören der Zelle rund 2000 Kämpfer an. Die Islamistentruppe entstand 2011 nach dem Sturz des Präsidenten Hosni Mubarak. Sie verübt vor allem auf der Sinai-Halbinsel und in Kairo Anschläge auf das ägyptische Militär.

ALGERIEN: Bereits Mitte September 2014 schworen algerische Fraktionen der in Nordwestafrika aktiven Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI) dem IS die Treue. Der neue IS-Ableger nennt sich jetzt Jund al-Khilafah (“Soldaten des Kalifats”). Aufsehen erregte er mit der Enthauptung eines entführten französischen Touristen im September 2014.

Treueschwüre auf den IS gibt es auch von Islamisten in anderen Ländern, darunter Afghanistan und Pakistan.

Stichwort II: Die Minderheit der koptischen Christen in Nordafrika

Etwa zehn Prozent der rund 90 Millionen Ägypter sind koptisch-orthodoxe Christen. Die Minderheit bildet eine Strömung der altorientalischen Kirchen, Oberhaupt ist Papst Tawadros II. mit Sitz in Alexandria. Die Gemeinde lebt weitgehend friedlich mit der Mehrheit der sunnitischen Muslime in Ägypten zusammen. Das koptische Weihnachtsfest ist seit 2002 als Feiertag im ganzen Land anerkannt.

Nach Übergriffen von Islamisten auf die Kopten betont Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Einheit der Religionen in seinem Land. Als erstes ägyptisches Staatsoberhaupt besuchte er im Januar das koptische Weihnachtsfest. 2010 wurden bei einem Angriff von Islamisten auf ein Weihnachtsfest im oberägyptischen Nadsch Hammadi sechs Kopten getötet; am Neujahrstag 2011 starben 23 Menschen bei einem Bombenanschlag auf eine Kirche in Alexandria.

Außer in Ägypten gibt es auch vereinzelt koptische Gemeinden im Sudan, in Äthiopien und in Libyen. Vor allem im ölreichen Libyen arbeiten trotz des Bürgerkrieges Hunderte ägyptische Kopten als Gastarbeiter. Auch die jetzt von Dschihadisten des “Islamischen Staats” hingerichteten Kopten waren als Arbeiter im Land.

(dpa/APA/red)

  • VOL.AT
  • Politik
  • IS enthauptet Ägypter in Libyen - Kairo antwortet mit Luftschlägen